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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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Geron<strong>im</strong>o de Magujo genannt. Se<strong>in</strong> Haus war das größte des Dorfes, zwar auch nur<br />

e<strong>in</strong>stöckig aber sehr langgestreckt, so daß es zwei Thüren besaß. Don Geron<strong>im</strong>o empf<strong>in</strong>g<br />

uns mit e<strong>in</strong>er stolzen, selbstbewußten Liebenswürdigkeit, wie e<strong>in</strong> König se<strong>in</strong>e Gäste<br />

empfängt. Als wir ihn fragten, ob wir bei ihm nächtigen könnten, stellte er uns se<strong>in</strong><br />

ganzes Haus, se<strong>in</strong> ganzes Vermögen zur Verfügung. Ich nahm dies natürlich für bloße<br />

Redensart und erklärte mich mit e<strong>in</strong>er Stube für uns drei und e<strong>in</strong>em Corral (Stall) und<br />

Maisfutter für die Pferde zufrieden.<br />

„Tretet here<strong>in</strong> <strong>in</strong> das Gastz<strong>im</strong>mer, Sennores,“ sagte er, „und geduldet Euch zwei<br />

Augenblicke, bis man Euch Eure Sala vorgerichtet hat!“<br />

Also e<strong>in</strong>e „Sala“, e<strong>in</strong>en Saal sollten wir bekommen! Hätte ich die hiesigen Verhältnisse<br />

nicht bereits gekannt, so wäre es mir wohl angst um die Bezahlung geworden.<br />

Das Gastz<strong>im</strong>mer bestand aus e<strong>in</strong>em kahlen Raum mit gestampfter Diele, e<strong>in</strong>em Tische<br />

und e<strong>in</strong>igen Stühlen. Die Fensteröffnungen waren mit geöltem Papiere verklebt. Auf<br />

me<strong>in</strong>e Frage nach Speise und Trank erklärte er, daß bei ihm alles Menschenmögliche zu<br />

bekommen sei; bei näherem E<strong>in</strong>gehen auf das Specielle aber stellte sich heraus, das dies<br />

Menschenmögliche nur aus e<strong>in</strong>er Kaffeetasse voll Mate 3 und e<strong>in</strong>em sehr zähen<br />

Asadobraten bestand. Ich war frugal gewöhnt und fügte mich <strong>in</strong> die Umstände.<br />

E<strong>in</strong> Knecht hatte unsere Pferde <strong>in</strong> den Corral geschafft. Ich g<strong>in</strong>g h<strong>in</strong>aus, um nach<br />

ihnen zu sehen. Für sie war besser gesorgt als für uns. Sie hatten Wasser, Gras und Mais<br />

die Hülle und Fülle. Dann machte ich mit me<strong>in</strong>en Tobas e<strong>in</strong>en Spaziergang durch und um<br />

das Dorf. Die Bewohner selbst rüsteten sich zur morgigen Palmsonntagsfeier. Selbst die<br />

kle<strong>in</strong>ste Hütte war mit Palmen geschmückt, die hier allerd<strong>in</strong>gs billig zu haben waren.<br />

Dann kehrten wir nach der Posada zurück und erfuhren, daß unsere Sala noch nicht ganz<br />

vorgerichtet sei. Endlich, nach langem Warten, kam der Knecht, um sie uns anzuweisen.<br />

Wir mußten zur zweiten Hausthüre h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> und fanden e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es, vollständig leeres Loch,<br />

aus welchem uns e<strong>in</strong> schrecklicher Geruch entgegenkam. Wer weiß, was alles hier<br />

gelegen hatte und wegen uns fortgeräumt worden war! Ich frug nicht darnach und sagte<br />

dem Knechte, daß wir doch lieber h<strong>in</strong>ter dem Hause <strong>im</strong> Freien schlafen wollten. Er<br />

machte e<strong>in</strong>e sehr gravitätische Körperbewegung, warf den Kopf <strong>in</strong> den Nacken und<br />

me<strong>in</strong>te:<br />

„Die Sennores können thun, was sie wollen; aber diese Sala ist für sie bestellt und<br />

best<strong>im</strong>mt und muß bezahlt werden.“<br />

Darüber war es dunkel geworden. Gegessen hatten wir, und so schleppten wir, da wir<br />

vom heutigen langen Ritte ermüdet waren, unsere Sättel und Decken h<strong>in</strong>ter das Haus,<br />

wickelten uns <strong>in</strong> die Ponchos 4 und schliefen e<strong>in</strong>, ohne uns durch den Lärm der festlich<br />

gest<strong>im</strong>mten Dorfbewohner irre machen zu lassen.<br />

Ihr Lachen, Schreien, Rufen und s<strong>in</strong>gen störte mich nicht. Bei [153b] solchem Lärm<br />

kann e<strong>in</strong> Prairiejäger ganz gut schlafen; aber kle<strong>in</strong>e, charakteristische Geräusche, auf<br />

welche e<strong>in</strong> anderer gar nicht achtet, die s<strong>in</strong>d es, welche ihn aus dem tiefsten Schlafe<br />

wecken können. So auch hier. Ich wachte plötzlich auf; ich hatte etwas gehört, ohne aber<br />

zu wissen, was. Ich lauschte. Das Dorf lag <strong>in</strong> tiefster Ruhe; die Leute von Frutobamba<br />

waren schlafen gegangen; es war zur Zeit des Vollmondes, welcher hoch am H<strong>im</strong>mel<br />

stand und die Umgebung hell beleuchtete; ich konnte aber nichts sehen, was mich<br />

gestört haben könnte.<br />

Schon wollte ich den Kopf wieder s<strong>in</strong>ken lassen, da klang e<strong>in</strong> eigentümlicher Ton an<br />

me<strong>in</strong> Ohr; es war wie e<strong>in</strong> Schmerzensruf aus e<strong>in</strong>er tiefen Grube. Nach kurzer Zeit hörte<br />

ich es wieder, und zwar länger als vorher. Es kam von oben, nicht von unten. Wir lagen<br />

an der h<strong>in</strong>tern Mauer des Hauses, und <strong>in</strong> dieser befand sich grad über mir e<strong>in</strong> Fenster,<br />

nämlich e<strong>in</strong> Fenster nach dortigen Begriffen; eigentlich war es e<strong>in</strong> vollständig offenes<br />

Mauerloch von so ger<strong>in</strong>ger Größe, daß man nicht e<strong>in</strong>mal den Kopf h<strong>in</strong>durchstecken<br />

konnte. Ich er<strong>in</strong>nerte mich, daß unser „Sala“ e<strong>in</strong> solches Fenster gehabt hatte, und als<br />

ich über die Oertlichkeit nachdachte, fand ich, daß wir unter dem Fenster dieser Sala<br />

lagen. Sollte dieselbe e<strong>in</strong>en andern Besitzer bekommen haben? Wieder drangen<br />

Klagelaute aus dem Fenster. Ich stand auf und hielt das Ohr an das Loch, doch so, daß<br />

ich von <strong>in</strong>nen nicht bemerkt werden konnte. Da hörte ich sehr deutlich sporenkl<strong>in</strong>gende<br />

3 Paraguaythee.<br />

4 Poncho ist e<strong>in</strong> aus e<strong>in</strong>em viereckigen Stück Tuch bestehender Mantel.

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