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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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vorübergehende Episode für uns sei.<br />

Als die Idiz gegessen und den Pferden e<strong>in</strong>e Stunde Ruhe gegönnt hatten, ritten wir weiter.<br />

Unser Weg führte durch verschiedene Schluchten und Thäler fortwährend bergan. Die Gegend,<br />

durch welche wir kamen, war bewaldet und reich an Bächen und Quellen, was man leider nicht<br />

mehr von jedem Teile des e<strong>in</strong>st so wohlbewässerten persischen Reiches sagen kann. Dann<br />

kamen wir auf e<strong>in</strong>e baumlose Hochebene, über welche e<strong>in</strong> empf<strong>in</strong>dlich kalter Luftzug strich. Im<br />

Osten stieg der lange Para Kuh und h<strong>in</strong>ter ihm der hohe Elwend empor, der erstere nur<br />

teilweise, der letztere aber ganz weiß mit Schnee bedeckt.<br />

Wir ritten Galopp. Nach e<strong>in</strong>er Stunde senkte sich das Terra<strong>in</strong> wieder; wir ritten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

engen Thale bergab, wo es wieder Wald und Wasser gab. Ich war noch nicht <strong>in</strong> dieser Gegend<br />

gewesen, glaubte aber Grund zu der Vermutung zu haben, daß wir uns <strong>in</strong> der Nähe des von<br />

lauter Ali-Ilahi’s bewohnten Ortes Gamara befänden. Wahrsche<strong>in</strong>lich lag er <strong>im</strong> Norden von uns,<br />

während wir genau nach Osten ritten. Gegen Abend g<strong>in</strong>g es über e<strong>in</strong>e grasige, r<strong>in</strong>gs von<br />

Bergen e<strong>in</strong>geschlossene Niederung und dann an e<strong>in</strong>em Walde h<strong>in</strong>, dessen Rand erst <strong>in</strong> gerader<br />

L<strong>in</strong>ie nach Süden lief und später e<strong>in</strong>e tiefe, breite Wiesenbucht bildete, welche das Ziel unseres<br />

Rittes war.<br />

Hier gab es e<strong>in</strong>e ganze Menge von schwarzen Nomadenzelten, welche ich nicht überblicken<br />

konnte, weil es schon fast dunkel geworden war. Unter den Bäumen gab es aus Stangenholz<br />

errichtete und mit Rasen gedichtete Hütten, welche gegen Kälte, W<strong>in</strong>d und Wetter mehr<br />

Schutz boten als die dünnen Zelte. In ihnen und vor den Zelten brannten schon die<br />

Abendfeuer, welche ihren flackernden Sche<strong>in</strong> auf das rege Leben und Treiben des Lagers<br />

warfen. Die Bewohner desselben schienen e<strong>in</strong>en bedeutenden Besitz an Weidetieren zu haben.<br />

Wir mußten uns zwischen den Herden h<strong>in</strong>durchw<strong>in</strong>den, ehe wir den Urd 21 erreichten.<br />

[182] Die Leute liefen, als wir ankamen, nun neugierig zusammen; es wurde ihnen aber<br />

ke<strong>in</strong>e Zeit gelassen, uns lange zu betrachten. Wir ritten zwischen ihnen h<strong>in</strong>durch nach e<strong>in</strong>er<br />

der erwähnten Hütten, <strong>in</strong> welche man, nachdem wir abgestiegen waren, uns brachte. Da<br />

mußten wir uns auf e<strong>in</strong>e Streu legen und wurden so gefesselt, daß nach der Ansicht dieser<br />

Leute an e<strong>in</strong> Entr<strong>in</strong>nen gar nicht zu denken war. Der Anführer bedeutete uns, daß jeder<br />

