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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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verrechnet; der Dorfälteste starrte e<strong>in</strong>e ganze Weile wortlos <strong>in</strong> die Mündung me<strong>in</strong>es auf ihn<br />

gerichteten Gewehres. So etwas war ihm noch niemals vorgekommen; er fürchtete sich.<br />

„Herr, ich gehe!“ sprach er endlich, wandte sich um und verschwand.<br />

Jetzt war ich überzeugt, daß ich das Spiel gew<strong>in</strong>nen werde. Ich richtete die Mündung<br />

me<strong>in</strong>es Gewehres jetzt auf den Sohn, der unbewaffnet war.<br />

„Setze dich <strong>in</strong> jene Ecke!“<br />

Er blieb mit trotzigem Angesichte stehen, und se<strong>in</strong> Auge suchte nach der Wand h<strong>in</strong>ter mir,<br />

an der die Waffen h<strong>in</strong>gen.<br />

„Ich zähle bis drei,“ fügte ich h<strong>in</strong>zu. [„ ] E<strong>in</strong>s – – zwei – – –“<br />

Er drehte sich langsam um und ließ sich an der bezeichneten Stelle nieder. Die junge Frau<br />

stand noch vor mit. Ihr Gesicht war leichenblaß, und <strong>in</strong> ihren Augen zitterte es feucht und<br />

angstvoll.<br />

„O Chodieh, willst du uns wirklich töten?“ frug sie leise.<br />

„Allah yahh fedak – Gott schütze dich!“ antwortete ich ihr arabisch. „E<strong>in</strong> Krieger tötet ke<strong>in</strong><br />

Weib.“<br />

„Aber Hamsa Mertal, me<strong>in</strong>en Mann, wirst du erschießen?“<br />

„Ja, wenn die Versammlung der Krieger nicht beschließt, daß ich frei se<strong>in</strong> soll.“<br />

„Kennst du die Gebräuche der Kurden, Effendi?“<br />

„Ja.“<br />

„Weißt du auch, daß bei ihnen der ganz sicher ist, der sich unter den Schutz der Frauen<br />

begibt?“<br />

„Ja.“<br />

„Soll ich dich schützen?“<br />

„Mich, die Me<strong>in</strong>en, me<strong>in</strong>e Tiere und alles, was ich habe?“<br />

„Ja.“<br />

„So hole das Brot!“<br />

Sie nahm e<strong>in</strong>en der runden Brotkuchen von der Matte auf, brach aus der Mitte e<strong>in</strong> Stück<br />

heraus, aß davon und gab auch mir.<br />

[353b] „Gib mir de<strong>in</strong>e Hand und komm,“ me<strong>in</strong>te sie hierauf; „ich will auch de<strong>in</strong>en Männern<br />

und Tieren geben!“<br />

Jetzt war ich wenigstens für den Augenblick vollständig sicher. Hätte sie nur von dem Rande<br />

des Brotes genommen, so konnte ich an dieser Sicherheit noch <strong>im</strong>mer zweifeln. Als wir aus<br />

dem andern Raum wieder zurückkehrten, hatte sich Hamsa Mertal aus se<strong>in</strong>er Ecke erhoben.<br />

„Geh,“ gebot ich ihm, „und sage de<strong>in</strong>em Bav 36 , was du gesehen hast! Wie heißt die Blume<br />

de<strong>in</strong>es Hauses?“<br />

Bei den Kurden spricht man ungenierter von e<strong>in</strong>em Weibe als bei andern<br />

mohammedanischen Völkerschaften.<br />

„Schefaka 37 ,“ antwortete er.<br />

„So erzähle den Kriegern, daß ich unter dem Schutze der Morgenröte stehe und me<strong>in</strong>e<br />

Waffen zu den de<strong>in</strong>igen gehängt habe! Sie können euer Haus betreten.“<br />

Ich h<strong>in</strong>g me<strong>in</strong>e Waffen an die Wand, griff <strong>in</strong> den Gürtel und zog e<strong>in</strong>e jener Spiegelketten<br />

hervor, welche man <strong>in</strong> Paris für weniger als e<strong>in</strong>en Franken kaufen kann. Ich h<strong>in</strong>g sie der<br />

schönen Kurd<strong>in</strong> um den Hals.<br />

„N<strong>im</strong>m, o Schefaka; möge der Glanz de<strong>in</strong>er Wangen und der Strahl de<strong>in</strong>er Augen <strong>im</strong>mer auf<br />

diese Perlen leuchten!“<br />

Ihre Wangen röteten sich vor Entzücken.<br />

„Effendi, ich danke dir! Du sollst bei mir wohnen so sicher wie <strong>im</strong> Schoße Ibrah<strong>im</strong>s, des<br />

Erzvaters. Erlaube, daß ich dir Trank und Speise br<strong>in</strong>ge, und dann magst du ruhen und de<strong>in</strong>e<br />

Augen ohne Sorge schließen.“<br />

Es geschah, wie sie gesagt hatte. Ich aß und trank und streckte mich dann zur Ruhe nieder.<br />

Als ich erwachte, herrschte tiefe Stille <strong>in</strong> dem Hause; draußen aber unter den Bäumen hörte<br />

ich e<strong>in</strong>e laute St<strong>im</strong>me, welche die Gläubigen aufforderte, el Asr 38 zu beten. Ich hatte lange<br />

geschlafen, und niemand hatte es gewagt, me<strong>in</strong>e Ruhe zu stören. Als ich die andere Abteilung<br />

betrat, lagen auch Halef und der Dscheside schlafend zwischen den Pferden. Ich ließ sie liegen,<br />

steckte die Revolver und das Messer zu mir und trat h<strong>in</strong>aus vor das Haus. Das Gebet war<br />

beendet und viele Krieger saßen rauchend <strong>im</strong> Kreise. Me<strong>in</strong>e [354a] beiden Wirte waren bei<br />

36 Vater.<br />

37 Morgenröte.<br />

38 Nachmittagsgebet.

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