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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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gehen müsse, um der Feierlichkeit des Empfanges der e<strong>in</strong>zelnen Pilgerzüge und der<br />

E<strong>in</strong>weihung der heiligen Fahne beizuwohnen.<br />

Die Fahne war natürlich nicht die berühmte Fahne, welche alljährlich auf e<strong>in</strong>em weißen<br />

Kameele nach Mekka geschafft wird, dennoch gelüstete es mich, der E<strong>in</strong>ladung Folge zu<br />

leisten; ich sagte also zu.<br />

Zunächst wurde ich, allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> höchst eiliger Weise, mit dem Besten bewirtet, was das<br />

Haus bot, Milch und e<strong>in</strong>ige Früchte. Dabei behandelte mich der Abdal mit aller Freundlichkeit,<br />

die e<strong>in</strong>em solchen Menschenfe<strong>in</strong>de möglich war; das heißt mit fast gar ke<strong>in</strong>er. Er hatte se<strong>in</strong>e<br />

Freude nur e<strong>in</strong>en Augenblick lang sehen lassen; jetzt war er wieder zugeknöpft. E<strong>in</strong>e<br />

eigentliche Unterhaltung gab es nicht, und nun gar von se<strong>in</strong>em Sohne anfangen, das durfte ich<br />

erst recht nicht wagen. Noch nicht halb gesättigt, mußte ich mit ihm fort, nach der Stadt,<br />

e<strong>in</strong>em schmutzigen Neste, <strong>in</strong> welchem es eigentlich mehr Schutt und Trümmer als Ste<strong>in</strong>e und<br />

mehr geistig betrunkene Muhammedaner als Menschen gab.<br />

Der Empfang der nache<strong>in</strong>ander ankommenden und meist nur durchziehenden Pilgerhaufen<br />

bestand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em heiseren Allah-Gebrüll, und über die E<strong>in</strong>weihung der „heiligen“ Fahne will ich<br />

lieber gar nichts sagen. Diese Menschen waren eben be<strong>in</strong>ahe toll vor religiöser Begeisterung;<br />

sie schrieen wie die Tiger, verwundeten sich, um dem Propheten ihr Blut zu weihen, und<br />

erg<strong>in</strong>gen sich <strong>in</strong> ähnlichen andern Verrücktheiten, bei denen ich förmlichen Ekel empfand. Ich<br />

war darum froh, als der Abdal mich nach here<strong>in</strong>gebrochener Dunkelheit aufforderte, mit ihm<br />

nach Hause zu gehen, um das Abendbrot e<strong>in</strong>zunehmen. Ob ich me<strong>in</strong>en Zweck <strong>in</strong> Beziehung auf<br />

se<strong>in</strong>en Sohn bei ihm erreichen würde, war mir mehr als zweifelhaft geworden. Ganz<br />

abgerechnet, daß er überhaupt e<strong>in</strong> hartes Herz besaß, war er e<strong>in</strong> so verknöcherter Islamit, daß<br />

an e<strong>in</strong>e Verzeihung voraussichtlich nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen zu denken<br />

war. Dennoch war ich fest entschlossen, nach dem Abendessen oder auch schon während<br />

desselben me<strong>in</strong> Glück zu versuchen, die Angelegenheit sollte sich aber noch vor demselben<br />

entscheiden.<br />

Als wir durch das Thor traten, mußten die Hunde wieder von mir abgehalten werden. Der<br />

Mond war <strong>im</strong> Aufgehen, uns so sah ich me<strong>in</strong> Pferd, welches sich <strong>im</strong> Grase unter den Bäumen<br />

gütlich that. Das Sattel- und Zaumzeug h<strong>in</strong>g an e<strong>in</strong>em Pflocke an der Hauswand. Der Mir Alai<br />

führte mich <strong>in</strong> dasselbe Z<strong>im</strong>mer, <strong>in</strong> welchem ich schon gewesen war, und entfernte sich dann,<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich, um bei se<strong>in</strong>em Weibe nachzusehen, ob das Essen bereit stehe. Er war kaum<br />

von mir fort, so erhob sich auf der Seite, nach welcher er gegangen war, e<strong>in</strong> wütendes<br />

Geschrei. Ich erkannte se<strong>in</strong>e St<strong>im</strong>me; er brüllte wie e<strong>in</strong> Verrückter. Der Schwall se<strong>in</strong>er Worte<br />

blieb mir unverständlich; deutlich aber hörte ich nur <strong>im</strong>mer die Worte Sabbi, Verfluchter, und<br />

den oft wiederholten Fluch Allah partschalamah, was so viel wie „Gott zerschmettere dich!“<br />

bedeutet.<br />

Wie ich später hörte, hatte se<strong>in</strong> Sohn mit Ungeduld auf mich gewartet und diese Ungeduld,<br />

als es dunkel wurde, nicht länger bemeistern können. Er war herbeigekommen und hatte das<br />

Thor, dessen Mechanismus er kannte, geöffnet. Die Hunde brauchte er als Sohn des Hauses<br />

nicht zu fürchten. Er hatte se<strong>in</strong>en Vater und mich abwesend gefunden und war zu se<strong>in</strong>er<br />

Mutter gegangen, wo ihn der erstere jetzt ertappte, mit Fäusten auf ihn e<strong>in</strong>drang, ihn zu<br />

Boden warf und fluchend und brüllend auf ihn e<strong>in</strong>schlug. Die Mutter wollte dem Wütenden<br />

E<strong>in</strong>halt thun, wurde aber von ihm mit solcher Gewalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Ecke geworfen, daß sie dort<br />

w<strong>im</strong>mernd lieben blieb. Der Sohn rang sich <strong>in</strong> die Höhe, um den Vater von sich abzuhalten, er<br />

mußte sich natürlich gegen ihn wehren; das steigerte die Wut desselben <strong>in</strong> solchem Maße, daß<br />

er e<strong>in</strong> geladenes Gewehr von der Wand riß und auf ihn anlegte. Er hätte sicherlich geschossen;<br />

der Kysrakdar sah glücklicherweise e<strong>in</strong>, daß es unmöglich sei, mit e<strong>in</strong>em so wahnwitzig<br />

erregten Menschen gütlich zu verhandeln, und ergriff die Flucht. Um aus dem Hause zu<br />

kommen, mußte er durch die Stube, <strong>in</strong> welcher ich mich befand. Er kam zur e<strong>in</strong>en Seite<br />

here<strong>in</strong>gesprungen und wollte zur andern h<strong>in</strong>aus; da sah er mich und blieb stehen. Schon aber<br />

erschien se<strong>in</strong> Vater h<strong>in</strong>ter ihm, mit [153] dem Gewehr <strong>in</strong> der Hand und legte auf ihn an. Ich<br />

sprang h<strong>in</strong>zu, schlug den Lauf zur Seite; der Schuß krachte, und die Kugel g<strong>in</strong>g hart am Kopfe<br />

des Sohnes vorüber und fuhr <strong>in</strong> die Wand.<br />

„Was thust Du, Unglückseliger!“ rief ich ihm zu. „Du willst De<strong>in</strong>en eigenen Sohn ermorden?“<br />

„Schweig!“ donnerte er mich an. „Was h<strong>in</strong>derst Du mich, diesen Abtrünnigen zu züchtigen,<br />

diesen Hund, der von Allah abgefallen ist, diesen Verlorenen und Verfluchten, der nichts zu<br />

erwarten hat als nur die Hölle mit allen ihren Qualen!“<br />

„Er ist De<strong>in</strong> Sohn, und Du bist se<strong>in</strong> Erzeuger!“

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