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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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uns nach e<strong>in</strong>em Platze umschauten, welcher uns für die Nacht Schutz gegen den<br />

durchdr<strong>in</strong>genden kalten W<strong>in</strong>d gewährte. Wir ritten an e<strong>in</strong>er be<strong>in</strong>ahe senkrecht<br />

aufsteigenden Höhe h<strong>in</strong>’ da hielt ich, be<strong>in</strong>ahe erschrocken, me<strong>in</strong> Pferd an, denn über uns<br />

erklang der Ton e<strong>in</strong>es Glöckchens, und dann hörte ich von e<strong>in</strong>er wohltönenden St<strong>im</strong>me<br />

die fremdartigen aber deutlich und langsam gebeteten Worte:<br />

„Muchaycus cayki Maria Diospa gracianhuan huntascam canki. Apunchik Diosmi<br />

camhuan huarmicunamanta collananmi canki. Uicsaik<strong>im</strong>ante pacar<strong>im</strong>uk Jesu huahuaykiri<br />

collananrakmi. Oh Santa Maria virgen Dispa maman, ñocaycu huchasapa cunapak<br />

muchapuchuaycu cunan huañuyñiycu pachapipas. Amen!”<br />

Man denke, wie ich staunte! Das war die Sprache der Inkas, der altperuanischen<br />

Sonnensöhne, die Hofsprache e<strong>in</strong>es groß- und eigenartigen Kulturreiches, dessen Säulen<br />

längst <strong>in</strong> Trümmer liegen! Und was bedeuteten die Worte, welche ich hier absichtlich<br />

anführe, um e<strong>in</strong>e Probe dieser berühmten Inkasprache zu geben? Es war unser Ave<br />

Maria, unser englischer Gruß, ganz genau und wörtlich! Das Gebet wurde zwe<strong>im</strong>al<br />

wiederholt; der Beter mußte e<strong>in</strong> Christ, aber e<strong>in</strong> Abkömml<strong>in</strong>g der Sonnenk<strong>in</strong>der se<strong>in</strong>. Als<br />

das dritte Amen verklungen war, rief ich h<strong>in</strong>auf. Es verg<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Weile, bis als<br />

Antwort die Frage herunterschallte:<br />

„Wer ist da unten?“<br />

„E<strong>in</strong> guter Christ, e<strong>in</strong> Fremder aus Europa, der für das Abendläuten danken möchte.“<br />

„Alle<strong>in</strong>?“<br />

„Es s<strong>in</strong>d zwei [drei] Toba<strong>in</strong>dianer bei mir; wir s<strong>in</strong>d zu Pferde.“<br />

„Bleiben Sie da unten halten und warten Sie!“<br />

Die St<strong>im</strong>me, welche mir antwortete, war e<strong>in</strong>e andere als diejenige, welche vorher<br />

gebetet hatte. Es befanden sich also wenigstens zwei Menschen auf der Felsenhöhe. Wir<br />

stiegen ab und warteten. Nach vielleicht zehn M<strong>in</strong>uten kam e<strong>in</strong> Mann um die vor uns<br />

liegende Felsenecke. Er g<strong>in</strong>g barfuß und barhäuptig und trug e<strong>in</strong> langes, kaftanartiges<br />

Gewand, an dessen Leibschnur e<strong>in</strong> Rosenkranz h<strong>in</strong>g. Langes, schneeweißes Haar wallte<br />

ihm bis auf den Rücken herab. Er betrachtete uns, besonders mich mit scharfem,<br />

strengem Auge und fragte dann:<br />

„Sie s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Europäer, Sennor? Wie heißen Sie?“<br />

[156b] „Me<strong>in</strong> eigentlicher Name wird Ihnen wohl nichts nützen,“ antwortete ich. „Hier<br />

hat man mich den Rastreador genannt.“<br />

„Hala! So s<strong>in</strong>d Sie der Aleman, welcher auf der Pampa de Sal<strong>in</strong>as den Sendador<br />

besiegte und ihn von der Felsenwand zur Höhe holte?“<br />

„Ja.“<br />

„Dann willkommen, Sennor! Es darf niemand zu uns h<strong>in</strong>auf; Sie aber sollen <strong>in</strong> der<br />

Wohnung des Büßers <strong>in</strong> der Wildnis aufgenommen werden. Kommen Sie!“<br />

Er führte uns um die erwähnte Ecke. Dort war der Fels bis hoch empor geteilt; unten<br />

füllten diesen Riß Ste<strong>in</strong>trümmer an. Es war e<strong>in</strong> Kunststück, mit den Pferden darüber<br />

h<strong>in</strong>weg zu kommen. Der Alte half uns dabei. Es kam auch noch e<strong>in</strong> anderer Helfer, auch<br />

e<strong>in</strong> weißhaariger Greis, doch augensche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong> Indianer und nach der Weise der<br />

Cordilleros gekleidet.<br />

„Das ist me<strong>in</strong> Freund und Burder Ollco, dessen Gebet Sie hörten,“ sagte der erstere.<br />

„Als er noch unter die Leute g<strong>in</strong>g, wurde er der rote Gambus<strong>in</strong>o genannt.“<br />

Welch e<strong>in</strong> Zusammentreffen! Da konnte ich den Gambus<strong>in</strong>o warnen. H<strong>in</strong>ter dem Geröll<br />

verbreiterte sich der Riß zu e<strong>in</strong>em hofartigen Raume, <strong>in</strong> welchem zwei zahme Lamas<br />

waren. Große Haufen Punakräuter lagen da. Das gab Platz und Futter für unsere Pferde.<br />

Als wir dieselben abgezäumt und versorgt hatten, wurden wir nach dem h<strong>in</strong>tersten<br />

W<strong>in</strong>kel des hofartigen Raumes geführt. Dort g<strong>in</strong>g <strong>im</strong> Rücken des Felsens e<strong>in</strong> schmaler<br />

aber sicherer Pfad empor, welcher oben <strong>in</strong> e<strong>in</strong> höhlenartiges Loch mündete, groß genug,<br />

zwanzig Menschen aufzunehmen; daneben gab es e<strong>in</strong>e zweite, kle<strong>in</strong>ere Abteilung. Da, wo<br />

dieses Loch nach vorn mündete, wo wir unten am Felsen gehalten hatten, war e<strong>in</strong> hohes<br />

Kruzifix errichtet, und daneben h<strong>in</strong>g die kle<strong>in</strong>e Glocke, deren St<strong>im</strong>me wir gehört hatten.<br />

Der alte Inka g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> den Nebenraum, um dort für e<strong>in</strong> Lager für uns zu sorgen; der<br />

andere sagte:<br />

„Sennor, Sie müssen uns für heute entschuldigen. Ich habe zu büßen und zu beten,<br />

und es ist der größte, ernsteste Tag des Jahres heute; aber morgen b<strong>in</strong> ich ganz der<br />

Ihrige. Da dr<strong>in</strong> ist Ihr Schlafgemach, wo Sie auch essen werden.“

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