im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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Das K<strong>in</strong>d we<strong>in</strong>te noch <strong>im</strong>mer; die Mutter suchte es zu beruhigen. Der Mann me<strong>in</strong>te<br />
höhnisch: „Nun, so bete doch zu De<strong>in</strong>em Jesus, daß er dem Salze verbiete, sich zu erheben!<br />
Wird er helfen können. De<strong>in</strong> Glaube ist – – –“<br />
Das Wort blieb ihm <strong>im</strong> Munde stecken, und auch mit schlug <strong>in</strong> diesem Augenblicke das Herz,<br />
denn vor dem E<strong>in</strong>gange erschien wieder e<strong>in</strong> Tier, welches Schutz <strong>in</strong> der Höhle suchte, nämlich<br />
e<strong>in</strong> riesiger schwarzer Panther. Die Zunge h<strong>in</strong>g ihm weit aus dem Halse, so war er gehetzt<br />
worden. Vielleicht war er das Tier, von welchem die Selass-Bedu<strong>in</strong>en erzählt hatten, und<br />
vielleicht kannte er die Höhle. Er trat furchtlos here<strong>in</strong>, hustend und pfauchend. Kaum waren<br />
ihm die Augen frei vom Salz geworden, so that er e<strong>in</strong>en Sprung auf das e<strong>in</strong>e Kameel, zerschlug<br />
ihm mit der Pranke den Halswirbel und riß ihm die Gurgel auf. Dann begann er, sich um die<br />
anwesenden Menschen gar nicht bekümmernd, se<strong>in</strong>en Raub zu verzehren. Das Knacken und<br />
Prasseln der Knochen klang entsetzlich zu uns herüber.<br />
„Schießen wir?“ fragte Turnerstick leise.<br />
„Ne<strong>in</strong>,“ antwortete ich. „E<strong>in</strong> Fehlschuß würde viel Blut kosten. Warten wir es ab!“<br />
Die fünf Menschen da vorn saßen lautlos und unbeweglich vor Angst. Die Mutter hielt ihr<br />
K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Armen. Der Henker machte der Versuch, se<strong>in</strong>en Platz zu verlassen, aber sofort<br />
erhob das Tier den Kopf und brüllte zornig; er blieb sitzen. Die Leute waren gefangen und<br />
konnten sich nicht wehren. Die drei Diener hatten ke<strong>in</strong>e Gewehre, und dasjenige des Henkers<br />
lag weit zur Seite.<br />
Jetzt legte ich mich auf den l<strong>in</strong>ken Ellbogen nieder und versuchte, zu zielen. Es war e<strong>in</strong>e<br />
schwere Sache, denn es dunkelte hier <strong>in</strong> der Tiefe, und das Tier mußte unbed<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> das Auge<br />
getroffen werden.<br />
E<strong>in</strong>e Hyäne kam here<strong>in</strong>geschossen; sie stürzte be<strong>in</strong>ahe über den Panther weg und flog<br />
sofort wieder h<strong>in</strong>aus. Darob erzürnt, ließ das gewaltige Tier e<strong>in</strong> Gebrüll ertönen, daß die<br />
Wände zu zittern schienen. Das war für die Nerven Kalada’s zu viel. Sie öffnete unwillkürlich<br />
die Arme, um sich die Ohren zuzuhalten – das K<strong>in</strong>d rollte von ihrem Schoße herab und zu dem<br />
Panther h<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> vielfacher Schrei erscholl, sogar auch mit von me<strong>in</strong>en Lippen.<br />
Die nun folgende Szene läßt sich nicht beschreiben. Zum größten Glücke war der Knabe vor<br />
Entsetzen ohnmächtig geworden.<br />
„Allah, o Allah, hilf, hilf!“ stöhnte der Vater. Es schien, daß das Sprechen dem Panther gar<br />
nicht störend sei.<br />
Die Mutter hatte ihr Gesicht <strong>in</strong> die Hände gehüllt. Der Vater saß leichenblaß, e<strong>in</strong> Bild der<br />
entsetzlichen Ratlosigkeit da. „O Allah, Allah, hilf! O Muhammed, du Glänzender, [183] sende<br />
Rettung! O Ihr heiligen Khalifen, tröstet mich!“ so hörte man ihn w<strong>im</strong>mern. Die Diener<br />
verhielten sich ganz still; ihnen war es nur um das eigene Leben zu thun.<br />
Jetzt machte Kalada noch e<strong>in</strong>en Versuch, ob das Tier sich das K<strong>in</strong>d nehmen lassen werde.<br />
Sie streckte, ohne sich zu erheben, den Arm nach demselben aus; der Panther aber knurrte<br />
und zog mit der Vorderpranke den Knaben näher zu sich heran. Er schien ihn als se<strong>in</strong><br />
Eigentum zu betrachten. Das trieb die Angst der Eltern auf den höchsten Punkt.<br />
„O Muhammed, o Prophet der Propheten, rette, hilf, erbarme Dich!“ rief der Henker. „Jesus,<br />
Du Heiland der Welt, erbarme Dich!“ betete Kalada. „Heilige Mutter des Erlösers, bitte für me<strong>in</strong><br />
K<strong>in</strong>d!“<br />
„O Muhammed, o Muhammed!“ wiederholte der Vater. „O Abubekr, o Ali, Ihr großen<br />
Khalifen! O Muhammed, rette, wenn Du kannst!“<br />
„Er kann es nicht!“ we<strong>in</strong>te die bebende Frau.<br />
„Etwa Isa, De<strong>in</strong> Christ?“ fragte er halb höhnisch und halb hoffnungsvoll.<br />
„Ja, der kann es!“<br />
„So laß uns sehen! Ich werde an den glauben, welcher Rettung br<strong>in</strong>gt.“<br />
Es war gar nicht anders zu denken, als daß me<strong>in</strong>e Kugel die Entscheidung br<strong>in</strong>gen mußte.<br />
Nur fragte es sich, <strong>in</strong> welchem Augenblicke das Ungetüm sich aufrichten werde, denn nur dann<br />
war ich me<strong>in</strong>er Kugel sicher. Ich hatte den Löwen und auch den schwarzen Panther schon des<br />
nachts erlegt, war me<strong>in</strong>es Gewehres vollständig sicher und glaubte, ke<strong>in</strong>en Fehlschuß zu thun.<br />
„O Muhammed, Du Herr der Propheten, höre mich!“ bat der Henker mit zitternder St<strong>im</strong>me.<br />
Er hatte se<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d wirklich lieb, und es war mir, als ob ich se<strong>in</strong>e Zähne klappern hörte. „Gib mir<br />
me<strong>in</strong>en Sohn, oder De<strong>in</strong>e ganze Lehre ist eitel!“<br />
Er wartete e<strong>in</strong>e Weile, und als nichts erfolgte, forderte er se<strong>in</strong>e Frau auf:<br />
„Sage mir die Worte vor!“<br />
„Bete folgendermaßen!“ antwortete sie, <strong>in</strong>dem sie ihm die Worte auf die Zunge legte.