im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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aucht. Yussuf Ali g<strong>in</strong>g also zum Scheik und brachte Mehl, Reis und e<strong>in</strong>en geschlachteten<br />
fetten Hammel, so daß also e<strong>in</strong>er Hungersnot ganz gründlich vorgebeugt war.<br />
Leider aber fehlte ihm e<strong>in</strong>s, und zwar die Hauptsache – der Tabak. Dieser gehört nicht zu<br />
den Gegenständen, welche man für e<strong>in</strong>en Gast umsonst verlangen kann. Er hatte e<strong>in</strong>e alte<br />
Pfeife an e<strong>in</strong>er Schnur am Halse hangen und zog sie bald h<strong>in</strong> und her, mich dabei verlegen<br />
betrachtend. Da schirrte ich me<strong>in</strong>en Hengst ab und holte aus der Satteltasche me<strong>in</strong>en Tschibuk<br />
und den Tabaksbeutel hervor, den ich Yussuf Ali präsentierte. Da begann se<strong>in</strong> Gesicht zu<br />
glänzen, und er rief aus:<br />
„Welch e<strong>in</strong> Glück, Herr, daß Du selbst e<strong>in</strong>en Vorrat von dieser Quelle des Glückes besitzest.<br />
Ich grämte mich schon, daß ich Dir nichts zu bieten vermochte. Nun aber hat sich me<strong>in</strong> Gram<br />
<strong>in</strong> Wonne verwandelt. Chodeh da-uleta ta mazen beket, jahr<strong>im</strong>en ahziz – Gott vermehre<br />
De<strong>in</strong>en Reichtum, me<strong>in</strong> teurer Freund!“ – – –<br />
3. Kapitel<br />
Husse<strong>in</strong> Isa.<br />
Während wir beiden Männer mit großen Eifer das thaten, was die Abendländer so prosaisch<br />
mit „rauchen“, die Türken aber mit tütün itschmek – „Tabak tr<strong>in</strong>ken“ bezeichnen, war Fat<strong>im</strong>a<br />
Marryah mit tief verschleiertem Gesicht beschäftigt, das Abendessen zuzubereiten. Es mußte<br />
Kuchen gebacken, Reis gedünstet und der Hammel am Spieße gebraten werden. Da ich leicht<br />
Ekel habe, so paßte ich sehr auf, <strong>in</strong> welcher Weise sie das that. Hamdulillah! Sie war viel,<br />
[165] viel re<strong>in</strong>licher, als ich es bei e<strong>in</strong>er Kurdenfrau vermutet hatte! Ich konnte mit Appetit<br />
essen. Während sie still und wortlos schaffte, unterhielt ich mich mit ihrem Manne über<br />
hunderterlei, was ihn und mich <strong>in</strong>teressierte, und fragte ihn <strong>im</strong> Laufe des Gespräches auch, ob<br />
Allah ihm das Glück, Vater e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des zu se<strong>in</strong>, ganz versagt habe. Da wurde se<strong>in</strong> bisher so<br />
zufriedenes Gesicht plötzlich ungewöhnlich ernst; er blickte nachdenklich vor sich nieder und<br />
antwortete dann:<br />
„Ne<strong>in</strong>, Herr, es wurde mir nicht versagt, dieses Glück, welches ich wohl besser e<strong>in</strong> Unglück<br />
nennen sollte.“<br />
„E<strong>in</strong> Unglück? Dann verzeihe, daß ich davon sprach! Ist Dir e<strong>in</strong> liebes K<strong>in</strong>d gestorben, so<br />
wisse, daß es bei Allah ist. Sprechen wir nicht davon!“<br />
„O, sprechen wir dennoch davon! Du weißt alles und kennst alles. Vielleicht kannst Du mir<br />
e<strong>in</strong>en Rat erteilen, welcher die schwere Last von me<strong>in</strong>em Herzen n<strong>im</strong>mt. Ich habe e<strong>in</strong>en Sohn;<br />
er ist nicht gestorben und doch vielleicht schon tot.“<br />
„Vielleicht? So weißt Du es noch nicht sicher? Ist er <strong>in</strong> die Fremde gegangen und nicht<br />
zurückgekehrt?“<br />
„Er ist <strong>in</strong> der Fremde und kommt oft zurück, uns zu besuchen, denn er liebt uns sehr und<br />
br<strong>in</strong>gt alles, was er sich erspart. Er lebt also und ist doch vielleicht schon tot für uns.“<br />
„Wie soll ich das begreifen?“<br />
„Ich werde es Dir erzählen. Als wir vergebens auf e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d hofften, thaten wir e<strong>in</strong> Nadr<br />
(Gelübde), daß, wenn das Kismet sich erweichen lasse, unser Sohn nur für Allah und den Islam<br />
leben und wirken solle. Da erbarmte sich Allah und gab uns e<strong>in</strong>en Sohn, Herr, ich sage Dir,<br />
e<strong>in</strong>e Wonne von e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>de! Der Knabe hatte Augen wie Diamanten, e<strong>in</strong> Gesicht wie die<br />
lachende Morgenröte, e<strong>in</strong> Herz voller Liebe zu uns, e<strong>in</strong>en Verstand, o, e<strong>in</strong>en Verstand, der von<br />
Jahr zu Jahr größer und reicher wurde. Wir thaten ihn nach Diarbekir zu e<strong>in</strong>em berühmten<br />
Gelehrten. Wir mußten hungern, um diesen Mann bezahlen zu können, aber wir thaten es<br />
gern. Nach drei Jahren kam er zurück. Da konnte er den Kuran und alle se<strong>in</strong>e Auslegungen<br />
auswendig; alle heiligen Bücher waren <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Kopfe versammelt, und der Geschichte der<br />
Khalifen war er so gewiß wie se<strong>in</strong>er eigenen Erfahrung. Wir waren entzückt; wir dankten Allah<br />
auf unsern Knien und baten um se<strong>in</strong>en ferneren Segen. Unser Sohn, den wir Husse<strong>in</strong> Isa<br />
genannt hatten, sollte – –“<br />
„Husse<strong>in</strong> Isa?“ unterbrach ich ihn, über diesen Namen erstaunt, da Isa Jesus heißt.<br />
„Ja, Husse<strong>in</strong> nannten wir ihn nach unserm größten heiligen Khalifen, den die Sunniten bei<br />
Kerbela ermordet haben. Und den Namen Isa erhielt er nach dem Stifter des Christentumes,<br />
der auch von uns für e<strong>in</strong>en Propheten gehalten wird und e<strong>in</strong> gewaltiger Redner war. Se<strong>in</strong>e<br />
Worte waren wie Sonnenstrahlen, welche das Herz erleuchten, und wie Schwerter, die durch<br />
die Seele dr<strong>in</strong>gen. So e<strong>in</strong> Redner, so e<strong>in</strong> Prophet, wohl gar der Mahdi, den wir alle erwarten,<br />
sollte unser Sohn werden, und darum hat er zu dem Namen Husse<strong>in</strong> noch den Namen Isa<br />
bekommen.“<br />
„Sonderbar! Sollte das e<strong>in</strong> Omen, e<strong>in</strong> Kismet se<strong>in</strong>?“