im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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[169] „O, dieser Sohn e<strong>in</strong>er Hünd<strong>in</strong> that so freundlich und zutraulich, daß es mir fast wehe<br />
that, ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em so schl<strong>im</strong>men Verdachte gehabt zu haben.“<br />
„Ich begreife ihn. Er hat Mesud se<strong>in</strong>en Leuten <strong>in</strong> die Hände geführt und ist dann, von unsern<br />
betenden Haddedihn unbemerkt, nach hier zurückgekehrt, um Dich und mich <strong>in</strong> dieselbe Falle<br />
zu br<strong>in</strong>gen. Da er Dich alle<strong>in</strong> antraf, hat er Dich niedergeschlagen, um mich, sobald ich<br />
wiederkommen würde, mit De<strong>in</strong>em Gewehre zu töten. Daß ich vorher se<strong>in</strong>en Leuten <strong>in</strong> die<br />
Hände fiel und daß diese vertrieben wurden, dafür konnte er nicht. Nun haben wir ke<strong>in</strong>e Pferde<br />
und müssen nach Basra laufen.“<br />
„Das ist schl<strong>im</strong>m. Wären wir beritten, so könnten wir sofort den Spuren dieser Mörder<br />
folgen und würden sie e<strong>in</strong>holen.“<br />
„Wir werden sie f<strong>in</strong>den, ohne daß wir ihnen folgen. Wir wissen ja, wer sie s<strong>in</strong>d, und der<br />
Scheik der Muntefik kann nicht vom Erdboden verschw<strong>in</strong>den. Wir werden sofort, wenn wir nach<br />
Basra kommen, zum Mutessarif 12 gehen und ihm erzählen, was geschehen ist. Er muß uns<br />
helfen.“<br />
„Wenn Allah gibt, daß er will!“<br />
„Er muß wollen, denn ich werde ihm zeigen, daß ich <strong>im</strong> Schatten des Padischah stehe. Hast<br />
Du Dich so weit erholt, daß Du den Rückweg mitantreten kannst?“<br />
„O, ich b<strong>in</strong> schnell gesund geworden, als ich von dem Verluste De<strong>in</strong>er Gewehre hörte. Wir<br />
können gehen.“<br />
„Gut! Aber den Toten dürfen wir nicht unbewacht lassen. Der Mutessarif wird Beamte<br />
herschicken, welche den Thatbestand aufzunehmen haben. Wir lassen Mesud also jetzt<br />
unbeerdigt liegen und kehren mit diesen Beamten zurück, um ihn dann zu begraben.“<br />
Da sagte Omar Ben Sadek:<br />
„Mesud war me<strong>in</strong> Verwandter, und wie ich darum die Blutrache auszuführen habe, werde ich<br />
auch bei ihm bleiben, bis Ihr wiederkehrt.“<br />
Er entfernte sich, ohne me<strong>in</strong>e Zust<strong>im</strong>mung abzuwarten; wir aber traten den He<strong>im</strong>weg nach<br />
Basra an. Ich gesteht aufrichtig, daß mir der Verlust me<strong>in</strong>er Gewehre ebenso zu Herzen g<strong>in</strong>g<br />
wie Mesuds Tod. Was Halef gesagt hatte, war richtig: wir hatten diesen Waffen viele unserer<br />
Erfolge und oft sogar das Leben zu verdanken gehabt. Welche Dienste hatte besonders der<br />
Henrystutzen mir und andern erwiesen! Ich war wirklich fest entschlossen, auf se<strong>in</strong>e<br />
Wiedererlangung das Leben zu setzen.<br />
Mittag war längst vorüber, als wir <strong>in</strong> Basra ankamen, und wir begaben uns, ohne vorher zu<br />
essen, sofort nach der Residenz des Mutessarif. Dieser war, wie ich wußte, e<strong>in</strong><br />
Ges<strong>in</strong>nungsgenosse des berühmten Midhat Pascha, welcher als Generalgouverneur von Bagdad<br />
so viel für das Wohl dieser Prov<strong>in</strong>z gethan und erreicht hatte, also e<strong>in</strong> reformatorisch<br />
gest<strong>im</strong>mter Moslem, und so hoffte ich, daß ihm me<strong>in</strong> Glaube ke<strong>in</strong>e Veranlassung se<strong>in</strong> werde,<br />
mir se<strong>in</strong>e Hilfe zu versagen.<br />
Ich wurde von der Dienerschaft mit dem Bedeuten abgewiesen, daß ich morgen oder<br />
übermorgen oder auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Wochen, „wie Allah will“, wieder anfragen solle, weil der<br />
Gebieter gerade jetzt e<strong>in</strong>e wichtige Besprechung habe. Es fiel mir aber nicht e<strong>in</strong>, mich auf<br />
türkisch fortkompl<strong>im</strong>entieren zu lassen, sondern ich schickte ihm me<strong>in</strong>e Legit<strong>im</strong>ationen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />
und wartete den Erfolg ab. Schon nach e<strong>in</strong>igen M<strong>in</strong>uten wurde ich unter tiefen Verbeugungen<br />
aufgefordert, <strong>in</strong> das Selamlük 13 zu treten.<br />
In diesem saß, rauchend und Kaffee tr<strong>in</strong>kend, der Gouverneur mit e<strong>in</strong>em sonnverbrannten<br />
und bedu<strong>in</strong>isch gekleideten Manne, der aber ke<strong>in</strong> gewöhnlicher Nomade se<strong>in</strong> konnte, weil er<br />
die Ehre hatte, an der Seite des Mutessarif Platz zu f<strong>in</strong>den.<br />
Dieser empf<strong>in</strong>g mich mit e<strong>in</strong>er sehr gnädigen Handbewegung, w<strong>in</strong>kte mich näher, drückte<br />
me<strong>in</strong>e mit dem großherrlichen Siegel versehenen Papiere an die Stirn, den Mund und die Brust<br />
und forderte mich, sie mir zurückgebend, auf, mich ihm gegenüber niederzusetzen. Er that<br />
dies mit Hilfe der französischen Sprache, welche er aber <strong>in</strong> der Weise radebrechte, daß ich ihn<br />
nicht halb verstehen konnte, sondern erraten mußte, was er me<strong>in</strong>te.<br />
[170] Als ich mich gesetzt hatte, klatschte er <strong>in</strong> die Hände, um mir auch Kaffee und e<strong>in</strong>e<br />
Pfeife reichen zu lassen; dann saßen wir uns e<strong>in</strong>e Weile stumm, rauchend und tr<strong>in</strong>kend<br />
gegenüber. Er befand sich augensche<strong>in</strong>lich <strong>in</strong> großer Verlegenheit. Wie sollte ich, der Europäer,<br />
ihn bei se<strong>in</strong>em so mangelhaften Französisch verstehen! Endlich begann er, wieder zu sprechen,<br />
aber so wirr, daß ich es wagte, ihm <strong>in</strong> die Rede zu fallen und mitzuteilen, daß mir die Sprache<br />
12 Gouverneur.<br />
13 Empfangsz<strong>im</strong>mer.