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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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„Nun geh! Es ist die höchste Zeit. Die Thür hier schließest Du von außen wieder zu.<br />

Heut abend sehen wir uns wieder.“<br />

Er kehrte durch das Loch dah<strong>in</strong> zurück, woher wir gekommen waren, und ich schloß<br />

die Hausthür auf, um mich als Schahad nach dem Bab Zuweileh zu begeben und e<strong>in</strong>en<br />

Tag lang der Liebl<strong>in</strong>g und Diener des Kutb zu se<strong>in</strong>.<br />

Schon herrschte auf unserer Gasse reges Leben. Niemand kümmerte sich um mich.<br />

Ich sah, daß ich nicht erkannt wurde, so hatte mich das Anstreichen mit der Flüssigkeit<br />

verändert. Je weiter ich kam, desto deutlicher wurde es mir, daß es sich freilich um e<strong>in</strong>en<br />

Aufstand handelte. An den Gassen- und Straßenecken standen bewaffnete Militärwachen,<br />

und auf e<strong>in</strong>igen Plätzen sah ich sogar Kanonen. Es war jener 9. September 1881, an<br />

welchem Arabi Pascha mit 4000 Soldaten und 30 Geschützen den Abd<strong>in</strong>palast umz<strong>in</strong>gelte<br />

und den dar<strong>in</strong> residierenden Vizekönig zwang, das M<strong>in</strong>isterium Riaz zu entlassen, e<strong>in</strong>e<br />

Verfassung zu gewähren [166a] und das Heer auf 18 000 Mann zu vermehren. Das war<br />

das Vorspiel zu dem Europäermord <strong>in</strong> Alexandrien und der Beschießung dieser Stadt<br />

durch die englische Flotte. Jetzt wußte ich nun freilich, daß sich me<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> Gefahr<br />

befand.<br />

Bei dem Thore Zuweileh angekommen, setzte ich mich dort nieder, um me<strong>in</strong>em<br />

heutigen Berufe als Schahad obzuliegen. Es war <strong>in</strong>zwischen völlig Tag geworden. Die<br />

Bevölkerung war noch <strong>in</strong> Aufregung und Bewegung, und ich bekam manche Gabe <strong>in</strong> die<br />

ausgestreckte Hand. Bald aber änderte sich das. Arabi Pascha hatte befohlen, daß<br />

jedermann dahe<strong>im</strong> zu bleiben habe, und die Gassen wurden leer. Ich bekam nur noch<br />

Soldaten zu sehen; die aber geben nichts; sie nehmen lieber. Dafür wurde ich reichlich<br />

durch die Beobachtungen entschädigt, welche ich von me<strong>in</strong>em Sitze aus machte: ich<br />

hörte alle Bitten, welche dem Kutb vorgetragen wurden.<br />

Da kamen Patrouillen, e<strong>in</strong>zeln oder aus mehreren Soldaten bestehend, Piquets nach<br />

orientalischer Weise, abgelöste Posten, sonstige Trupps von Soldaten, Adjutanten und<br />

sonstige Offiziere. Ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger g<strong>in</strong>g vorüber, ohne wenigstens den Anfang der heiligen<br />

Fatcha zu beten, und viele blieben stehen, um dem unsichtbar h<strong>in</strong>ter dem Thorflügel<br />

wohnenden Geiste zu sagen, was sie von ihm wünschten. Ich bekam da sonderbares<br />

Zeug zu hören, und oft kam mich e<strong>in</strong> <strong>in</strong>nerliches Lachen an.<br />

Unter diesen Bittenden war e<strong>in</strong>er, der e<strong>in</strong>en tiefen E<strong>in</strong>druck auf mich machte. Er kam<br />

matt und langsam herbei und war hager und abgezehrt; als ich ihm die Hand<br />

entgegenhielt, sagte er:<br />

„Ich kann Dir nichts geben, denn ich habe selbst nichts und brauche doch so viel!“<br />

Dann kniete er nieder, verbeugte sich nach dem W<strong>in</strong>kel h<strong>in</strong>, <strong>in</strong> welchem der Kutb<br />

wohnen sollte, und betete:<br />

„Allah il Allah wa Muhammed rassuhl Allah! Höre me<strong>in</strong> Flehen, o Kutb, Du Geist der<br />

Gewährung aller Bitten! Laß mich die Me<strong>in</strong>en wiedersehen, den Vater und die Mutter, das<br />

Weib und das K<strong>in</strong>d, an denen me<strong>in</strong> Herz hängt. Gieb mir das Geld, welches ich brauche,<br />

um von hier fortzukommen, denn die Sehnsucht zehrt an me<strong>in</strong>em Leibe und an me<strong>in</strong>er<br />

Seele. Hilf mir, o Kutb, aber hilf bald, sonst n<strong>im</strong>mt der Gram mich weg aus diesem<br />

Leben!“<br />

Dieses Gebet rührte mich tief. Der Mann war wirklich krank vor He<strong>im</strong>weh und<br />

Sehnsucht. Als er sich wieder erhoben hatte, sagte er zu mir:<br />

„O Schahad, Du bist der Diener des Kutb; bitte für mich!“<br />

„Wo ist de<strong>in</strong>e He<strong>im</strong>at?“ fragte ich.<br />

„Im fernen Tunis.“<br />

„Was bist Du da?“<br />

„Diener an der Okba-Moschee zu Kaïrwan.“<br />

„Wie kommst Du hierher?“<br />

„Ich pilgerte nach Mekka, der heiligen Stadt. Auf dem Rückweg wurde ich hier schwer<br />

krank; ich blieb liegen und verlor alle me<strong>in</strong>e Habe; noch war ich nicht ganz wieder<br />

gesund, da zwang man mich unter die Soldaten. Ich werde sterben, wenn der Kutb mir<br />

ke<strong>in</strong>e Hilfe sendet.“<br />

„Du bittest ihn um Geld. Wenn er es Dir gäbe, könntest Du doch nicht fort.“<br />

„Warum nicht?“<br />

„Du bist Soldat und müßtest desertieren.“<br />

„Allah beschützt jeden Gläubigen; er würde auch mich beschützen.“

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