im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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Er führte uns vielleicht zweihundert Schritte weiter; da blieb er stehen und sagte:<br />
„Horcht! Sie spricht.“<br />
Wir lauschten und hörten die St<strong>im</strong>me der Frau wie aus e<strong>in</strong>er Höhle heraus:<br />
„Machpiya ekta token nitawatsch<strong>in</strong> etschongpi k<strong>in</strong>g maka akan hetschen etschongpi nongue<br />
– – wie de<strong>in</strong> Wille <strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel geschieht, so geschehe er auch auf Erden!“<br />
Die betete das Vater unser. Wir g<strong>in</strong>gen noch e<strong>in</strong>ige Schritte, bogen um e<strong>in</strong>e dichte<br />
Baumgruppe und standen dann vor der Cache. Sie war vielleicht acht Fuß tief, sechs Fuß lang<br />
und breit und mit Rundhölzern ausgekleidet, um sie vor der Feuchtigkeit und dem E<strong>in</strong>sturz zu<br />
bewahren. Der aus ebensolchen Hölzern bestehende und mit Moos bekleidete Deckel war jetzt<br />
abgenommen und lag auf der Seite. Solche Gruben wurden von den Jägern und Fallenstellern<br />
angelegt, um die erbeuteten Felle bis zur Zeit ihres Abholens zu verstecken.<br />
In der Nähe sahen wir zwei Pferde angebunden; zwei Gewehre lehnten dabei, und an zwei<br />
Aststumpfen sahen wir – – – zwei frische, blutige Kopfhäute hängen.<br />
„Von wem s<strong>in</strong>d diese Skalpe?“ fragte ich schnell und verwundert.<br />
„Von den beiden Sioux, welche uns bewachten. Ich werden Old Shatterhand und W<strong>in</strong>netou<br />
alles erzählen,“ antwortete der Knabe, <strong>in</strong>dem se<strong>in</strong>e Augen stolz aufleuchteten. „Jetzt bitte ich<br />
die berühmten, großen Krieger, zuerst nach der Mutter zu sehen!“<br />
Indem wir <strong>in</strong> die Grube schauten, bemerkten wir zunächst e<strong>in</strong>e abgebrochene, junge Fichte,<br />
welche den Knaben als Leiter diente. Unter lag die Squaw, jetzt wieder <strong>in</strong> Krämpfen und<br />
schwer mit dem Atem r<strong>in</strong>gend. Bei ihr saß ihr jüngerer Sohn; er hatte ihren Kopf <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />
Schoße und we<strong>in</strong>te. Im entgegengesetzten W<strong>in</strong>kel lagen mehrere Riemen und drei große,<br />
vollständig ausgewachsene Klapperschlangen, welche nun tot waren. Ich sprang mit W<strong>in</strong>netou<br />
h<strong>in</strong>ab. Wie wir bei gleichen Veranlassungen fast stets auch die gleichen Gedanken mit e<strong>in</strong>ander<br />
hatten, ebenso jetzt: wir sahen zunächst nicht nach der Frau sondern nach den Schlangen. Sie<br />
waren durch Erwürgung getötet worden. Ihre fast zwei Meter langen Körper zeigten, mehr <strong>in</strong><br />
der Nähe des Kopfes als h<strong>in</strong>ten, zahlreiche kle<strong>in</strong>e, wie von e<strong>in</strong>er Stopfnadel herrührende<br />
Löcher <strong>in</strong> der Haut, doch mußte man sehr scharf h<strong>in</strong>sehen, um sie zu bemerken. Ich nickte<br />
dem Apatschen befriedigt zu, und er antwortete mit e<strong>in</strong>em frohen Lächeln; Worte brauchten<br />
wir nicht.<br />
Nun wendeten wir uns zu der Frau. Die Krämpfe hatten plötzlich nachgelassen; sie lag nun<br />
bewußtlos. Wir fanden an ihren Be<strong>in</strong>en bis zum Knie herauf, an ihren Armen und besonders an<br />
den Händen die Spuren von Bissen, deren Umgebung zwar, aber nicht stark, angeschwollen<br />
und blau gefärbt war, also nicht so dunkel, wie ihr Sohn gesagt hatte. Sie durfte nicht länger <strong>in</strong><br />
der Grube liegen. Wir hoben sie so hoch empor, daß Hammerdull und Holbers sie vollends<br />
h<strong>in</strong>ausnehmen konnte; dann stiegen wir mit dem jüngeren Knaben nach. Ich wendete mich zu<br />
Folder, welcher mit „Langer Leib“ gefesselt neben der Cache lag.<br />
„Siehst Du, Schurke, daß wir De<strong>in</strong> Geständnis nicht gebraucht haben! Wo s<strong>in</strong>d die andern<br />
drei Schlangen?“<br />
[239b] „E<strong>in</strong> Sioux hat den Ledersack, <strong>in</strong> welchem sie stecken, auf dem Pferde,“ antwortete<br />
er.<br />
„So hast Du sie also für den Häuptl<strong>in</strong>g der Upsaroka mitgenommen. Aber De<strong>in</strong>e Berechnung<br />
war e<strong>in</strong>e falsche. Die Squaw hat wohl zwanzig Bisse erhalten, wird aber doch nicht sterben,<br />
weil die Giftdrüsen leer gewesen s<strong>in</strong>d. Die <strong>in</strong> dem Ledersack eng zusammengedrückten und<br />
darüber zornigen Schlangen haben sich unter e<strong>in</strong>ander selbst gebissen, wie wir jetzt an ihren<br />
Häuten gesehen haben, und dadurch wurde der Giftvorrat erschöpft. De<strong>in</strong>e Lage wird dadurch<br />
freilich nicht verbessert, denn Du wirst trotzdem als Mörder behandelt werden.“<br />
„Was geht denn Euch das an, was ich mit den Roten vorhabe? Ihr wollt Euch doch nicht<br />
etwa als Richter über mich aufspielen? Das müßte ich mir verbitten! Ich verlange, von Euch<br />
freigelassen zu werden!“<br />
„Warte das ab, Bursche! Du wirst noch froh se<strong>in</strong>, wenn wir uns als Richter De<strong>in</strong>er<br />
erbarmen.“<br />
„Das bildet Euch nicht e<strong>in</strong>! Ich würde lieber sterben, als mich unter Euer Urteil stellen.“<br />
„Gut, merke Dir das! Wir s<strong>in</strong>d mit e<strong>in</strong>ander fertig.“<br />
Da ihre Mutter noch bewußtlos war, mußten die Knaben uns nun erzählen, was sich nach<br />
unserer Entfernung vom gestrigen Lauscherposten ereignet hatte. Das war folgendes:<br />
Man hatte nach etwaigen Begleitern der Squaw gesucht, aber niemand gefunden. Sie hatte<br />
dann mit heißer Angst und unablässig um das Leben ihrer K<strong>in</strong>der gefleht, doch vergeblich. Sie<br />
hatte mit der Rache ihres Mannes gedroht, und als dies nur e<strong>in</strong> Gelächter Folders zur Folge<br />
gehabt hatte, war sie <strong>in</strong> ihrer Verzweiflung so unvorsichtig gewesen, zu sagen, daß wir hier <strong>in</strong>