im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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hörten wir St<strong>im</strong>men jenseits des Spaltes. Wir lugten durch die Büsche und sahen – – unsere<br />
Verfolger ersche<strong>in</strong>en, den E<strong>in</strong>siedler, die beiden Arnauten und noch viele, viele andere, welche<br />
sich nachdrängten. Wir konnten hören, was sie sprachen. Wir waren <strong>im</strong> Irrtum gewesen; sie<br />
hatten unsere Spur doch nicht verloren gehabt. Sie wußten, daß wir hier heraufgestiegen<br />
waren, und füllten bald die Kapelle und den ganzen Raum vor derselben. Wenn sie uns fanden,<br />
waren wir verloren; aber sie sahen uns nicht und steckten aus Wut darüber die Kapelle <strong>in</strong><br />
Brand. Unter jubelndem Johlen und gotteslästerlichen Ausrufen standen sie nun da, um die<br />
Flammen aufz<strong>in</strong>geln zu sehen. Da erblickte ich e<strong>in</strong>en dünnen Riß, den ich vorher nicht gesehen<br />
hatte, <strong>im</strong> Felsen, auf dem sie standen; er wurde breiter und breiter – – – der Felsen brach. Ich<br />
schrie, me<strong>in</strong>e eigene Lage [160] vergessend, laut auf, um sie zu warnen, aber da starrte ich<br />
auch schon <strong>in</strong>s Leere; der Felsen war verschwunden, mit der Kapelle und allen Menschen, die<br />
sich auf demselben befunden hatten. E<strong>in</strong>en Augenblick später hörten wir es unten <strong>in</strong> der Tiefe<br />
krachen, als ob der ganze Berg zusammenbreche. Der Kysrakdar sprang auf, schlug beide<br />
Hände vor das Gesicht und schrie:<br />
„Me<strong>in</strong> Vater, me<strong>in</strong> Vater! Gott hat gerichtet und zwar fürchterlich!“<br />
Er wollte h<strong>in</strong>ab; ich hielt ihn zurück. Zu retten gab es nichts, denn bei dieser Tiefe waren<br />
gewiß alle Menschen, welche sich auf dem Felsen befunden hatten, zerschmettert wie dieser<br />
selbst; zu retten hatten wir nur uns selbst, und das konnten wir nur dadurch, daß wir hier<br />
oben verborgen blieben.<br />
Die nun folgenden Stunden können nicht beschrieben werden. Ich sah, was unten vorg<strong>in</strong>g.<br />
Die ganze Bewohnerschaft der Stadt schien am Fuße der Felswand versammelt zu se<strong>in</strong>, um die<br />
Leichen aus dem Ste<strong>in</strong>getrümmer hervorzuarbeiten. Me<strong>in</strong> Gefährte befand sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
unbeschreiblichen Zustande. Gegen Abend hörten wir e<strong>in</strong>e weibliche St<strong>im</strong>me, welche fort und<br />
fort se<strong>in</strong>en Namen rief. Wir antworteten und stiegen dem Schalle nach. Es war se<strong>in</strong>e Braut,<br />
welche, als sie ihn erblickte, sich krampfhaft schluchzend <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Arme warf. Erst nach e<strong>in</strong>iger<br />
Zeit konnte sie erzählen. Man hatte natürlich geglaubt, daß wir beide auch mit abgestürzt<br />
seien. Der Kadi war gekommen, um die Arbeiten zu leiten und die Verunglückten zu<br />
recognosciren. Viele waren nicht zu erkennen gewesen. Als man auch die beiden Arnauten<br />
unter den Trümmern hervorzog, hatte der Beamte sich me<strong>in</strong>es Verdachtes er<strong>in</strong>nert und ihre<br />
Kleider und Taschen durchsuchen lassen. Man fand das Geld bei ihnen; unsere Unschuld war<br />
also erwiesen. Dennoch schien es mir nicht geraten, uns sehen zu lassen, da der Fanatismus<br />
jedenfalls der Ansicht war, daß wir, wenn auch schuldlos, doch die Ursache des Todes so vieler<br />
Leute seien. Auch der Körper des E<strong>in</strong>siedlers hatte sich gefunden, aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fürchterlichen<br />
Zustande. Der Konsul hatte ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Haus schaffen lassen.<br />
Die junge Dame kehrte zurück, um ihren Eltern zu sagen, daß wir gerettet und vollständig<br />
unverletzt seien. Als es dunkel geworden war, kam der Konsul selbst, uns zu holen. Wir kamen<br />
glücklich und unbeachtet <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Wohnung an. Der Kysrakdar wollte vor allen D<strong>in</strong>gen se<strong>in</strong>en<br />
Vater sehen, und ich g<strong>in</strong>g mit <strong>in</strong> die Stube, <strong>in</strong> welcher der Körper lag.<br />
„Allah partschalamah – Allah zerschmettere dich!“ Das war die so oft wiederholte<br />
Verwünschung des Alten gewesen; nun lag er selbst zerschmettert da. Ke<strong>in</strong> Glied se<strong>in</strong>es<br />
Körpers war unverletzt geblieben! „Allah wird richten zwischen mir und euch, und zwar noch<br />
heute, an diesem Tage!“ hatte er gesagt. Mit welch entsetzlicher Genauigkeit waren diese<br />
se<strong>in</strong>e Worte <strong>in</strong> Erfüllung gegangen! Allah hatte gerichtet! –<br />
Was weiter geschah? Der „Oberste der ganz Strengen“ wurde am nächsten Abende be<strong>im</strong><br />
Sche<strong>in</strong>e des Mondes begraben – – von Katholiken; e<strong>in</strong> reitender Bote hatte se<strong>in</strong> Weib<br />
herbeigeholt. Der Sohn des von Allah Zerschmetterten ist noch heute Kysrakdar von Malatijeh<br />
und hat dieses Gestüt zu großer Berühmtheit gebracht. Se<strong>in</strong>e Braut ist ihm das geblieben, was<br />
sie <strong>im</strong>mer war – se<strong>in</strong> Sonnensche<strong>in</strong>. Glück und Segen ruht auf allem, was er thut, und längst<br />
vergessen ist der häßliche Name, der an der Spitze und am Ende dieser Erzählung steht: es<br />
Sabbi, der Verfluchte. – – –