im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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so sprang er auf mich los, um mich zu packen. Ich nahm ihn bei den Armen fest und sagte:<br />
„Streng’ Dich nicht an! Wir thun freiwillig, was Du erzw<strong>in</strong>gen willst. Hier legen wir unsere<br />
Sachen wieder her, wo wir sie weggenommen haben. B<strong>in</strong>det uns; wir wollen wieder Eure<br />
Gefangenen se<strong>in</strong>, bis das Lösegeld gekommen ist!“<br />
Ich breitete den alten Teppich aus, auf welchen wir die Gewehre und alles andere legten;<br />
dann wurden wir gefesselt. Das geschah <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise, als ob die Idiz nicht wüßten, ob sie<br />
wachten oder träumten. So etwas war ihnen nicht nur noch niemals vorgekommen, sondern<br />
sie hätten es, wenn es ihnen erzählt worden wäre, für e<strong>in</strong>e Lüge, für unmöglich gehalten.<br />
Großen, wenn auch he<strong>im</strong>lichen Spaß machte mir dabei das Gesicht me<strong>in</strong>es Halef. Wie gern<br />
wäre er herausgeplatzt, wenn er sich nicht vor me<strong>in</strong>er Mißbilligung gefürchtet hätte! Er sah<br />
aus, als ob er explodieren wolle! Die Nezaneh hatte sich auf ihr Lager gesetzt. Da saß sie nun<br />
mit <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander verschlungenen Händen und sah zu, was [199] vor ihren Augen geschah und<br />
doch kaum glaublich war. Als wir wieder gebunden worden waren, fragte sie mich, ihren Augen<br />
noch nicht recht trauend:<br />
„Effendi, würde jeder Christ sich so verhalten wie Du?“<br />
„Ne<strong>in</strong>, nicht jeder,“ antwortete ich; „denn es hat nicht jeder das Glück, der Lehrer e<strong>in</strong>er<br />
solchen Schüler<strong>in</strong> zu se<strong>in</strong>, wie Du bist.“<br />
„Wie me<strong>in</strong>st Du das?“<br />
„Das wirst Du erfahren, wenn me<strong>in</strong>e und auch De<strong>in</strong>e Zeit gekommen ist. Doch, wir können<br />
nicht hier bei Dir bleiben; schafft uns also wieder dorth<strong>in</strong>, wo wir bewacht worden s<strong>in</strong>d!“<br />
Man erfüllte diesen Wunsch sofort. Draußen standen trotz des Regens die Menschen dicht<br />
gedrängt. Unser Weg nach der bekannten Hütte war als e<strong>in</strong>e Art von Triumphzug zu<br />
betrachten. Am Ziele angekommen, wurden wir genau wieder so angebunden, wie es am<br />
ersten Abend geschehen war; auch e<strong>in</strong> Wächter setzte sich zu uns. Nun lagen wir lauschend<br />
still, bis sich e<strong>in</strong>ige laute Rufe hören ließen, denen andere und wieder andere folgten, die sich<br />
schließlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es Frohlocken verwandelten. Dann war es wieder still, worauf wir<br />
Schritte hörten, die sich eilig näherten. Die Thüre wurde aufgerissen, und die Nezaneh trat e<strong>in</strong>,<br />
gefolgt von ihren Söhnen, welche uns augenblicklich die Fesseln abnahmen. Die Frau stand,<br />
vor freudiger Aufregung rot <strong>im</strong> Gesicht, schnell atmend und mit leuchtenden Augen vor uns<br />
und rief: „Effendi, jetzt hast Du bewiesen, daß Du e<strong>in</strong> Christ bist, e<strong>in</strong> wahrer, e<strong>in</strong> echter Christ!<br />
Ich glaube an Dich; ich glaube nun auch an Euern Gott der Liebe und der Barmherzigkeit, der<br />
me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der durch Dich vom Tode errettet hat! Wir waren Eure Fe<strong>in</strong>de, und doch hast Du sie<br />
befreit und mir zurückgebracht. Ja, es ist wahr, was ich Dir nicht glauben wollte und nicht<br />
glauben konnte: Du liebst De<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>de ebenso wie De<strong>in</strong>e Freunde. Das ist e<strong>in</strong>e größere, e<strong>in</strong>e<br />
heiligere Liebe als jede andere Liebe; die kommt nicht aus der Menschenbrust, sondern direkt<br />
von Gott herab; sie ist ke<strong>in</strong>e irdische, sondern e<strong>in</strong>e h<strong>im</strong>mlische Liebe; und nun kenne ich den<br />
Weg, der zum ewigen Leben führt: Liebet Gott; liebet alle Menschen, ja, liebet sogar Eure<br />
Fe<strong>in</strong>de! Ich werde ihn von jetzt an wandeln und nie wieder von ihm weichen! Du warst me<strong>in</strong><br />
Lehrer <strong>im</strong> Gebet; Du bist me<strong>in</strong> Lehrer auch <strong>in</strong> der Liebe. Sei der Gast De<strong>in</strong>er Schüler<strong>in</strong>, solange<br />
es Dir gefällt; denn Dir gehört alles, alles, was ich habe!“<br />
„So bist Du also zufrieden mit dem Lösegelde, welches ich Dir aus Kirmanschah geholt<br />
habe?“ fragte ich lächelnd.<br />
„Sprich nicht so, Effendi; sprich nicht so! Du hast uns nicht Gold und Silber gebracht,<br />
sondern mehr, viel mehr: das Leben me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>der, den Glauben und die Liebe; Du hast mir<br />
Gott gegeben und mich ihm! Und solche Männer schleppten wir <strong>in</strong> die Gefangenschaft und<br />
forderten Geld für ihre Freiheit! Ich werde mich dafür anklagen und verurteilen, solange e<strong>in</strong><br />
Leben <strong>in</strong> mir ist! Komm’, gib mir De<strong>in</strong>e Hand! Sie ist die liebste, die ich je mit der me<strong>in</strong>igen<br />
berührte. Laß Dich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Hütte führen, wo Du wohnst, bis wir Dir e<strong>in</strong>e würdigere errichtet<br />
haben!“<br />
„Thut das nicht! Ihr müßt fort von hier! Ihr dürft nicht eher wieder die Nähe von<br />
Kirmanschah aufsuchen, als bis der Sand der Zeit die Spuren des gestrigen und heutigen<br />
Tages verweht hat.“<br />
„Du hast Recht. Wir brechen morgen früh das Lager ab und ziehen nach Norden bis <strong>in</strong> die<br />
Gegend des Demirludagh, wo uns ke<strong>in</strong> Spruch aus Kirmanschah erreichen kann; aber Ihr zieht<br />
mit, als Gäste unseres Stammes, sonst bleiben wir lieber hier und trotzen der Gefahr!“<br />
„Zwei Wochen wollen wir Euch schenken; mehr haben wir nicht übrig; aber am Ende<br />
unserer Reise kehren wir vielleicht für längere Zeit zu Euch zurück.“<br />
Das wurde angenommen. Unser Weg zur Hütte der Nezaneh war räumlich e<strong>in</strong> sehr kurzer;<br />
aber es dauerte lange, ehe wir dort ankamen. Die Ihlauts standen trotz des Regens alle <strong>im</strong>