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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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sie schloß die Augen und sank ohnmächtig an mir nieder; das Unerwartete me<strong>in</strong>er That hatte<br />

sie über ihre Kraft erschreckt. E<strong>in</strong> Griff brachte mich <strong>in</strong> den Besitz me<strong>in</strong>es auf dem Teppich<br />

liegenden Messers, mit welchem ich die Fessel des Hadschi durchschnitt. Hierauf wurde<br />

zunächst der Anführer schnell gebunden und ihm e<strong>in</strong> Knebel zwischen die Zähne geschoben.<br />

Eigentlich hätten wir das nun auch mit der Nezaneh thun sollen, aber es widerstrebte mir doch,<br />

sie <strong>in</strong> dieser Weise zu behandeln; fort kamen wir doch, auch [192] wenn sie schnell erwachte.<br />

Wir nahmen also so rasch wie möglich alles zu uns, was uns gehörte, stießen mit den<br />

Gewehrkolben e<strong>in</strong>e Öffnung durch die H<strong>in</strong>terwand der Hütte und krochen vorsichtig h<strong>in</strong>aus, um<br />

vor allen D<strong>in</strong>gen zu erfahren, wie es auf der vorderen Seite stand. Die Zuschauer hatten sich<br />

von dort verzogen; es standen nur noch e<strong>in</strong>ige da, welche aber nicht nach unserer Richtung<br />

blickten. Wir legten uns also nieder und krochen zwischen den Schneeballsträuchern <strong>in</strong> den<br />

Wald h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, bis wir von der Hütte aus nicht mehr gesehen werden konnten.<br />

Nun befanden wir uns zunächst <strong>in</strong> Sicherheit und konnten daran gehen, uns beritten zu<br />

machen. Wir g<strong>in</strong>gen parallel dem Waldesrande, glücklicherweise ohne jemandem zu begegnen,<br />

weiter, bis wir das nördliche Ende des Lagers erreichten und die Pferde vor uns sahen. Da wir<br />

beide Kenner waren, bedurfte es nur kurzer Zeit, um zu sehen, wo die beiden besten standen.<br />

Ke<strong>in</strong> Mensch befand sich <strong>in</strong> der Nähe; es war wirklich ganz so, als ob jemand die Flucht für uns<br />

vorbereitet und sorgfältig jedes H<strong>in</strong>dernis vorher entfernt habe. Wir sprangen h<strong>in</strong>, stiegen auf<br />

und ritten davon, ohne uns umzusehen, zunächst nach Norden, um die Verfolger irre zu<br />

machen.<br />

Wir hatten uns noch gar nicht weit entfernt, als uns e<strong>in</strong> junger Ihlaut entgegengeritten kam.<br />

Er hielt se<strong>in</strong> Pferd an und starrte uns <strong>im</strong> höchsten Grade verwundert entgegen; ich parierte<br />

auch das me<strong>in</strong>ige und gebot ihm <strong>in</strong> befehlendem Tone: „Wenn Du jetzt <strong>in</strong> das Lager kommst,<br />

begibst Du Dich sofort zur Nezaneh und sagst ihr noch e<strong>in</strong>en Abschiedsgruß von uns. Ich lasse<br />

sie an den Gott der Liebe er<strong>in</strong>nern, zu dem sie <strong>in</strong>nig beten soll; dann wird ihr Wunsch gewiß<br />

Erhörung f<strong>in</strong>den. Sage ihr das, und nun reite weiter und beeile Dich!“<br />

Er war so verblüfft, daß er augenblicklich gehorchte, ohne e<strong>in</strong> Wort zu sagen. Wir<br />

galoppierten noch e<strong>in</strong>e Strecke <strong>in</strong> der bisherigen Richtung fort und bogen dann, als wir festen<br />

Boden fanden, welcher ke<strong>in</strong>e Spur aufnahm, nach rechts h<strong>in</strong>über, wo e<strong>in</strong> nicht sehr steiler, mit<br />