Versuch zur Flucht sofort mit dem Tode bestraft werde; was unsere Behandlung von jetzt an<br />

betreffe, so werde er die Nezaneh 22 darüber befragen. Hierauf entfernte er sich; aber e<strong>in</strong><br />

junger, wohlbewaffneter Krieger blieb zu unserer Beaufsichtigung bei uns zurück. Er brannte<br />

e<strong>in</strong> Feuer an und setzte sich an demselben nieder. Als ich versuchte, e<strong>in</strong> Gespräch mit ihm<br />

anzuknüpfen, teilte er mir mit, daß er nicht mit uns sprechen dürfe; uns aber sei das Reden<br />

nicht verboten, falls wir uns nicht e<strong>in</strong>er Sprache bedienten, welche er nicht verstehe.<br />

So lagen wir über e<strong>in</strong>e Stunde lang <strong>in</strong> Erwartung dessen, was nun kommen werde. Es gab<br />

hier e<strong>in</strong>e Nezaneh. Wurde der Stamm von e<strong>in</strong>er Frau regiert? Sonderbar! Wir waren natürlich<br />

neugierig, zu erfahren, unter welchen Bed<strong>in</strong>gungen man uns die Freiheit wiedergeben wolle.<br />

Die Höhe des Lösegeldes war uns sehr gleichgültig, denn wir bezahlten ja doch nichts! Die<br />

Schwierigkeit bestand nur dar<strong>in</strong>, auf welche Weise wir vor der Flucht, die sehr leicht zu<br />

bewerkstelligen war, zu unserm Eigentum kommen wollten; denn daß wir auf nichts verzichten<br />

würden, das verstand sich ganz von selbst.<br />

Da wurde die aus starkem Flechtwerk bestehende Thür geöffnet, und es trat e<strong>in</strong>e Frau<br />

here<strong>in</strong>. Unser Wächter stand sofort auf, verneigte sich vor ihr und verließ das Innere der<br />

Hütte. In se<strong>in</strong>er jedenfalls nicht vorgeschriebenen, sondern freiwilligen Verbeugung sprach sich<br />

e<strong>in</strong>e so wahre, aufrichtige Verehrung aus, daß diese Frau ke<strong>in</strong>e gewöhnliche se<strong>in</strong> konnte. Sie<br />

blieb, als er fort war, an der Thür stehen und betrachtete uns prüfenden Blickes. Ihre Haltung<br />

war dabei stolz und selbstbewußt, ohne dabei beleidigend zu se<strong>in</strong>. Ihr Haupt war unbedeckt;<br />

aber die langen, starken Zöpfe [183] des sehr vollen, schneeweißen Haares bildeten, hoch<br />

emporgewunden, e<strong>in</strong>e Kopfbedeckung, um welche sie gewiß manche junge Europäer<strong>in</strong><br />

beneidet hätte. Der Farbe dieses Haares nach mußte sie alt se<strong>in</strong>; aber <strong>in</strong> ihrem vollen, jetzt<br />

noch schönen Angesichte war ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Falte zu bemerken, und <strong>in</strong> ihren kühn, aber doch<br />

weiblich mild geschnittenen Zügen lag e<strong>in</strong>e Energie, welche der Mensch nur <strong>im</strong> jugendlichen<br />

Alter zu besitzen pflegt. Auch der Hals war unbedeckt, und ke<strong>in</strong> Bildhauer hätte e<strong>in</strong>en Tadel an<br />

ihm f<strong>in</strong>den können. E<strong>in</strong> dunkelblaues, langes, mantelähnliches Gewand, <strong>in</strong> dem die e<strong>in</strong>e Hand<br />

verborgen war, bedeckte ihre hohe Gestalt; die andere Hand, welche es <strong>in</strong> Falten hielt, war voll<br />

und weiß, so weiß, daß ich darüber staunte. Ihre dunklen Augen hatten e<strong>in</strong>en eigentümlichen,<br />

21 Lager.<br />

22 Kurdisch: Häuptl<strong>in</strong>g<strong>in</strong>.

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