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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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Regensburger Marienkalender / 1892<br />

Mater dolorosa.<br />

Reise-Erlebnis von <strong>Karl</strong> <strong>May</strong>.<br />

1. Kapitel.<br />

Fat<strong>im</strong>a Marryah.<br />

[151] „Du bist verrückt, Effendi, zehnmal verrückt, hundertmal verrückt, also ganz und gar<br />

verrückt, und niemand kann Dich heilen, wenn Du bei De<strong>in</strong>em Vorsatze bleibst. Willst Du me<strong>in</strong><br />

Weib zur Witwe und me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der zu Waisen machen? Sollen auch De<strong>in</strong>e Weiber und K<strong>in</strong>der <strong>in</strong><br />

den Fluten der Thränen ersticken und <strong>in</strong> den Wassern der Trübsal ersaufen? Wenn Du darauf<br />

bestehst, diesem Flusse des Unglücks noch weiter zu folgen, so werden wir <strong>in</strong> kurzer Zeit <strong>in</strong><br />

den Magen der Geier, Schakale und Hyänen begraben se<strong>in</strong>!“<br />

„Ich habe weder Frauen noch K<strong>in</strong>der,“ antwortete ist dem Sprecher. „Um mich würde also<br />

niemand trauern.“<br />

„Allahi, Wallahi, Tallahi! Wenn Dich niemand bewe<strong>in</strong>t, so ist das doch noch ke<strong>in</strong> Grund,<br />

me<strong>in</strong>e abgeschiedene Seele bewe<strong>in</strong>en zu lassen! Du weißt, ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> kühner Mann; aber zu<br />

diesen Kurden zu gehen, das heißt geradezu sich <strong>in</strong> den Rachen des sichern Todes stürzen!“<br />

„So bleib zurück, Feigl<strong>in</strong>g!“ rief me<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er, lieber Hadschi Halef Omar <strong>in</strong> zornigem Tone.<br />

„Du bist e<strong>in</strong> Sohn der Angst und e<strong>in</strong> Enkel der Verzagtheit. Du nennst Dich kühn, aber De<strong>in</strong><br />

Herz wackelt Dir vor Furcht <strong>im</strong> Leibe, wenn wir Miene machen, e<strong>in</strong>en Schritt vom breiten Wege<br />

abzuweichen. Du bist uns mitgegeben, uns zu schützen, und klapperst vor Entsetzen, wenn Du<br />

e<strong>in</strong>e fremde Fl<strong>in</strong>te erblickst. Schäme Dich! Komm Sihdi; wir wollen weiter reiten und diesen<br />

Großvater der Furchtsamkeit hier stehen lassen!“<br />

Hadschi Halef Omar? So werden diejenigen Leser des Marienkalenders fragen, welche<br />

Abonnenten des „Deutschen Hausschatzes“ Jahrgang VII waren und dort me<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en,<br />

wackern Reisegefährten kennen gelernt und, wie mir zahlreiche Anfragen und Zuschriften<br />

bewiesen, herzlich liebgewonnen haben. Ja, er war es; wir befanden uns wieder beisammen,<br />

und das war so gekommen:<br />

Er war nach unserm „Letzten Ritte“ nach Konstant<strong>in</strong>opel gegangen, um dort, wie er sich<br />

ausdrückte, <strong>im</strong> Schatten der Dankbarkeit zu leben. Se<strong>in</strong> Weib Hanneh, die „Lieblichste unter<br />

den Töchtern“, war dort zu ihm gekommen. Dennoch hatte er es <strong>in</strong> der großen Stadt nicht<br />

ausgehalten, sondern war mit se<strong>in</strong>em Frauchen zu deren Angehörigen nach Arabien [152]<br />

zurückgekehrt. Daran trug Rih, der echte Araberhengst, den ich ihm geschenkt hatte, wohl die<br />

meiste Schuld. Das herrliche Pferd verkümmerte <strong>in</strong> der Stadt; es gehörte <strong>in</strong> die Wüste, und – –<br />

– nun, so brachte er es eben h<strong>in</strong>. Das schrieb er mir. Als ich dann später wieder e<strong>in</strong>mal nach<br />

Kairo kam, trieb mich die Sehnsucht, ihn aufzusuchen. Ich fuhr von Suez aus nach Bureikah<br />

und legte den Landweg dann per Kameel zurück, um ihn als den glücklichsten der Ehemänner<br />

und Nomaden wiederzusehen. Se<strong>in</strong>e Freude war geradezu unbeschreiblich. Wir sprachen<br />

natürlich viel von unsern Erlebnissen und bekamen da bald Lust, e<strong>in</strong>ige Schauplätze derselben<br />

aufzusuchen. Er hatte Zeit, ich ebenso, also wurde gesattelt. Rih hatte mich, als er mich sah,<br />

sofort wiedererkannt; ich mußte ihn besteigen, denn Halef betrachtete ihn, wenigstens für die<br />

Zeit dieses Rittes, wieder als me<strong>in</strong> Eigentum und nahm e<strong>in</strong> anderes Pferd. Wir g<strong>in</strong>gen nach<br />

dem S<strong>in</strong>dschar, dann nach Mossul, besuchten die Haddedihn-Araber, deren Scheik mir den<br />

Rapphengst geschenkt hatte, und kamen dann nach Kerkuk, wo wir die Gäste des Mutessarif<br />

waren, welcher uns bei unserer Abreise e<strong>in</strong>en Khawassen aufnötigte. Ich hatte zwar ke<strong>in</strong>e<br />

Lust, mich mit e<strong>in</strong>em solchen mir ganz unnützen „Beschützer“ zu befassen, denn ich reise<br />

nicht so wie andere und wußte voraus, daß ich die Aufgabe haben würde, der Beschützer<br />

unsers Beschützers zu se<strong>in</strong>; aber der Mutessarif erklärte, daß ich ohne e<strong>in</strong>en Khawassen bei<br />

den Kurden verloren sei, und drängte mich so lange, bis ich Ja sagte, nur um nicht undankbar<br />

zu ersche<strong>in</strong>en.<br />

Was ich vorausgesehen hatte, trat e<strong>in</strong>: Kasem, so hieß der Khawaß, entpuppte sich als e<strong>in</strong><br />

furchtsamer Mensch, der dazu des Kurdischen nicht e<strong>in</strong>mal genügend mächtig war. Wären mir<br />

nicht die Saza- und Kurmangdschidialekte geläufig gewesen, so hätten wir auf unsern weitern<br />

Ritt verzichten müssen. Glücklicherweise besaß er e<strong>in</strong>e Eigenschaft, welche mich mit dem<br />

erwähnten Fehler aussöhnte: er hatte e<strong>in</strong> gutes Herz und nahm die Vorwürfe, mit denen ihn<br />

me<strong>in</strong> Hadschi, welcher die Feigheit haßte, zuweilen überschüttete, so ruhig lächelnd h<strong>in</strong>, als ob

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