im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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Fesseln unter me<strong>in</strong>em scharfen Messer fielen. „Schmerzhafte Mutter hat me<strong>in</strong> Sohn Dich<br />
genannt; ich trete ihn Dir ab zu De<strong>in</strong>em Dienste!“<br />
„O Salib Isa,“ rief ihr Mann, „Du bist wirklich mächtiger als der Halbmond des Propheten!<br />
Weib, ich kenne De<strong>in</strong>e schmerzhafte Mutter noch nicht so wie Du, aber ich werde sie von heute<br />
an verehren!“<br />
Beide waren frei. E<strong>in</strong> Schnitt nach oben machte auch die Füße des Sohnes frei. Das Messer<br />
zwischen die Zähne nehmend, kletterte ich h<strong>in</strong>ter ihm am Stamme der Pistazie empor und auf<br />
den l<strong>in</strong>ken Arm des Querbalkens h<strong>in</strong>über. Da kam Halef durch das Loch gekrochen und<br />
herbeigerannt.<br />
„Schnell herauf und auf den andern Arm des Kreuzes!“ forderte ich ihn auf. „Wir müssen<br />
Husse<strong>in</strong> Isa zugleich losschneiden, sonst bricht er sicher den e<strong>in</strong>en Arm. Se<strong>in</strong> Vater ist stark<br />
genug, ihn aufzufangen.“<br />
Der kle<strong>in</strong>e, brave Hadschi kam wie e<strong>in</strong> Eichkätzchen herauf; Yussuf Ali stand mit<br />
ausgebreiteten Armen unten. E<strong>in</strong> Schnitt hüben und e<strong>in</strong>er drüben – Isa fiel <strong>in</strong> die Arme se<strong>in</strong>es<br />
Vaters, der ihn an se<strong>in</strong>e mächtige Brust drückte und laut aufjubelte. Die Mutter schlang die<br />
Arme um beide und jubelte mit. Da sah ich, daß wir bemerkt wurden. Mehrere Mahmalli ließen<br />
alles <strong>im</strong> Stich und kamen herbeigerannt; andere folgten. Ich sprang h<strong>in</strong>ab, Halef ebenso, und<br />
hob den Stutzen auf, den ich vorh<strong>in</strong> unten weggelegt hatte.<br />
„Schnell alle fort, <strong>in</strong> den dunkeln Wald und h<strong>in</strong>über <strong>in</strong> unser Lager!“ gebot ich. „Sorgt Euch<br />
nicht um mich; ich decke den Rückzug. Mit geschieht nichts.“<br />
Sie gehorchten. Husse<strong>in</strong> Isa konnte nicht gehen; er mußte von se<strong>in</strong>em Vater getragen<br />
werden. Aufzupassen, wie er h<strong>in</strong>ausgebracht wurde, das war mir unmöglich, denn die Mahmalli<br />
waren nahe. Glücklicherweise hatten sie ke<strong>in</strong>e Gewehre bei sich. Ich legte auf sie an und gebot<br />
ihnen Halt; als sie dennoch vorwärts rannten, gab ich drei Schüsse auf drei Be<strong>in</strong>e ab.<br />
Erschießen wollte ich ke<strong>in</strong>en. Die Getroffenen stürzten nieder; die andern blieben stehen; alle<br />
brüllten vor Wut. Daß sie halten blieben, war mir lieb, denn da ich auf dem rechten Auge nicht<br />
sehen konnte, mußte ich l<strong>in</strong>ker Hand schießen, worauf ich doch nicht genügend e<strong>in</strong>geübt war.<br />
Dann zog ich mich durch das Loch zurück, ohne daß sie zu folgen wagten.<br />
Jetzt brannten schon zwei ganze Seiten der E<strong>in</strong>fassung lichterloh. Der Wald war, so weit der<br />
Feuersche<strong>in</strong> reichte, und das war e<strong>in</strong>e bedeutende Strecke, fast tageshell erleuchtet. Da ich die<br />
Fe<strong>in</strong>de jetzt nicht mehr zu fürchten hatte, machte ich ke<strong>in</strong>en großen Umweg, sondern lief<br />
möglichst geraden Wegs nach dem Flusse h<strong>in</strong>ab und drüben, wo es noch heller als <strong>im</strong> Thale<br />
war, wieder h<strong>in</strong>auf. Ich kam eben recht, auf Halef und die drei Geretteten zu stoßen, als sie<br />
den E<strong>in</strong>gang zum Lager passierten.<br />
Die Mir Yussufi standen und starrten das Feuer an, welches sie sich nicht zu erklären<br />
vermochten. Yussuf Ali g<strong>in</strong>g, se<strong>in</strong>en Sohn auf den Armen, durch sie h<strong>in</strong>durch, ohne ihre Fragen<br />
zu beachten. Halef hatte ihm erzählt, daß sie an der Rettung nicht hatten teilnehmen wollen.<br />
Ich folgte ihm mit se<strong>in</strong>em Weibe. Hadschi Halef aber konnte es doch nicht übers Herz br<strong>in</strong>gen;<br />
er blieb stehen, um ihnen zu erzählen, was geschehen war.<br />
Wir andern suchten Yussuf Alis Hütte auf, wo sofort zwei Öllampen abgebrannt wurden,<br />
damit ich den Zustand se<strong>in</strong>es Sohnes untersuchen könne. Er hatte glücklicherweise nicht lange<br />
am Kreuz gehangen, und se<strong>in</strong>e Muskeln und Sehnen waren fest. Er hatte große Schmerzen<br />
und fühlte sich wie zerschmettert, e<strong>in</strong>e wirklich gefährliche Verletzung aber war nicht zu<br />
ersehen.<br />
[177] Was mich betrifft, so erschrak ich über mich selbst, als ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gefäß mit Wasser<br />
blickte, welches mir als Spiegel diente. Auge und Nase bildeten e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen, blauroten<br />
Höhenzug <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Gesichte, doch zweifelte ich nicht, daß beide durch fleißige kalte<br />
Umschläge und Ruhe bald wieder herzustellen seien. Yussuf Ali hatte sich bei mir noch gar<br />
nicht entschuldigt; jetzt aber bat er mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise um Verzeihung, daß ich ihm nach<br />
se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>nern Umkehrung den Sauhieb doppelt gern vergab. Die Eltern flossen von Dankbarkeit<br />
gegen mich über, der Sohn ebenso, doch <strong>in</strong> ruhigerer Weise, da er zu matt war, um viel<br />
sprechen zu können.<br />
Als Halef kam, g<strong>in</strong>g Fat<strong>im</strong>a Marryah h<strong>in</strong>aus, um das Feuer neu zu entfachen und den<br />
Hammel vollends gar zu braten. Das so unglücklich unterbrochene Abendessen sollte nun zu<br />
e<strong>in</strong>er Festmahlzeit werden, die wir <strong>im</strong> Hause e<strong>in</strong>nahmen, denn wir schmollten mit den Mir<br />
Yussufi und ließen ke<strong>in</strong>en here<strong>in</strong>.<br />
Nach dem Essen mußte Husse<strong>in</strong> Isa schlafen; wir andern aber blieben noch lange wach, um<br />
das Erlebte tüchtig zu besprechen. Als dieser Stoff bis aufs e<strong>in</strong>zelnste behandelt war, mußte<br />
ich von der heiligsten Familie erzählen, von Yussuf, dem Z<strong>im</strong>mermanne, von Marryah, der