im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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Tuareg kommen; eher kann ich mich des Knaben nicht bemächtigen. Siehst Du dort den<br />
Riß? Er führt durch den Felsen nach der Sänfte, und ich verstecke mich jetzt dar<strong>in</strong>. Du<br />
aber gehst wieder hier um die Ecke und e<strong>in</strong> Stück vom Lager <strong>in</strong> die Wüste h<strong>in</strong>aus. Von da<br />
aus mußt Du die Tuareg kommen sehen. Du verhältst Dich ganz ruhig, sprichst mit<br />
ke<strong>in</strong>em Menschen und verrätst ke<strong>in</strong> Wort, auf wen Du wartest. Aber sobald Du sie<br />
kommen siehst, schlägst Du Lärm und läufst dann hierher, um auf mich zu warten. Die<br />
Ankunft der Fe<strong>in</strong>de wird e<strong>in</strong>e große Verwirrung hervorbr<strong>in</strong>gen, welche ich dazu benutze,<br />
den Knaben aus der Sänfte zu holen. Wenn ich mit ihm hierher komme, hast Du den<br />
beiden Tieren bereits die Fesseln von den Be<strong>in</strong>en gebunden und stehst nicht bei De<strong>in</strong>em,<br />
sondern bei me<strong>in</strong>em Kamele, weil ich mit dem Knaben, der sich wahrsche<strong>in</strong>lich wehren<br />
wird, nicht <strong>in</strong> den hohen Sattel kann. Ich gebe ihn Dir; Du hältst ihn fest, bis ich oben<br />
sitze, und reichst mir ihn dann h<strong>in</strong>auf. Habe ich ihn, so kletterst auch Du <strong>in</strong> den Sattel<br />
und wir reiten auf und davon. Wenn Dich nun jemand fragt, wo ich b<strong>in</strong>, wirst Du sagen,<br />
daß ich – – –“<br />
„Ich weiß schon, was ich sage, Sihdi,“ unterbrach er mich. „Habe ke<strong>in</strong>e Sorge um<br />
me<strong>in</strong>e Geistesgegenwart! Mach nur Du ke<strong>in</strong>en Fehler, damit wir nicht trotz unserer<br />
Verwegenheit doch noch von den Tuareg erwischt werden!“<br />
Er g<strong>in</strong>g, und ich kroch wieder <strong>in</strong> den Spalt, dem ich soweit folgte, bis ich, wieder h<strong>in</strong>ter<br />
der Ecke versteckt, den Tachtirwan vor Augen hatte. Das Messer nahm ich schon jetzt <strong>in</strong><br />
die Hand, um die vermuteten Fesseln des Knaben unverweilt zu durchschneiden.<br />
Zufälligerweise kam Kamil <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en sehr engen Gesichtskreis; ich sah, daß er sich<br />
langsam schlendernd h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> die Wüste entfernte und dort, nach Norden gerichtet,<br />
stehen blieb. Eben wollte ich mich fragen, wielange ich wohl zu warten haben würde, da<br />
drehte er sich um, kam <strong>in</strong> weiten Sprüngen zurückgerannt und schrie:<br />
„Reiter kommen, viele Reiter kommen! Eilt herbei, Ihr Leute, und seht, wer sie se<strong>in</strong><br />
mögen! Doch nicht etwa die Tuareg, von denen me<strong>in</strong> Sihdi gesprochen hat!“<br />
Soviele Menschen es <strong>im</strong> Lager gab, soviele liefen vor dasselbe h<strong>in</strong>aus; es blieb ke<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>ziger <strong>in</strong> demselben, und der Tachtirwan stand völlig unbewacht. Im nächsten<br />
Augenblicke war ich bei ihm und riß, mich um weiter nichts anderes kümmernd, die<br />
Vorhänge ause<strong>in</strong>ander. Me<strong>in</strong>e Vermutung bestätigte sich; ich sah e<strong>in</strong>en dunkelhäutigen,<br />
schwarzhaarigen Knaben, der vielleicht fünf Jahre alt se<strong>in</strong> mochte und gefesselt war.<br />
E<strong>in</strong>ige schnelle Messerschnitte machten ihn frei; dann faßte ich ihn, zog ihn heraus und<br />
eilte <strong>in</strong> den Spalt zurück, <strong>in</strong>dem ich h<strong>in</strong>ter mir schreien hörte:<br />
„Die Tuareg, die Tuareg! Schnell auf die Kamele, schnell und fort!“<br />
„Sei still, und habe ke<strong>in</strong>e Angst; ich rette Dich!“ raunte ich dem Knaben arabisch zu,<br />
weil ich der Sprache der Tuareg nicht mächtig war. Entweder verstand er mich doch,<br />
oder es war aus Angst, daß er ke<strong>in</strong>e Bewegung machte.<br />
Ich glitt so rasch wie möglich durch den Spalt. Draußen stand Kamil schon bei me<strong>in</strong>em<br />
Kamele. Ich reichte ihm den Knaben und kletterte <strong>in</strong> den Sattel. Da hörten wir schon die<br />
ersten Schüsse fallen. Er gab mit den Knaben h<strong>in</strong>auf, sprang zu se<strong>in</strong>em Kamele, war mit<br />
affenartiger Behendigkeit oben, und dann ritten wir, von niemandem gesehen, davon,<br />
während das Geschrei und Getöse des Kampfes h<strong>in</strong>ter uns erscholl.<br />
Wir nahmen ke<strong>in</strong>eswegs denselben Weg zurück, den wir gekommen waren, denn da<br />
hätte man uns gesehen, sondern wir folgten der vorgestreckten Felsenspitze nach den<br />
Bergen h<strong>in</strong> und wendeten, als wir sie erreicht hatten, uns an ihrem [176] Fuße wohl zwei<br />
volle Stunden lang h<strong>in</strong>, bis wir e<strong>in</strong>e Stelle erreichten, welche mir für me<strong>in</strong>e Zwecke<br />
passend erschien. Es gab da e<strong>in</strong>e natürliche Rampe, welche zwar schmal, aber so<br />
allmählich zur Höhe führte, daß sie von unsern Kamelen passiert werden konnte. Sie<br />
führte uns oben auf e<strong>in</strong>e Felsenbastei, von der ich zu me<strong>in</strong>er Freude nach schneller<br />
Untersuchung erkannte, daß sie weder von e<strong>in</strong>er andern Höhe beherrscht wurde, noch<br />
auf e<strong>in</strong>em andern Wege, als der erwähnten Rampe aus, betreten werden konnte. Hier<br />
waren wir sicher, denn wir hätten uns hier gegen e<strong>in</strong>e ganze Schar von Fe<strong>in</strong>den leicht<br />
verteidigen können, gar nicht gerechnet, daß wir <strong>in</strong> dem Knaben e<strong>in</strong>e Geisel besaßen,<br />
durch welche wir uns alles erzw<strong>in</strong>gen konnten, was wir wollten. Es gab sogar e<strong>in</strong>en, wenn<br />
auch spärlichen Pflanzenwuchs für die Kamele, welche sich auch gleich darüber<br />
hermachten.<br />
Ich wendete me<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit dem Knaben zu, der auf e<strong>in</strong>em Ste<strong>in</strong>e saß und<br />
mich halb ängstlich, halb vertrauend anblickte. Es war e<strong>in</strong> hübscher, dunkler Junge mit