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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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unterläßt, so ist sie ke<strong>in</strong>e Liebe! Die Liebe lebt nur durch das Glück und <strong>in</strong> dem Glücke<br />

anderer; was aber hat Eure sogenannte Liebe den Andersgläubigen bisher gebracht? Blut, Blut<br />

und <strong>im</strong>mer wieder Blut! Woh<strong>in</strong> Ihr tretet, verschw<strong>in</strong>den die Nationen; denn Eure Füße s<strong>in</strong>d die<br />

Füße des Verderbens, und <strong>in</strong> Euren Fußstapfen schleicht der Tod sich h<strong>in</strong>terher! Ich sagte<br />

vorh<strong>in</strong>, daß ich die Christen hasse; aber ich hasse sie nicht nur, sondern ich verachte sie, denn<br />

wessen Thaten das Gegenteil von se<strong>in</strong>en Worten s<strong>in</strong>d, der verdient es nicht anders, der muß<br />

verachtet werden! Denke also ja nicht, daß ich Euch schonen werde! Ich werde vielmehr,<br />

gerade weil Du e<strong>in</strong> Christ bist, streng, sehr streng mit Euch verfahren. Was kannst Du gegen<br />

me<strong>in</strong>e Worte sagen? Ich will Antwort haben. Sprich!“<br />

Sie sah mir mit blitzenden Augen erwartungsvoll <strong>in</strong> das Gesicht. Sie hatte ihre Rede so<br />

plötzlich, so ohne eigentliche Veranlassung über mich ausgeschüttet; es mußte sich der Stoff<br />

seit langem <strong>in</strong> ihr angesammelt haben. Was konnte, was sollte ich dagegen sagen? Wie oft<br />

schon waren mir dieselben, aber ganz dieselben Vorwürfe gemacht worden! Es ist gar nicht<br />

leicht, auf solche Anklagen Auskunft zu erteilen; denn es liegt für den, welcher nur e<strong>in</strong><br />

Namenschrist ist, so viel Wahrheit <strong>in</strong> ihnen, daß er, mag er sich w<strong>in</strong>den, wie er will, sich dem<br />

häßlichen Gefühle, überwiesen worden zu se<strong>in</strong>, nicht zu entziehen vermag. Ich wich ihren<br />

Blicke nicht aus und antwortete ruhig: „Ich sage Dir hierauf zwei kurze Worte. Das erste ist:<br />

Du bist e<strong>in</strong> Weib. Das zweite lautet: Du bist unglücklich.“<br />

„Wie me<strong>in</strong>st Du das? Ich verstehe Dich nicht!“<br />

„So höre mich an! Du hast geme<strong>in</strong>t, mich durch De<strong>in</strong>e Rede so niedergeschlagen zu haben,<br />

daß ich Dir gar nicht antworten könne: aber Du irrtest Dich. Du ahnst gar nicht, welch e<strong>in</strong>en<br />

tiefen Blick <strong>in</strong> De<strong>in</strong>e Seele Du mir gestattet hast. Du bist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großen Irrtume befangen, <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Irrtume, welcher sich auf das Leben außer Dir und auf das Leben <strong>in</strong> Dir selbst bezieht.<br />

Zunächst das Leben außer Dir. Du siehst es mit falschen Augen an und verwechselst darum<br />

den Glauben mit dem Volke. Die Völker entstehen, entwickeln sich und vergehen genau so, wie<br />

der Mensch geboren wird, wächst und wieder stirbt. Treffen zwei Nationen aufe<strong>in</strong>ander, von<br />

denen die e<strong>in</strong>e jung und kräftig, die andere aber alt und schwach ist, so wird die alte der<br />

jungen weichen müssen; s<strong>in</strong>d sie verschiedenen Glaubens, so ist es nicht die Religion, sondern<br />

die Altersschwäche, welche tötet. Eure orientalischen Griechen und Armenier gehören alten,<br />

abgelebten Völkerschaften an; daß sie auch moralisch gesunken s<strong>in</strong>d, beweist nur, daß ich<br />

Recht habe, denn sie werden untergehen, obgleich sie sich Christen nennen. Es ist Allahs<br />

Ratschluß, daß ganze Völker wie e<strong>in</strong>zelne Menschen sterben müssen. Wenn dieses Kismet <strong>in</strong><br />

Erfüllung geht, so ist es falsch, dem [186] Christentum die Schuld zu geben. Doch muß ich<br />

allerd<strong>in</strong>gs offen bekennen, daß dem Christentume die Kraft, das Leben <strong>in</strong>newohnt, welches<br />

selbst Nationen vom Untergange zu erretten vermag. Du wirst das nicht zugeben wollen, wirst<br />

es aber doch e<strong>in</strong>gestehen müssen, denn Du bist“ – – – ich machte e<strong>in</strong>e kurze Pause und fuhr<br />

dann mit Nachdruck fort: - – „schon längst ke<strong>in</strong>e Islameh 27 mehr.“<br />

„Ich? Ke<strong>in</strong>e Islameh mehr?“ fragte sie schnell. „Was, was b<strong>in</strong> ich sonst?“<br />

„E<strong>in</strong>e Christ<strong>in</strong>.“<br />

„Bi Khatir-i Khudah – um Gottes willen!“ rief sie aus, <strong>in</strong>dem sie die Hände zusammenschlug.<br />

„Du wagst es, mich e<strong>in</strong>e Christ<strong>in</strong> zu nennen?“<br />

„Das ist ke<strong>in</strong> Wagnis, sondern die Wahrheit. Ich habe vorh<strong>in</strong> gesagt, daß Du <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Irrtume auch <strong>in</strong> Beziehung auf das Leben <strong>in</strong> Dir selbst befangen seist. Ich sehe und spreche<br />

Dich heute zum erstenmal; ich kenne Dich also nicht; aber ich habe e<strong>in</strong>en Blick <strong>in</strong> die Tiefen<br />

De<strong>in</strong>er Seele gethan, <strong>in</strong> welcher e<strong>in</strong>e große, e<strong>in</strong>e schmerzliche Sehnsucht nach Liebe und<br />

Erlösung lebt. Du suchst schon seit langen, langen Jahren nach Gott, nach se<strong>in</strong>em H<strong>im</strong>mel und<br />

nach se<strong>in</strong>er Seligkeit, hast aber noch ke<strong>in</strong>en Menschen, noch ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen, gefunden,<br />

welcher Dir den Weg nach oben zeigen konnte – – –.“<br />

„Schweig’!“ unterbrach sie mich gebieterisch. Dann trat sie an das Feuer, ließ sich an<br />

demselben nieder und legte neue Nahrung <strong>in</strong> die Flamme. Dabei verwandte sie fast ke<strong>in</strong> Auge<br />

von mir; sie schien mich mit ihrem Blicke ganz durchdr<strong>in</strong>gen zu wollen. Ich schwieg. Erst nach<br />

langer Zeit sagte sie langsam und als ob es ihr schwer werde, sich das Geständnis abzur<strong>in</strong>gen:<br />

“Also Kara Ben Nemsi ist De<strong>in</strong> Name! Sag’, bist Du allwissend?“<br />

„Ne<strong>in</strong>.“<br />

„Warum hast Du <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise zu mir gesprochen, <strong>in</strong> welcher man nur zu Männern und<br />

zwar zu gelehrten Männern zu sprechen pflegt?“<br />

„Du bist ke<strong>in</strong>e gewöhnliche Frau, sondern e<strong>in</strong> gelehrtes Weib; aber Du besitzest nicht die<br />

27 Muhammedaner<strong>in</strong>.

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