im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
2. Nûr el Hilal.<br />
Es war e<strong>in</strong>ige Tage später. Wir hatten Tekrit, diese jetzt so kle<strong>in</strong> und unbedeutend<br />
gewordene Ortschaft, h<strong>in</strong>ter uns, waren auf Schilfflößen über den Tigris gegangen, noch e<strong>in</strong>e<br />
Strecke westlich <strong>in</strong> die Steppe h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geritten und befanden uns nun an dem kle<strong>in</strong>en Flusse<br />
Tharthar, an dessen Ufer wir aufwärts ritten. Hier hatten wir Wasser, so viel wir brauchten,<br />
Weide die Fülle und konnten uns, falls uns e<strong>in</strong>e fe<strong>in</strong>dliche Begegnung drohte, frei nach allen<br />
Richtungen wenden, was nicht möglich gewesen wäre, wenn wir uns an das Ufer des Tigris<br />
gehalten hätten.<br />
Und e<strong>in</strong>e solche Begegnung lag ke<strong>in</strong>eswegs außerhalb des Bereiches der Möglichkeit. Wir<br />
hatten nämlich zu unserm Leidwesen <strong>in</strong> Tekrit erfahren, daß Fe<strong>in</strong>dseligkeiten zwischen den<br />
Stämmen der dortigen Bedu<strong>in</strong>en ausgebrochen seien. Der erste Grund dazu war e<strong>in</strong>e Räuberei<br />
der Abu Hammed gegen die Alabeïde gewesen; diese beiden Stämme hatten befreundete<br />
Abteilungen an sich gezogen und machten nun mit ihren gegenseitigen Plänkelzügen die ganze<br />
Gegend unsicher.<br />
Halef und ich hatten uns ganz besonders vor den Abu Hammed zu hüten, denn wir waren<br />
vor Jahren mit dabei gewesen, als sie von den Haddedihn besiegt und tief gedemütigt worden<br />
waren. Wenn wir ihnen <strong>in</strong> die Hände gerieten, hatten wir nichts Gutes zu erwarten. Darum<br />
hielten wir die Augen offen.<br />
Was unsern Begleiter, den Parsi Alam betrifft, so war ich mit se<strong>in</strong>er Anwesenheit<br />
ausgesöhnt; er war zwar jung, unerfahren und wohl auch unvorsichtig, dabei aber für mich<br />
e<strong>in</strong>e sehr <strong>in</strong>teressante Persönlichkeit. Er hatte e<strong>in</strong>en Parsi zum Vater und war <strong>in</strong> Bagdad von<br />
e<strong>in</strong>er mohammedanischen Mutter geboren worden; <strong>in</strong>folge dessen bekannte er sich äußerlich<br />
zum Glauben se<strong>in</strong>es Vaters und hielt es doch <strong>in</strong>nerlich mit demjenigen se<strong>in</strong>er Mutter. Halb<br />
Sonnen- und Feueranbeter und halb Moslem, war er doch ke<strong>in</strong>s von beiden; dabei besaß er<br />
e<strong>in</strong>e durstige Seele, rang nach Licht und Wahrheit und hatte doch weder das e<strong>in</strong>e noch das<br />
andere zu f<strong>in</strong>den vermocht. Er fühlte die Fesseln des Aberglaubens, unter welchem er stand,<br />
wollte gern frei von ihnen se<strong>in</strong> und konnte doch nicht loskommen.<br />
Es war gar ke<strong>in</strong> Wunder, daß er <strong>in</strong> dieser <strong>in</strong>nern Bedrängnis das Gespräch auf die Religion<br />
brachte. Er hatte mich für e<strong>in</strong>en Moslem gehalten; als er dann hörte, daß ich Christ sei, wurde<br />
er noch offener, als er vorher gewesen war und legte mir e<strong>in</strong>e Menge Fragen vor, welche ich<br />
alle beantworten sollte. Es fiel mir nicht e<strong>in</strong>, mich nun sofort als Missionär zu gebärden; das<br />
wäre e<strong>in</strong> unverzeihlicher Fehler gewesen; ich erwähnte me<strong>in</strong>en Glauben und se<strong>in</strong>e Lehren mit<br />
ke<strong>in</strong>em Worte, sondern schlug den wenn auch <strong>in</strong>direkten aber um so sichereren Weg e<strong>in</strong>, ihm<br />
durch kurze, klare und überzeugende Bemerkungen zu beweisen, daß der se<strong>in</strong>ige haltlos sei.<br />
Vom Morgen bis zum Abende sprachen wir von fast nichts anderem; er wurde<br />
nachdenklicher und <strong>im</strong>mer nachdenklicher, so daß ich überzeugt war, daß me<strong>in</strong>e Worte fest <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>em Innern hafteten. Auf diese Weise hatte ich auch me<strong>in</strong>en Halef bekehrt, der mich<br />
partout zum Mohammedaner hatte machen wollen. Der kle<strong>in</strong>e, treue Mann hörte unsern<br />
Wechselreden schweigend zu, konnte sich aber, als ich gelegentlich e<strong>in</strong>mal neben ihm ritt,<br />
nicht enthalten, he<strong>im</strong>lich zu mir zu sagen:<br />
„Sihdi, er<strong>in</strong>nerst Du Dich noch daran, daß ich Dich damals zum Islam bekehren wollte, Du<br />
mochtest wollen oder nicht?“<br />
„Ja.“<br />
„Und nun ist mir De<strong>in</strong> Glaube lieber als der unserige, obgleich ich dies noch niemand sagen<br />
mag. Ich bemerke, daß dieser Parsi e<strong>in</strong>es Tages ebenso denken wird wie ich, trotz der<br />
Talismane, welche er bei sich trägt.“<br />
Er hatte also an Alam ganz dieselbe Beobachtung wie ich gemacht. Nebenbei mag hier<br />
bemerkt werden, daß der Begleiter des Parsi e<strong>in</strong> junger Mann war, welcher jetzt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />
Dienste stand und früher e<strong>in</strong>e Art Hausierhandel unter den Bedu<strong>in</strong>en getrieben hatte, die<br />
Gegend und deren Bewohner also e<strong>in</strong>igermaßen kannte und darum als jetziger Begleiter nicht<br />
schlecht [142a] gewählt worden war. Für mich freilich konnte dieser e<strong>in</strong>fache und vollständig<br />
harmlose Mann nicht die m<strong>in</strong>deste Bedeutung haben. Er ritt auch <strong>im</strong>mer sehr bescheiden<br />
h<strong>in</strong>ter uns her.<br />
Der Tharthar hat <strong>im</strong> Sommer wenig oder fast gar ke<strong>in</strong> Wasser; dann giebt es nur an se<strong>in</strong>en<br />
Ufern etwas Grün; <strong>in</strong> der Steppe aber s<strong>in</strong>d die Pflanzen vollständig abgestorben, und die<br />
Bedu<strong>in</strong>en halten sich mit ihren Herden <strong>in</strong> der Nähe des Tigris oder suchen den<br />
westwärtsfließenden Euphrat auf. Jetzt gab es Wasser <strong>in</strong> dem Flüßchen, doch nicht so viel, daß<br />
uns der Übergang schwer geworden wäre. Wir konnten, wenn es notwendig war, <strong>in</strong> jedem<br />
Augenblicke h<strong>in</strong>über und wieder herüber, ganz wie es unsere Sicherheit erforderte.