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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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Me<strong>in</strong> Kopf brummte wie e<strong>in</strong>e Baßgeige. Wieder e<strong>in</strong>mal gefangen! Aber von wem? Der Bettler<br />

war jedenfalls e<strong>in</strong> Lockvogel gewesen. Ich konnte jetzt nichts thun, als mich ruhig verhalten,<br />

denn nach e<strong>in</strong>er Anstrengung aller me<strong>in</strong>er Kräfte, me<strong>in</strong>e Fesseln zu prüfen, erkannte ich, daß<br />

dieselben unzerreißbar waren. Das Wiegen und Schaukeln dauerte fort. Ich hörte die Schritte<br />

vieler Tiere und die St<strong>im</strong>men zahlreicher Menschen; sie sprachen kurdisch, aber nichts, was<br />

mich betraf und mich über me<strong>in</strong>e Lage aufklären konnte.<br />

Endlich wurde angehalten, und aus den verschiedenen, mir wohlbekannten Geräuschen<br />

entnahm ich, daß Lager gemacht wurde. Es dauerte längere Zeit, dann wurde ich von<br />

mehreren Armen gepackt, e<strong>in</strong>e Strecke fortgetragen und niedergelegt. Während dieses kurzen<br />

Transportes hatte ich e<strong>in</strong>en W<strong>in</strong>dhauch <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Gesicht gespürt; jetzt fühlte ich ihn nicht<br />

mehr. Hatte man mich nicht <strong>im</strong> Freien, sondern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zelte niedergelegt?<br />

Nach e<strong>in</strong>iger Zeit kamen wieder Leute, die e<strong>in</strong>e Last zu tragen schienen. Brachten Sie etwa<br />

me<strong>in</strong>en Hadschi? Sie entfernten sich, und dann war es still um mich her.<br />

„Halef?“ sagte ich leise.<br />

„Sihdi, Du bist es?“ antwortete er.<br />

„Ja. S<strong>in</strong>d wir alle<strong>in</strong>?“<br />

„Allah weiß es, ich nicht. Me<strong>in</strong>e Augen s<strong>in</strong>d verbunden.“<br />

„Die me<strong>in</strong>igen auch. Wie ist das gekommen?“<br />

„Ganz unerwartet. Der Bettler sprang plötzlich auf und schlang se<strong>in</strong>e Riesenarme um mich.<br />

Zu gleicher Zeit kamen viele Kerls herbeigesprungen. Ich rief um Hülfe, wurde aber<br />

niedergerungen und gefesselt; dann verband man mir die Augen. Mehr kann ich nicht sagen.“<br />

„Was für Kurden mögen es se<strong>in</strong>?“<br />

„Wenn Du es nicht weißt, ich erst recht nicht.“<br />

„So laß uns schweigen und lauschen. Vielleicht hören wir etwas, was uns Aufklärung giebt.“<br />

Wir horchten, vernahmen aber nur die gewöhnlichen Reden und Rufe, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Kurdenlager zu hören s<strong>in</strong>d. Es verg<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e lange, lange Zeit; da hörte ich e<strong>in</strong>e St<strong>im</strong>me,<br />

welche me<strong>in</strong>e ganze Aufmerksamkeit erregte. Sie erklang nahe bei uns und sagte nicht <strong>in</strong><br />

kurdischer, sondern <strong>in</strong> arabischer Sprache:<br />

„N<strong>im</strong>mst auch Du e<strong>in</strong> Fläschchen? Du hast vorh<strong>in</strong> nicht daraufgehört. Es enthält [181a] ed<br />

Damm el mukaddas 25 , das Blut des Propheten, welches aus e<strong>in</strong>er Wunde geflossen ist, die<br />

Muhammed <strong>in</strong> der Schlacht bei Bedr erhielt. Es wurde bisher <strong>in</strong> der heiligen Kaaba zu Mekka<br />

aufbewahrt; ich habe es aber jetzt zum Verkaufe an die Gläubigen erhalten. Du wirst auf<br />

jedem Fläschchen das Siegel des Scheik el Kaaba sehen.“<br />

Das war die St<strong>im</strong>me des Armeni. Er war jedenfalls als Händler hier. Mir als Christen hatte er<br />

Jagh kuds, das heilige Oel, angeboten, und hier bei den muhammedanischen Kurden wollte er<br />

mit e<strong>in</strong>em angeblichen Damm el mukaddas, dem heiligen Blute des Propheten, Geschäfte<br />

machen! Se<strong>in</strong> eigentliches Geschäft war wohl auch hier das Spionieren. Halef hatte die St<strong>im</strong>me<br />

auch erkannt, denn er flüsterte mit zu:<br />

„Sihdi, das war der Armeni. Was sagst Du dazu? Ob er auch hier nach jungen Mädchen<br />

sucht?“<br />

„Möglich.“<br />

„Oder ob diese Kurden auch se<strong>in</strong>e Verbündeten s<strong>in</strong>d?“<br />

„Das glaube ich nicht.“<br />

„Mag das se<strong>in</strong>, wie es will – se<strong>in</strong>e Anwesenheit verschl<strong>im</strong>mert unsere Lage ganz<br />

bedeutend.“<br />

„Ich möchte lieber das Gegenteil annehmen.“<br />

„Wirklich? Warum?“<br />

„Wenn er mit schl<strong>im</strong>men Absichten hier ist, können wir uns den Dank der Kurden dadurch<br />

erwerben, daß wir sie vor ihm warnen.“<br />

„Das ist richtig, Sihdi, sehr richtig. Und wenn es auch nicht so wäre, so fiele es mir doch<br />

nicht e<strong>in</strong>, den Mut s<strong>in</strong>ken zu lassen. Wir haben uns schon <strong>in</strong> noch schlechteren Lagen befunden<br />

und s<strong>in</strong>d errettet worden. Wir haben ke<strong>in</strong>em Menschen etwas Böses gethan, und Allah, welcher<br />

der Vater und Beschützer aller Guten ist, wird uns von unsern Banden bald erlösen. Er kann<br />

nicht wollen, daß ich Hanneh, die herrlichste der Frauen, und Kara Ben [181b] Halef, den Sohn<br />

me<strong>in</strong>es Herzens, nicht wiedersehe.“<br />

Dem Geräusch und den St<strong>im</strong>men nach, die wir rund um uns hörten, schien das Lager ke<strong>in</strong><br />

unbedeutendes zu se<strong>in</strong>. Wir hörten auch das Prasseln e<strong>in</strong>es Feuers, und dann rochen wir den<br />

25 Das heilige Blut.

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