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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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„E<strong>in</strong>e Predigt?“ fragte er schnell. „Bist du nicht nur e<strong>in</strong> Krieger, sondern auch e<strong>in</strong> Priester?“<br />

„Ne<strong>in</strong>. Dennoch werden Gott und die Heiligen mir nicht zürnen, wenn ich euch das Wort<br />

verkünde, nach dem sich eure Herzen sehnen. Jeder Mensch soll eigentlich für den Kreis, <strong>in</strong><br />

welchem er wirken kann, nach Wort und Wandel e<strong>in</strong> Priester se<strong>in</strong>. Aber werdet ihr, wenn ich<br />

spreche, mich verstehen?“<br />

„So gut, wie ich dich jetzt verstehe, o Herr. Wir s<strong>in</strong>d aus Bebozt, wo wir vertrieben wurden,<br />

herübergekommen.“<br />

„Ja, ich weiß, daß dort katholische Christen waren, welche von den Missurikurden schwer<br />

bedrückt worden s<strong>in</strong>d. Der dortige arabische Dialekt ist mir bekannt; ihr werdet [42] me<strong>in</strong>e<br />

Rede verstehen. Nun aber führe uns zu euch, denn es dunkelt stark!“<br />

„Ja, kommt, Herr! Ich werde mit tausend Freuden euer Führer se<strong>in</strong>.“<br />

Er schritt uns voran, die kahle Bergkuppe h<strong>in</strong>ab, und wir folgten ihm. Der Weg war so steil,<br />

daß wir absteigen und unsere Pferde führen mußten. Erst jetzt schenkte der Alte me<strong>in</strong>em<br />

Hengste se<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit. Er sah, daß das Pferd e<strong>in</strong> ächter Araber vom re<strong>in</strong>sten<br />

Stammbaum war, und floß vor Bewunderung über.<br />

Dann kam der Wald, welcher aus Eichen und Buchen bestand. Als wir unten am Fuße des<br />

Berges aus demselben traten, sahen wir e<strong>in</strong> langes und breites Thal vor uns liegen, durch<br />

dessen Mitte fast schnurgerade e<strong>in</strong> Bach floß. Dieses Thal hatte nur e<strong>in</strong>en Aus- oder E<strong>in</strong>gang,<br />

uns zur Rechten; l<strong>in</strong>ks h<strong>in</strong>ten wurde es durch e<strong>in</strong>e steile Querhöhe abgeschlossen, an deren<br />

Fuße das Wasser entsprang. Zu beiden Seiten des Baches weideten Pferde, R<strong>in</strong>der, Schafe und<br />

auch Ziegen. Drüben und hüben stand am Waldesrande je e<strong>in</strong>e Reihe von Hütten. Unter den<br />

diesseitigen gab es e<strong>in</strong>e, welche höher war als die andern und mit e<strong>in</strong>er Spitze versehen; das<br />

war jedenfalls die Kirche, denn an dieser Spitze h<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Glocke. Jenseits zeichnete sich<br />

auch e<strong>in</strong>e Hütte durch Umfang und Höhe vor den andern aus. Das war, wir ich dann hörte, die<br />

Moschee der Schiiten. Alle diese Wohnungen waren aus dünnen Stämmen errichtet; die Wände<br />

bestanden aus geflochtenen Zweigen. Der Alte deutete erst herüber und dann h<strong>in</strong>über und<br />

sagte:<br />

„Hüben wohnen wir, drüben die Muhammedaner. Das Wasser bildet die Grenze, welche<br />

früher nicht beachtet wurde, jetzt aber e<strong>in</strong>gehalten wird.“<br />

„Wer ist der Kiaja (Dorfschulze) bei euch?“ fragte ich.<br />

„Ich, obgleich ich der Ärmste und Beklagenswerteste von allen b<strong>in</strong>.“<br />

„Warum beklagenswert?“<br />

„Wegen der Geschichte, welche ich dir erzählt habe. Me<strong>in</strong> Sohn, se<strong>in</strong> Weib und me<strong>in</strong> Enkel,<br />

se<strong>in</strong> Sohn, bef<strong>in</strong>den sich unter den Sklaven der Akrakurden. Ich b<strong>in</strong> nun ohne Familie und<br />

alle<strong>in</strong>. Ich bete täglich zu Gott und der heiligen Jungfrau, daß me<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dern die Freiheit<br />

wieder werde; es ist bis jetzt vergeblich gewesen.“<br />

„Bete weiter! Das Gebet vermag viel, wenn es gläubig und ernstlich ist. Der Allgütige leitet<br />

alles zum Besten se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>der. Die Prüfung, welche er euch auferlegt hat, wird euch <strong>im</strong><br />

Glauben stärken.“<br />

„Herr, ich glaube ja! Ohne diese Zuversicht hätte der Gram mich längst unter die Erde<br />

gebettet. Nun aber sollst du sehen, wie herzlich man dich empfangen wird.“<br />

Es waren bisher nur wenige Menschen zu sehen gewesen. Da ließ er e<strong>in</strong>en lauten Ruf hören,<br />

während wir [43] dem Dorfe noch entgegenschritten, und sofort kamen hüben und drüben die<br />

Bewohner aus den Hütten. Als die diesseitigen uns erblickten, kamen sie uns entgegen; selbst<br />

die K<strong>in</strong>der, auch die kle<strong>in</strong>sten, trippelten h<strong>in</strong>terher. Man sah, daß diese Leute nicht reich<br />

waren; ihre mehr als e<strong>in</strong>fache Kleidung bewies es.<br />

„Hört, ihr Männer und ihr Frauen“, rief er ihnen zu, „der heutige Abend will uns e<strong>in</strong>e<br />

freudige Auszeichnung br<strong>in</strong>gen. Hier kommen Gäste. Dieser Emir und Effendi ist e<strong>in</strong> frommer<br />

Christ aus dem Abendlande. Er will mit uns das Fest des Rosenkranzes begehen und die Feier<br />

desselben durch e<strong>in</strong>e Predigt verherrlichen. Ihr werdet ihn willkommen heißen.“<br />

„Salahma, salahma, marhaba, marhaba, marhaba - heil, heil, willkommen, willkommen,<br />

willkommen!“ rief es da aus aller Munde, und alle Hände streckten sich uns entgegen. Als wir<br />

zusammentrafen, hatte ich nur zu drücken und zu schütteln. Als mit e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er, etwa<br />

zweijähriger Bube auch se<strong>in</strong> Patschchen anbot und dabei auch e<strong>in</strong> Marhaba krähte, nahm ich<br />

ihn auf den Arm und gab ihm e<strong>in</strong>en kräftigen Schmatz auf die frischen Lippen; das konnte ich<br />

wagen, weil er zufälligerweise <strong>in</strong> der Gegend, woh<strong>in</strong> der Kuß zu sitzen kam, ziemlich re<strong>in</strong><br />

gescheuert war. Diese Freundlichkeit erregte das Entzücken aller Bewohner der christlichen<br />

Dorfseite. Sie erhoben ihr Salahma und Marhaba von neuem und noch kräftiger als vorher, und<br />

auch das Drücken und Schütteln der Hände wurde von vorn angefangen.

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