im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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dem anderen liegt! Wir haben den Löwen erlegt und den schwarzen Panther erschossen; wir<br />
haben mit Hunderten von Fe<strong>in</strong>den gekämpft und s<strong>in</strong>d stets Sieger geblieben. Wir kennen alle<br />
Wissenschaften und Vorteile; <strong>in</strong> uns beiden wohnen die Begriffe sämtlicher Gelehrsamkeiten;<br />
die größten Helden haben uns um Gnade gebeten, und die höchsten Beamten der Herrscher<br />
uns um unsere Freundschaft gebeten, - und kaum s<strong>in</strong>d wir <strong>in</strong> diese Stadt der Dummheit, <strong>in</strong><br />
diesen Aufenthalt der gehirnlosen Köpfe e<strong>in</strong>geritten, so werden wir nach dem S<strong>in</strong>dan gebracht!<br />
Ich hätte mich bis zum letzten Tropfen me<strong>in</strong>es Blutes dagegen gewehrt; da aber Du es für klug<br />
hieltest, ruhig zu bleiben, so habe ich mich bemeistert und die Flut me<strong>in</strong>es Zornes nicht<br />
überfließen lassen; doch Allah mag dieses Serdascht aus dem Lande der Lebenden streichen<br />
und den Bewohnern allen die Schnurr- und auch die Backenbärte verbrennen lassen, daß<br />
jeder, der e<strong>in</strong>en solchen Serdaschti erblickt, ihm zuruft: ‚Di ’eb ’alehk – Schande über Dich!’<br />
Habe ich nicht recht, Sihdi?“<br />
Halef besaß e<strong>in</strong> außerordentlich empf<strong>in</strong>dliches Ehrgefühl; er hielt mich für den<br />
vortrefflichsten von allen Erdenbewohnern und glaubte <strong>im</strong> stillen, daß er wenigstens ebenso<br />
vortrefflich sei wie ich; daher se<strong>in</strong> Gr<strong>im</strong>m über das uns zugefügte Ungemach. Hätte ich ihm<br />
widersprochen, so wäre mir e<strong>in</strong>e schier endlose Ermahnung aus se<strong>in</strong>em beredten Munde<br />
geworden; darum antwortete ich:<br />
„Ja, Du hast recht, me<strong>in</strong> lieber Hadschi 4 ; aber Du bist doch e<strong>in</strong> Anhänger des Glaubens, daß<br />
alles, was dem Menschen widerfährt, <strong>im</strong> Buche des Lebens vorausbest<strong>im</strong>mt sei; wir konnten<br />
also der Arretur nicht entgehen; sie war uns best<strong>im</strong>mt, und so handeln wir nur nach De<strong>in</strong>em<br />
Glauben, wenn wir das, was nicht zu ändern war, nun unbesprochen h<strong>in</strong>ter uns liegen lassen.“<br />
„De<strong>in</strong> Wort ist wahr, Sihdi, und darum soll me<strong>in</strong>e Zunge dieses Serdascht nicht mehr<br />
berühren. Me<strong>in</strong> Pferd sche<strong>in</strong>t zu dürsten, und die Sonne brennt heiß. Wollen wir nicht Halt<br />
machen, um die Stunde des Mittags vorübergehen und unsere Tiere tr<strong>in</strong>ken zu lassen?“<br />
„Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong>verstanden. Während der Ruhe können wir versuchen, für das heutige<br />
Abendmahl e<strong>in</strong>ige Fische zu fangen, denn ich glaube nicht, daß uns heute e<strong>in</strong>e Ghazahl 5 vor<br />
die Gewehre kommt.“<br />
Wir fanden bald e<strong>in</strong>e schattige, für unsern Zweck passende Uferstelle und stiegen ab. Halef<br />
schnitt e<strong>in</strong>e lange Rute aus dem Gebüsch, befestigte se<strong>in</strong>e Ssunnara 6 daran [173a] und gab<br />
sich dem von ihm leidenschaftlich betriebenen Fischfange h<strong>in</strong>, bei welchem er heute Glück<br />
hatte, denn er brachte es <strong>in</strong> kurzer Zeit zu e<strong>in</strong>em Vorrate, welcher mehr als ausreichend für<br />
heute abend war.<br />
Während wir die ausgenommenen Fische der Hitze wegen <strong>in</strong> saftige Wildkürbisblätter<br />
e<strong>in</strong>schlugen, hörten wir Hufschritte, welche am Flusse aufwärts kamen, und gleich darauf bog<br />
e<strong>in</strong> Reiter, welcher e<strong>in</strong> Packpferd neben sich führte, um das vorstehende Gesträuch. Er hatte<br />
jedenfalls nicht erwartet, <strong>in</strong> dieser e<strong>in</strong>samen Gegend auf Menschen zu treffen, und schien über<br />
unsern Anblick nicht bloß betroffen, sondern sogar erschrocken zu se<strong>in</strong>. Er faßte sich aber<br />
rasch, hob die rechte Hand bis zur Höhe der Brust und grüßte:<br />
„Sabahüniz hajr ola – guten Tag, me<strong>in</strong>e Herren! Allah schenke Euch Ruhe und neue Kräfte<br />
der Glieder.“<br />
Wir erwiderten se<strong>in</strong>en Gruß <strong>in</strong> türkischer Sprache, deren er sich bedient hatte. Er musterte<br />
uns mit scharf forschendem Blicke und fuhr dann fort:<br />
„Me<strong>in</strong> Herz ist über Euern Anblick erfreut. Wie heißt der Ort, von welchem Ihr kommt?“<br />
„Serdascht,“ antwortete ich.<br />
„Und wo wollt Ihr h<strong>in</strong>?“<br />
„Nach Arbil.“<br />
„Das ist e<strong>in</strong> weiter Weg, und Ihr thut wohl, Euch auszuruhen. Ich will nach Serdascht,<br />
woher Ihr komme, und me<strong>in</strong>e Pferde s<strong>in</strong>d ermüdet. Würdet Ihr erlauben, hier bei Euch<br />
abzusteigen?“<br />
„Jeder gute Mensch ist uns willkommen.“<br />
„So will ich hoffen, daß Ihr mich nicht für e<strong>in</strong>en schlechten haltet.“<br />
Er stieg vom Pferde und setzte sich zu uns. Ich hatte ihm auf se<strong>in</strong>e Frage absichtlich die<br />
letztere Antwort erteilt, denn er gefiel mir nicht. Er war e<strong>in</strong> langer, hagerer, aber<br />
starkknochiger Mann, der sich wie lauschend vornübergebeugt hielt. Er trug als Kopfbedeckung<br />
nur e<strong>in</strong>en Fez, welcher so weit zurückgeschoben war, daß man die schmale, sehr niedrige Stirn<br />
vollständig sehen konnte. E<strong>in</strong> sehr dünner, fast ruppiger Bart h<strong>in</strong>g über se<strong>in</strong>e blutleeren Lippen<br />
4<br />
Ehrentitel für jeden Mohammedaner, der <strong>in</strong> Mekka oder Med<strong>in</strong>a gewesen ist.<br />
5<br />
Gazelle.<br />
6<br />
Angel.