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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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e<strong>in</strong>zige Verschiedenheit. Aus der letzten Haremstube gelangten wir wieder <strong>in</strong> das Gemach,<br />

welches wir zuerst betreten hatten; wir waren rundum gekommen. Turnerstick wollte<br />

vollständig se<strong>in</strong>; er bat, auch nach oben gehen zu dürfen; und unser Führer willigte e<strong>in</strong>. Mir lag<br />

gar nichts daran, e<strong>in</strong>ige von Schwarzen bewohnte Kammern zu sehen; darum zögerte ich<br />

e<strong>in</strong>en Augenblick, den Beiden zu folgen. Da hörte ich h<strong>in</strong>ter mir das Öffnen e<strong>in</strong>er Thüre, und<br />

e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>derst<strong>im</strong>me sagte:<br />

„Nusrani, Nusrani!“<br />

Das heißt: e<strong>in</strong> Christ, e<strong>in</strong> Christ. Ich drehte mich um und sah unter dem jetzt offenen<br />

E<strong>in</strong>gange e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en allerliebsten, ungefähr sechsjährigen Knaben stehen. Se<strong>in</strong>e dunklen<br />

Augen blitzten mich förmlich an; se<strong>in</strong>e Wangen waren gerötet, und um se<strong>in</strong>e Lippen spielte e<strong>in</strong><br />

unsagbar liebliches, schalkhaftes Lächeln. Welch e<strong>in</strong> Unterschied gegen die <strong>in</strong>dolenten, trägen<br />

K<strong>in</strong>der, welche man gewöhnlich <strong>im</strong> Oriente sieht.<br />

„Karrib, ta’a lahaun – komm näher, komm hierher!“ flüsterte er mir mit ausdrucksvollem<br />

Mienenspiel zu, als ob er mir die größte Wichtigkeit der Welt zu zeigen oder zu sagen habe.<br />

Dabei krümmte er den kle<strong>in</strong>en Zeigef<strong>in</strong>ger und w<strong>in</strong>kte mit den kle<strong>in</strong>en Quatschhändchen<br />

<strong>im</strong>mer auf sich zu:<br />

[177] „Komm’ Du zu mir!“ forderte ich ihn auf, da er sich noch <strong>im</strong> letzten Z<strong>im</strong>mer des<br />

Harems befand.<br />

„Darf ich denn?“ fragte er, eifrig mit dem Kopfe nickend.<br />

„Natürlich darfst du.“<br />

Da kam er herbeigehüpft, schlang beide Ärmchen um me<strong>in</strong>e Knie und rief wieder:<br />

„Nusrani, Nusrani – e<strong>in</strong> Christ, e<strong>in</strong> Christ!“<br />

Ich liebkoste ihn und erkundigte mich:<br />

„Weißt Du denn, daß ich e<strong>in</strong> Christ b<strong>in</strong>?“<br />

„Ja.“<br />

„Von wem?“<br />

„Von Kalada.“<br />

„Wer ist das?“<br />

„Mutter; sie hat Euch gesehen.“<br />

„Hat sie Dich zu mir geschickt?“<br />

„Ne<strong>in</strong>; ich b<strong>in</strong> selbst gegangen, und sie ist fort. Komm’, setz’ Dich neben mich; ich will Dir<br />

viel erzählen!“<br />

Er zog mich nach dem Wanddivan. Warum sollte ich dem allerliebsten Kerlchen nicht den<br />

Gefallen thun? Ich befand mich ja nicht mehr <strong>im</strong> Harem und konnte hier ebenso gut wie<br />

draußen auf dem Hofe die Rückkehr Turnersticks und se<strong>in</strong>es Begleiters erwarten. Ich setzte<br />

mich also nieder. Der Kle<strong>in</strong>e nahm auf me<strong>in</strong>em Schoße Platz und begann, sich mit sehr<br />

löblicher Beherztheit mit me<strong>in</strong>em Barte zu beschäftigen.<br />

„Wie heißest Du?“ fragte er.<br />

„Nusrani,“ antwortete ich. „Und Du?“<br />

„Asmar.“<br />

Dieser Name bedeutet der Brünette und paßte sehr gut auf den Knaben. Der orientalische<br />

Schnitt se<strong>in</strong>es Gesichtes und der leicht angedunkelte Te<strong>in</strong>t brachten mir die Worte der heiligen<br />

Schrift, mit denen sie den späteren König David beschreibt, <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung „e<strong>in</strong> Knabe,<br />

bräunlich und schön.“<br />

„Du mußt mich so nennen!“ fügte er h<strong>in</strong>zu. „Sage es!“<br />

Ich nannte ihn be<strong>im</strong> Namen und hob se<strong>in</strong> Gesicht zu mir empor, worauf er se<strong>in</strong>e Lippen mit<br />

me<strong>in</strong>em Schnurrbarte <strong>in</strong> jene streichende Berührung brachte, welche man be<strong>im</strong> Schärfen e<strong>in</strong>es<br />

Rasirmessers beobachten kann, was jedenfalls e<strong>in</strong>en Kuß bedeuten sollte. Leider wurde ich um<br />

den vollen Genuß desselben gebracht, denn ich hörte den Schrei e<strong>in</strong>er Frauenst<strong>im</strong>me, und als<br />

ich aufblickte, stand dort an der Thüre, welche nach dem nächsten, aber nicht nach dem<br />

Haremsz<strong>im</strong>mer führte, e<strong>in</strong> junges, schönes Weib, die Augen halb erschrocken und halb <strong>in</strong><br />

froher Überraschung auf uns gerichtet. Ihr Gesicht war unverhüllt; der Schleier h<strong>in</strong>g über dem<br />

H<strong>in</strong>terkopfe herab. Die Haltung, welche sie jetzt zeigte, war diejenige e<strong>in</strong>er Person, welche<br />

nicht weiß, ob sie fliehen oder sich nähern soll. Sie that ke<strong>in</strong>s von beiden. Sie zog den dichten<br />

Schleier nach vorn, so daß ihre Züge nicht mehr zu erkennen waren, hob den Zeigef<strong>in</strong>ger<br />

w<strong>in</strong>kend empor und sagte:<br />

„Asmar, bete!“<br />

Der Knabe machte sich von mir los, stand auf, faltete die Hände und betete:<br />

„Ja abana ’Iledsi fi’ s-semevati jetz haddeso ’smoka – –“

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