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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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„Sollte das unser Mann se<strong>in</strong>?“ fragte Turnerstick. „Ich habe diese Brigg gestern betrachtet;<br />

sie hat zwei Namen, nämlich e<strong>in</strong>en französischen, „Le vent“, und e<strong>in</strong>en, den ich wegen der<br />

fremden Schrift nicht lesen konnte. Morgen früh wollen wir uns e<strong>in</strong>mal genauer unterrichten.“<br />

[167] Aber am andern Morgen war die Brigg <strong>in</strong> See gegangen. Wir erkundigten uns und<br />

erfuhren, daß sie e<strong>in</strong> tunesisches Schiff sei. Die fremde Schrift hatte arabisch „El Hawa“<br />

gelautet, was ganz dasselbe wie das französische „Le vent“, nämlich „der W<strong>in</strong>d“ bedeutet. – –<br />

–<br />

Zweites Kapitel.<br />

Goldene See! Ke<strong>in</strong> anderer Teil des Weltmeeres verdient diese Bezeichnung <strong>in</strong> dem Grade<br />

wie das mittelländische – wenn es nicht, vom Sturme aufgewühlt, se<strong>in</strong>e Wogenkämme auf die<br />

nahen Küsten schleudert. Steht die König<strong>in</strong> des Tages hoch am H<strong>im</strong>mel, so liegt die Flut wie<br />

re<strong>in</strong>es H<strong>im</strong>melblau vor, h<strong>in</strong>ter und neben dem Kiele und ist doch so durchsichtig, daß man bei<br />

e<strong>in</strong>em vorüber segelnden Schiffe die neue Kupferung emporleuchten sieht. Wenn dann die<br />

Sonne sich senkt, so nehmen die Wasser <strong>im</strong>mer hellere, goldenere Töne an, bis bei<br />

Sonnenuntergang mächtige mit purpurnen Lichtern vermischte Strahlenbündel, so weit das<br />

trunkene Auge reicht, über die leicht gekräuselten Wellen schießen. Dazu ist die Luft so re<strong>in</strong>,<br />

so mild und erfrischend, daß die Lunge tiefer atmet und die Brust des Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

seltenen Wohlgefühle schwillt.<br />

Das hatte ich früher beobachtet und beobachtete es auch jetzt wieder. Ich saß unter dem<br />

Deckzelte und verzichtete stundenlang auf die anderorts unvermeidliche Cigarre, nur um die<br />

herrliche Seeluft re<strong>in</strong> und unvermischt zu atmen.<br />

Nicht so guter Laune war der Kapitän. Er kümmerte sich nicht um das Wohlgefühl e<strong>in</strong>er<br />

Landratte, wie ich war, sondern er g<strong>in</strong>g mit zusammengezogenen Brauen auf und ab,<br />

betrachtete bald die See und bald den H<strong>im</strong>mel und murmelte halblaute Worte vor sich h<strong>in</strong>. Der<br />

Mann am Steuer machte e<strong>in</strong> ebenso griesgrämliches Gesicht, und die Deckhands lagen hier<br />

und dort gähnend auf den Planken, schoben ihre Priemchen aus e<strong>in</strong>er Backe <strong>in</strong> die andere und<br />

warfen e<strong>in</strong>ander gelangweilte oder gar bedenkliche Blicke zu.<br />

„Was gibt es denn? Was ist los, Kapt’n?“ fragte ich Turnerstick. „Ihr kaut an e<strong>in</strong>er Sache,<br />

welche Euch nicht schmeckt.“<br />

„Was los ist?“ antwortete er, <strong>in</strong>dem er zu mir unter das Zelt trat. „Nichts ist los, leider,<br />

leider; aber es kann leicht etwas losgehen.“<br />

„Was denn? Etwa e<strong>in</strong> Sturm? Es sche<strong>in</strong>t ja alles ganz vortrefflich und gut zu se<strong>in</strong>.“<br />

„Es sche<strong>in</strong>t, ja, das ist richtig; aber es sche<strong>in</strong>t auch nur. E<strong>in</strong> ewig lächelndes Gesicht ist e<strong>in</strong><br />

falsches, e<strong>in</strong> he<strong>im</strong>tückisches Gesicht. So ists auch mit dieser alten See. Wenn die Matrone nur<br />

<strong>im</strong>mer lacht und lacht, so kann man darauf schwören, [168] daß sie ganz plötzlich tüchtig zu<br />

keifen beg<strong>in</strong>nt. Als wir Frankreich h<strong>in</strong>ter uns ließen, hatten wir Nordwest; gut, das ist e<strong>in</strong><br />

schöner W<strong>in</strong>d, um von Marseille aus <strong>in</strong> See zu gehen. Aber Nordwest und stets Nordwest, das<br />

ist hier, wo die W<strong>in</strong>de häufig wechseln, bedenklich.“<br />

„Aber es ist ja grad der W<strong>in</strong>d, den wir für unsern Kurs brauchen!“<br />

„Sehr richtig! Wir machen e<strong>in</strong>e ausgezeichnete Fahrt und könnten fast mit e<strong>in</strong>em Steamer<br />

um die Wette gehen; jedoch mir wäre es weit lieber, wenn dieser W<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wenig schraalen<br />

wollte. Das ists, was mir und me<strong>in</strong>en Jungens die Laune verdirbt. Dazu kommt die Geschichte<br />

mit diesem verteufelten Muselmanne. Ich werde den Gedanken nicht los, daß ich se<strong>in</strong> Mörder<br />

b<strong>in</strong>.“<br />

„Auch ich mache mir Vorwürfe. Wie schon gesagt, wir hätten ihn nicht rammen, sondern an<br />

das Land treiben sollen.“<br />

„Besser wäre das gewesen, viel besser. Nun haben wir zwar se<strong>in</strong>en geretteten Burnus an<br />

Bord, ihn aber frassen wahrsche<strong>in</strong>lich die Fische. Ich gäbe e<strong>in</strong>en F<strong>in</strong>ger, oder auch zwei,<br />

me<strong>in</strong>er Hand darum, wenn diese Geschichte nicht geschehen wäre. Sogar des Nachts <strong>im</strong><br />

Träume ersche<strong>in</strong>t mir dieser Mensch, nur um mich um me<strong>in</strong> gutes Gewissen zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Vielleicht wird es am Lande anders; an Bord ists so e<strong>in</strong>sam.“<br />

„Wann denkt Ihr, daß wir Tunis erreichen?“<br />

„Morgen Abend, wenn der W<strong>in</strong>d so stehen bleibt. Wollen hoffen, daß er uns nicht betrügt.“<br />

Er verließ das Zelt, schritt wieder e<strong>in</strong>ige Male h<strong>in</strong> und her und blieb dann stehen, um den<br />

Horizont zum tausendsten Male zu mustern. Dabei gab er se<strong>in</strong>em Kopfe plötzlich e<strong>in</strong>en Ruck <strong>in</strong><br />

die Höhe, hielt die Hand über die Augen, sah scharf nach Westen und sagte dann zu mir:<br />

„Da haben wir es! Ich werde wohl Recht bekommen. Da h<strong>in</strong>ten braut sich etwas zusammen,<br />

was uns ke<strong>in</strong>en Spaß machen wird.“

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