im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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„Leider! Wir werden ja gar nicht weit von hier an das rechte Ufer zurückkehren!“<br />
„Aber wir müssen doch e<strong>in</strong>en und e<strong>in</strong>en halben Kuladsch abwärts reiten!“<br />
„Wer hat das gesagt?“<br />
„Der Scheich! Und Du bist darauf e<strong>in</strong>gegangen!“<br />
„Ist mir gar nicht e<strong>in</strong>gefallen. Zu e<strong>in</strong>em solchen Verlangen hätte ich nun und n<strong>im</strong>mer Ja<br />
gesagt, denn da hätte ich allerd<strong>in</strong>gs vollständig darauf verzichtet, für die Gefangenen auch nur<br />
das Ger<strong>in</strong>gste zu versuchen.“<br />
„Sihdi, darf ich Dir etwas sagen?“<br />
„Nun?“<br />
„Es ist etwas, was Du nicht glauben wirst.“<br />
„Was?“<br />
„Mir steht der Verstand still!“<br />
„Du siehst <strong>in</strong> diesem Augenblicke allerd<strong>in</strong>gs ganz so aus, wie e<strong>in</strong> Mensch, dem der Verstand<br />
durch das Thor des Mundes davongefahren ist. De<strong>in</strong> Mund steht so weit offen, daß ich be<strong>in</strong>ahe<br />
mitsamt dem Pferde h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>reiten kann!“<br />
„Ist das e<strong>in</strong> Wunder? Du leugnest etwas, was ich ganz genau mit me<strong>in</strong>en eigenen Ohren<br />
gehört habe.“<br />
„Du hast es ganz und gar nicht genau gehört. Es ist ke<strong>in</strong>e Rede davon gewesen, daß wir<br />
soweit am Ufer abwärts reiten sollen. Der genaue Wortlaut der Bed<strong>in</strong>gung ist, höre darauf: hier<br />
über den Fluß reiten und dann anderthalb Kuladsch weiter. Wenn Du mich nun noch nicht<br />
begreifst, so ist ganz plötzlich e<strong>in</strong> anderer Mensch aus Dir geworden, als Du bisher gewesen<br />
bist. Denke nach, Halef!“<br />
Er verstand mich noch <strong>im</strong>mer nicht und wiederholte langsam, <strong>in</strong>dem er die e<strong>in</strong>zelnen Worte<br />
ause<strong>in</strong>anderhielt:<br />
[179c] „Hier – über – den – Fluß reiten – und – dann – andert – halb – Kuladsch – weiter –<br />
– –“ Dann aber g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> helles Lächeln des Verständnisses über se<strong>in</strong> Gesicht, und er rief aus:<br />
„Sihdi, ich hab’s, ich hab’s! O, daß ich an Dir zweifeln konnte! Wie hast Du den Alten<br />
überlistet! Wir brauchen uns nicht nach ihm zu richten und werden trotzdem unser Wort ganz<br />
genau halten. ‚Wir reiten über den Fluß und dann e<strong>in</strong>en und e<strong>in</strong>en halben Kuladsch weiter,’ so<br />
lautet unser Versprechen. Der Scheich hat freilich flußabwärts geme<strong>in</strong>t, wir aber werden es mit<br />
unserm Gewissen vere<strong>in</strong>baren können, daß –“<br />
„Vere<strong>in</strong>baren?“ unterbrach ich ihn. „Es giebt da gar nichts zu vere<strong>in</strong>baren. Me<strong>in</strong> Gewissen<br />
gebietet mir, genau nach dem Wortlaute zu gehen, und der ist: über den Fluß und weiter. Wir<br />
dürfen also gar nicht abwärts reiten, selbst wenn wir wollten, sondern wir s<strong>in</strong>d gezwungen, die<br />
L<strong>in</strong>ie über den Fluß <strong>in</strong> gerader Richtung fortzusetzen. Wir reiten also anderthalb Kuladsch vom<br />
Flusse fort nach Süden und haben dann unser Versprechen Wort für Wort erfüllt. Von dem<br />
Punkte an, wo wir uns dann bef<strong>in</strong>den, dürfen wir wieder an das andere Ufer. Dieser Punkt liegt<br />
anderthalb Kuladsch vom Flusse entfernt, allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>e kurze Strecke, und wenn wir sie<br />
zurückgelegt haben, bef<strong>in</strong>den wir uns wieder hier an derselben Stelle, wo wir jetzt s<strong>in</strong>d. Nun,<br />
ist De<strong>in</strong> Kara Ben Nemsi e<strong>in</strong> so dummer Kerl, wie Du vorh<strong>in</strong> sagtest?“<br />
„O, Sihdi, es gab freilich e<strong>in</strong>en dummen Kerl, e<strong>in</strong>en kamelsatteldummen Kerl, und der war<br />
ich! Me<strong>in</strong>en Effendi für dumm zu halten! Sihdi, erhebe De<strong>in</strong>e Hand und gieb mir e<strong>in</strong>en Keff 24 ,<br />
daß ich aus dem Sattel fliege, ich werde Dir sehr dankbar dafür se<strong>in</strong>!“<br />
„Fällt mir gar nicht e<strong>in</strong>, me<strong>in</strong>en braven Halef zu schlagen. Was den alten Scheich betrifft, so<br />
führt er e<strong>in</strong>e wirkliche Verräterei <strong>im</strong> Schilde. Ich zählte die Leute, als sie kamen, und dann<br />
wieder, als sie drüben vorüberritten. Es fehlte e<strong>in</strong>er. Der ist <strong>in</strong> das Lager zurückgeschickt<br />
worden, um zu melden, daß wir am l<strong>in</strong>ken Ufer abwärts kommen. Die Kurden werden also dort<br />
übersetzen und auf uns warten, um uns meuchl<strong>in</strong>gs zu überfallen.“<br />
„Der Schurke! Warum aber hast Du mit dem Armeni ke<strong>in</strong> Wort gesprochen?“<br />
„E<strong>in</strong> christlicher Schurke steht so tief unter e<strong>in</strong>em mohammedanischen Schufte, daß ich ihm<br />
nur dann e<strong>in</strong> Wort schenken mag, wenn ich absolut dazu gezwungen b<strong>in</strong>. Jetzt weiß ich, wie es<br />
ihm möglich geworden ist, se<strong>in</strong>e Verbrechen auszuführen. Er ist der Anführer e<strong>in</strong>er<br />
Armenierbande und hat sich mit den berüchtigten Schirwankurden verbunden. Er hat mir für<br />
das nächste Wiedersehen den Tod angedroht und dabei nicht geahnt, daß diese Wiedersehen<br />
<strong>in</strong> ganz anderer Weise stattf<strong>in</strong>den wird, als er denkt. Aber nun komm; wir müssen weiter, um<br />
unser Wort zu halten!“ –<br />
24 Starke Ohrfeige.