im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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Idiz gebot ich, die Pferde zu besteigen, die bis jetzt von uns geritten worden waren.<br />
Das alles hatte sich <strong>in</strong> der Zeit von kaum zwei M<strong>in</strong>uten abgespielt. Jetzt kam der Lieutenant<br />
zu mir her und erkundigte sich, ob noch weitere Befehle <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Belieben seien. Da stach<br />
mich der Hafer! Wir hatten mehr erreicht, als uns noch vor kaum zwei Stunden als möglich<br />
erschienen war, und nun wurde ich gar nach ferneren Wünschen gefragt! Ich zählte über<br />
achtzig Pferde mit zwölf Begleitsoldaten. Waren die zwanzig Pferde der Idiz dabei, so konnte<br />
ich sie mir ja wünschen; der Jüngl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Waffen hatte nichts dagegen. Ich erkundigte mich bei<br />
Kelat und Scherga und erfuhr, daß die Pferde da seien; sie waren am Zeichen der Idiz<br />
kenntlich. Sie wurden aus der Kolonne genommen und dann zu Paaren zusammengekoppelt.<br />
Hierauf war ich mit dem Lieutenant fertig. Ich reichte ihm herablassend me<strong>in</strong>e Hand, belobte<br />
se<strong>in</strong>en Eifer um das Wohl des persischen Staatswesens und brachte ihm dann <strong>in</strong> freundlichster<br />
Weise die Überzeugung bei, daß ihm <strong>im</strong> muhammedanischen Buche des Lebens [197] der gute<br />
Rat gegeben sei, nun se<strong>in</strong>es Weges wieder fürbaß zu ziehen. Er nahm sich und se<strong>in</strong>en<br />
Transport eng zusammen, widmete mir noch e<strong>in</strong>ige Verbeugungen und ritt dann se<strong>in</strong>em<br />
ferneren Kismet getrost entgegen. Wir aber schlugen, da wir uns <strong>in</strong> Kirmanschah nicht wieder<br />
sehen lassen wollten, uns bei der nächstpassenden Örtlichkeit seitwärts <strong>in</strong> die Berge.<br />
Ich nahm an, daß die zwanzig Pferde uns <strong>in</strong> dem schwer passierbaren Gebirge sehr <strong>in</strong><br />
Anspruch nehmen würden, überzeugte mich aber bald vom Gegenteile. Diese Tiere waren<br />
gelehrig, folgsam und an solche Wege gewöhnt. Natürlich aber kamen wir nicht so rasch<br />
vorwärts wie Halef und ich auf dem Ritte nach Kirmanschah. Um das Lager der Idiz zu<br />
erreichen, brauchten wir noch drei Stunden, als es Abend wurde; wir mußten die Überraschung<br />
also auf morgen vormittag verschieben.<br />
Kelat und Scherga hatten selbstverständlich alles erfahren. Ich brauchte da ke<strong>in</strong> Wort zu<br />
sprechen; me<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er, redseliger Halef sorgte schon dafür, daß ihnen nichts verborgen blieb.<br />
Sie waren be<strong>im</strong> heutigen Aufbruche überzeugt gewesen, dem gewissen, qualvollen Tode<br />
entgegengeführt zu werden, und wenn sie nach ihrer schweigsamen Weise auch nicht viele<br />
Worte machten, so sagte uns doch jeder Blick von ihnen, wie groß und wie aufrichtig die<br />
Dankbarkeit war, die sie für uns <strong>im</strong> Herzen trugen. Wir konnten sicher se<strong>in</strong>, durch sie die<br />
Freundschaft des ganzen Stammes zu erwerben.<br />
Am andern Morgen regnete es; das war mir wegen der Art und Weise, wie ich unsere<br />
Rückkehr gestalten wollte, gar nicht unlieb. Der Regen hielt die Ihlauts <strong>in</strong> ihren Hütten und<br />
Zelten zurück und erleichterte uns die unbemerkte Annäherung an das Lager. Am Rande der<br />
Hochebene, wo der Berghang sich h<strong>in</strong>untersenkte, mußten die beiden Idiz mit den Pferden<br />
halten bleiben, um erst e<strong>in</strong>e Stunde später nachzukommen. Wir stiegen unter Bäumen die<br />
Lehne h<strong>in</strong>ab, eilten so rasch wie möglich über das Thal h<strong>in</strong>über <strong>in</strong> den Wald und wendeten uns<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Schutze nach Süden. Halef freute sich wie e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d auf die Überraschung; der liebe<br />
Kerl war schon längst nicht mehr zornig auf die Nezaneh. Als wir das Lager von h<strong>in</strong>ten<br />
erreichten, schlichen wir uns der Hütte gegenüber, welche der Umm ed Dschamahl gehörte.<br />
Das von uns <strong>in</strong> die H<strong>in</strong>terwand gestoßene Loch war repariert. Es gab e<strong>in</strong>iges Leben <strong>im</strong> Lager,<br />
aber nicht da, wo wir uns befanden. Wir huschten unter den Bäumen hervor und um die<br />
vordere Ecke bis an die Thüre, welche nicht fest zu war. Durch die so entstandene Lücke<br />
lugend, konnten wir das Innere überblicken. Die Nezaneh war [198] alle<strong>in</strong>, sie kniete mit<br />
gefalteten Händen und emporgerichtetem Gesicht an ihrem Lager; ihre Lippen bewegten sich.<br />
Ich schob die Thüre auf und trat e<strong>in</strong>; der Hadschi folgte mir. Sie hörte das Geräusch, blickte<br />
zur Seite, sah uns und fuhr mit e<strong>in</strong>em Schrei <strong>in</strong> die Höhe.<br />
„Du betest?“ fragte ich; „zu me<strong>in</strong>em Gotte der Liebe oder zu Eurem Allah, der nur den<br />
Moslem duldet?“<br />
„Zu De<strong>in</strong>em Gotte,“ antwortete sie, noch <strong>im</strong>mer bewegungslos vor Staunen.<br />
„So hast Du Wort gehalten; ich danke Dir! Glaubst Du, daß er De<strong>in</strong> Gebet erhören wird?“<br />
„Ich habe es geglaubt, weil er Euch aus unserer Hand befreite; so konnte er auch me<strong>in</strong>e<br />
Söhne retten. Aber Ihr kommt ja wieder! Warum?“<br />
„Wir wollten Dir nur beweisen, daß die Hilfe oft dann am nächsten ist, wenn man sie nicht<br />
mehr erwartet. Wir haben uns entfernt, nicht um zu fliehen, sondern um des Lösegeldes willen,<br />
welches Ihr verlangt.“<br />
„Ich – – ich – – – ich begreife Dich nicht!“ stotterte sie; dann aber eilte sie an uns vorüber<br />
zur Thüre, trat h<strong>in</strong>aus und ließ e<strong>in</strong>en schrillen Schrei erschallen, welcher das ganze Lager <strong>in</strong><br />
Alarm brachte. Die Ihlauts kamen herbei; sie sammelten sich, alt und jung, groß und kle<strong>in</strong>, vor<br />
der Hütte an und hörten mit Erstaunen, daß wir freiwillig zurückgekommen seien. E<strong>in</strong>ige<br />
durften here<strong>in</strong>, unter ihnen der Anführer, den ich niedergeschlagen hatte. Kaum sah er mich,