Bäumen besetzter Bergeshang zur Höhe führte. Als wir ihn erreicht hatten, befanden wir uns <strong>in</strong><br />

vollständiger Sicherheit, weil uns die Bäume die gewünschte Deckung gaben. Bis jetzt hatten<br />

wir ke<strong>in</strong> Wort mite<strong>in</strong>ander gesprochen; nun aber, da wir der Steigung wegen die Pferde<br />

langsamer gehen lassen mußten, ließ Halef e<strong>in</strong> munteres Lachen erkl<strong>in</strong>gen und sagte:<br />

„Das war e<strong>in</strong> lustiger Streich, Sihdi! Wir s<strong>in</strong>d frei und haben alles, alles wieder! De<strong>in</strong>e Faust<br />

hat <strong>im</strong>mer noch dieselbe kräftige Sprache wie vor Jahren. Was wird die Umm ed Dschamahl für<br />

Augen machen, wenn sie erwacht, und auch der Kerl, den Du niedergeschmettert hast! Wie<br />

ihm der Kopf brummen wird! Fast möchte ich zurückkehren, um ihm zu sagen, daß er sich ihn<br />

von ihr mit der berühmten „Salbe der Schönheit“ e<strong>in</strong>reiben lassen möge! Aber wie kommen wir<br />

zu unseren Pferden? Wie erreichen wir Kirmanschah? Wir s<strong>in</strong>d noch nie hier gewesen und<br />

kennen ke<strong>in</strong>en Weg dorth<strong>in</strong>!“<br />

„Darüber brauchst Du Dir ke<strong>in</strong>e Sorge zu machen. Man braucht, um sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gegend<br />

zurecht zu f<strong>in</strong>den, sie nicht vorher gesehen zu haben. Du weißt, daß ich e<strong>in</strong>en Ortss<strong>in</strong>n besitze,<br />

der sich nur selten irrt, und hier gibt es glücklicherweise ke<strong>in</strong>e Urwälder, <strong>in</strong> denen man die<br />

Richtung verfehlt, weil man vor lauter Bäumen weder den H<strong>im</strong>mel noch etwas anderes sehen<br />

kann. Wenn mich nicht alles täuscht, so kommen wir hier h<strong>in</strong>auf nach e<strong>in</strong>er Hochebene,<br />

jenseits welcher es wieder h<strong>in</strong>ab nach e<strong>in</strong>em Nebenflüßchen des Kara-su geht; dann müssen<br />

wir quer über e<strong>in</strong>e Hügelkette, h<strong>in</strong>ter der wir auf dieses Wasser selbst kommen. Ihm brauchen<br />

wir nur zu folgen, weil Kirmanschah an se<strong>in</strong>en Ufern liegt.“<br />

„Wann werden wir diese Stadt erreichen?“<br />

„Nicht eher als morgen früh. Wir müssen <strong>im</strong> Freien Lager machen.“<br />

„Das ist mir gleichgültig, wenn wir nur etwas f<strong>in</strong>den, was wir essen können. Ich habe viel<br />

Hunger und noch mehr Durst.“<br />

Der letztere wurde bald gestillt, weil es hier überall fließendes Wasser gab, und später<br />

glückte es uns, e<strong>in</strong>e wilde Ziege zu erlegen, von deren Fleisch wir e<strong>in</strong>e ganze Woche hätten<br />

leben können. Auch erwies sich me<strong>in</strong>e Vorhersagung <strong>in</strong> betreff des e<strong>in</strong>zuschlagenden Weges<br />

als richtig. Wir erreichten den Kara-su und machten, als es zu dunkeln begann, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Nähe<br />

Halt und zündeten e<strong>in</strong> Feuer an, über welchem die besten Stücke der Ziege gebraten wurden.<br />

[193] Es versteht sich ganz von selbst, daß unsere Pferde das Hauptthema unseres<br />

Gespräches bildeten. Halef war besorgter um sie als ich; es gelang mir aber, ihn leidlich zu

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