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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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Regensburger Marienkalender / 1898<br />

Scheba et Thar.<br />

Reiseerzählung von Dr. <strong>Karl</strong> <strong>May</strong>.<br />

[153/154] Es ist geradezu rührend, die hunderte und aberhunderte von Zuschriften zu<br />

lesen, <strong>in</strong> denen ich nach me<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en, wackeren Hadschi Halef Omar gefragt werde,<br />

welcher sich die Sympathie me<strong>in</strong>er lieben Leser<strong>in</strong>nen und Leser <strong>in</strong> so hohem Grade erworben<br />

hat. Alle wollen wissen, ob er noch lebt, und wie es ihm ergeht. Da es mir vollständig<br />

unmöglich ist, jeden dieser Briefe zu beantworten, mag die folgende Erzählung als<br />

Gesamtauskunft betrachtet werden.<br />

Man wird <strong>in</strong> Band VI me<strong>in</strong>er gesammelten Reiseer<strong>in</strong>nerungen gelesen haben, daß ich be<strong>im</strong><br />

Abschiede von ihm und se<strong>in</strong>em Sohne zu letzterem sagte: »Bleibe fromm und brav und werde<br />

e<strong>in</strong> Mann wie De<strong>in</strong> Vater! Vielleicht sehen wir uns wieder. Und solltest Du e<strong>in</strong>mal h<strong>in</strong>auf nach<br />

Kurdistan kommen, so steig auf die Felsenhöhe und grüß me<strong>in</strong>en Rih von mir!« Wir haben uns<br />

wiedergesehen, denn die Liebe zu ihnen und den Haddedihn trieb mich, trotz aller Umwege<br />

ihre Weideplätze aufzusuchen, und heut, wo ich dieses schreibe, darf ich schon verraten, daß<br />

ich nach Verlauf e<strong>in</strong>iger Monate abermals nach der Dschesireh reisen werde, um diese guten<br />

Menschen aufzusuchen.<br />

Hadschi Halef Omar wurde, wie ich es vorausgesagt hatte, nach dem Tode Maleks, des<br />

Großvaters se<strong>in</strong>er Hanneh, oberster Scheik der Haddedihn und ist es heute noch. Die Kabila 1<br />

der Haddedihn gehört zum Scha'b 2 der Schammar, und darum hielt es Halef nach se<strong>in</strong>er<br />

Erwählung für angezeigt, den Dschebel Schammar und Hâil, den Hauptort dieser Landschaft,<br />

aufzusuchen, um die lange Zeit unterbrochene Verb<strong>in</strong>dung mit den Stammesgenossen wieder<br />

anzuknüpfen. Der kle<strong>in</strong>e Hadschi war nicht nur e<strong>in</strong> tüchtiger Krieger, sondern auch e<strong>in</strong> kluger<br />

Diplomat und als solcher überzeugt, daß diese neue Verb<strong>in</strong>dung se<strong>in</strong>en Haddedihn Nutzen<br />

br<strong>in</strong>gen und e<strong>in</strong> bedeutendes Übergewicht über die umwohnenden Stämme, denen man nie<br />

recht trauen konnte, geben werde. Nach den Gepflogenheiten der Bedu<strong>in</strong>en und aus noch<br />

andern Gründen hätte er diese Reise eigentlich mit e<strong>in</strong>er großen, möglichst glänzenden<br />

Reiterschar unternehmen sollen, denn es galt am Dschebel Schammar zu <strong>im</strong>ponieren; da<br />

erfolgte me<strong>in</strong> unerwarteter Besuch bei den Haddedihn, durch den er sich veranlaßt sah, diesen<br />

Vorsatz aufzugeben. Er teilte mir gleich nach der ersten, freudigen Begrüßung mit, daß er nach<br />

Hâil wolle, und fragte mich, ob ich nicht gewillt sei, den Ritt mitzumachen. Auf me<strong>in</strong>e<br />

zust<strong>im</strong>mende Antwort erkundigte er sich:<br />

»Me<strong>in</strong> geliebter Sihdi 3 , Du bist stets der Ansicht gewesen, daß viele Begleiter nur h<strong>in</strong>derlich<br />

seien. Ist dies de<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung auch noch jetzt?«<br />

»Ja, warum willst Du das wissen?«<br />

»Weil ich mir vorgenommen hatte, diese Reise mit vielleicht hundert Kriegern zu<br />

unternehmen, weil dies mehr E<strong>in</strong>druck macht, als wenn ich mit nur wenig Leuten komme. Nun<br />

Du aber hier e<strong>in</strong>getroffen bist, denke ich mit Stolz an unsere gefährlichen Wanderungen und<br />

an die vielen Thaten, welche wir ohne alle fremde Hilfe ausgeführt haben. Dem Ruhme,<br />

welchen wir davontrugen, habe ich es zu verdanken, daß ich Scheik der Haddedihn geworden<br />

b<strong>in</strong>. Leider habe ich diesem Ruhme nichts h<strong>in</strong>zuzufügen vermocht, weil die letzten Jahre fast<br />

vollständig thatenlos vergangen s<strong>in</strong>d. Sollen me<strong>in</strong>e Glieder e<strong>in</strong>rosten und me<strong>in</strong> Mut e<strong>in</strong>er alten<br />

Kl<strong>in</strong>ge gleichen, die man nicht mehr aus der Scheide br<strong>in</strong>gt? Du kennst doch De<strong>in</strong>en treuen<br />

Halef und weißt, daß die Gefahr mir so notwendig ist wie dem Fische die Flut des Wassers.<br />

Me<strong>in</strong>e Seele erstickt <strong>in</strong> dieser Unthätigkeit, und me<strong>in</strong> Geist gleicht e<strong>in</strong>em Adler, den Allah <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Schnecke verwandelt hat. Und was soll aus me<strong>in</strong>em Sohne Kara Ben Halef werden, wenn<br />

er ke<strong>in</strong>e Gelegenheit bekommt, se<strong>in</strong>e Gewandtheit zu bethätigen und se<strong>in</strong>e Kühnheit zu<br />

beweisen? Er wird e<strong>in</strong> unnützer Mensch, der nichts vermag, als Lagna 4 zu tr<strong>in</strong>ken und dann<br />

1 Abteilung.<br />

2 Volk.<br />

3 Herr.<br />

4 Dattelsaft.<br />

I.

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