im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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Schritte. Es g<strong>in</strong>g jemand dr<strong>in</strong>nen auf und ab <strong>im</strong> F<strong>in</strong>stern, denn es brannte ke<strong>in</strong> Licht,<br />
sonst hätte ich den Sche<strong>in</strong> desselben sehen müssen. Und nun vernahm ich deutliche<br />
Worte. Befanden sich mehrere Personen <strong>in</strong> der Sala? Oder sprach der Mann mit sich<br />
selber?<br />
„O Mutter, Mutter!“ seufzte es. „Tot – tot – – tot! Que angustia, que martirio – –<br />
welche Angst, welche Qual!“<br />
Hierauf folgte e<strong>in</strong> langgezogenes “Huh!” wie man es wohl von e<strong>in</strong>em Frierenden zu<br />
hören kommt, und dann jammerte es weiter.<br />
„Und der Vater, der Vater! Lebt er noch? Habe ich ihn auch gemordet? Warum f<strong>in</strong>de<br />
ich ihn nicht? Ah, que desgracia, ay, que pena – o, welches Unglück, o welcher<br />
Schmerz!“<br />
Es lief mir eiskalt über den Rücken. Der Mann da dr<strong>in</strong>nen wurde von se<strong>in</strong>em Gewissen<br />
gefoltert. Oder war er e<strong>in</strong> Wahns<strong>in</strong>niger, der sich se<strong>in</strong>e Qualen <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>bildung schuf?<br />
Ich horchte und hörte weiter:<br />
„O, cielos, cielos, cielos – o H<strong>im</strong>mel, H<strong>im</strong>mel, H<strong>im</strong>mel! E<strong>in</strong> Verbrechen, e<strong>in</strong><br />
Verbrechen! Nach – nach – nach – Erlösung schreien – – – Zunge – Zunge – am Gaumen<br />
klebt; o desdichado de mí, o ich Unglücklicher!“<br />
Was waren denn das für Worte. So hatte ich doch zu Perdido gesagt! Sollte er etwa –<br />
– – ? Ne<strong>in</strong>! Dieser freche Gottesleugner, dieser hartgesottene Bösewicht konnte<br />
unmöglich so zerknirscht se<strong>in</strong>. Und doch waren es me<strong>in</strong>e Worte, und ich mußte daran<br />
denken, daß er sich so oft von unserem Lager entfernt hatte, um mit sich selbst zu<br />
reden. Sollte er es doch se<strong>in</strong>? Sollte se<strong>in</strong> Gr<strong>im</strong>m gegen den Glauben nur e<strong>in</strong>e allerd<strong>in</strong>gs<br />
entsetzliche Maske se<strong>in</strong>, unter welcher die Qualen der Reue se<strong>in</strong> Inneres durchwühlten?<br />
„Kreuzestod, Kreuzestod!“ erklang es wieder. „Für wen, für wen? Für mich? Wahns<strong>in</strong>n<br />
– – Wahns<strong>in</strong>n – – Wahns<strong>in</strong>n! Auferstehung? Christ ist erstanden?! Hahahaha!“<br />
Dieses Lachen klang so wahnwitzig und zugleich so trostlos, daß mich e<strong>in</strong> Grauen<br />
überlief. Die langsamen Sporenschritte klangen fort und fort, dazwischen ächzte und<br />
stöhnte der Mann zum Herzbrechen. Dann kreischte er plötzlich auf, als ob e<strong>in</strong>e Faust<br />
sich um se<strong>in</strong> Herz gekrallt hätte:<br />
[154a] „Perdido, Perdido, der Verlorene! So heiße ich; so habe ich mich selbst<br />
genannt! Wer wird mich Hallado nennen, Hallado, den Wiedergefundenen? Aleman mald<br />
cido, - verfluchter Deutscher! De<strong>in</strong> Stachel ist’s, De<strong>in</strong> Stachel, ja, der De<strong>in</strong>ige!“<br />
Jetzt konnte ke<strong>in</strong> Zweifel mehr se<strong>in</strong>: es war Perdido! Welch e<strong>in</strong> Zufall! Wie kam er<br />
hierher? Was wollte er hier? Nun ich wußte, wer der Mann war, erschien es mir als<br />
Unrecht, noch länger zu lauschen. Ich legte mich wieder nieder und hüllte mich gegen die<br />
nächtliche Kühle <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Poncho; aber es verg<strong>in</strong>gen Stunden, bis ich den Schlaf wieder<br />
fand. Darum wachte ich nicht auf, als die Zeit dazu gekommen war, sondern der Toba<br />
Manuel weckte mich. Ich erzählte den drei Gefährten, daß Sennor Perdido sich <strong>in</strong> der<br />
Posada bef<strong>in</strong>de; da fragte Mateo angelegentlich:<br />
„Werden wir weiterreiten, Sennor?“<br />
„Ja.“<br />
„Das ist gut! Laß uns gleich aufbrechen!“<br />
„Gleich? Warum?“<br />
„Daß wir nicht von diesem Perdido gesehen werden.“<br />
„Wir werden erst am Gottesdienste teilnehmen. Fürchtest Du Dich von Perdido?“<br />
„Ne<strong>in</strong>. Aber er haßt Dich und hat Dir Rache geschworen. Er wagt es nicht, Dich offen<br />
anzugreifen, denn Du würdest ihn besiegen; aber er wird aus dem H<strong>in</strong>terhalte auf Dich<br />
schießen.“<br />
„Pah! Ich sehe mich vor!“<br />
„Sennor, thu mir den Gefallen und geh’ gleich jetzt mit fort! Du weißt, wie lieb ich Dich<br />
habe. Ich würde sterben, wenn er Dich tötete.“<br />
„So wirst Du niemals sterben, denn er tötet mich nicht.“<br />
Damit mußte sich der brave Toba zufrieden geben. Wir g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> das Gastz<strong>im</strong>mer, um<br />
den Mate dort zu tr<strong>in</strong>ken. Wir waren noch nicht fertig, so kam Perdido here<strong>in</strong>. Man sah es<br />
ihm an, daß er die halbe Nacht durchjammert hatte. Als er uns erblickte, fuhr er mit der<br />
Hand nach dem Messer und stieß e<strong>in</strong>en Fluch aus, besann sich aber doch e<strong>in</strong>es Bessern<br />
und g<strong>in</strong>g wieder h<strong>in</strong>aus.<br />
Draußen tönten Schüsse; es waren Freudenschüsse, um das Fest e<strong>in</strong>zuleiten. Die