im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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Consuln ihre Verfügung treffen. Oder bist Du noch <strong>im</strong>mer so feig, zu leugnen, daß Du auf mich<br />
geschossen hast?“<br />
Es war e<strong>in</strong> unbeschreiblich stolzes und hochmütiges Lächeln, welches über se<strong>in</strong> Gesicht glitt,<br />
als er antwortete:<br />
„Ich feig? Ihr Würmer! Ja, ich habe auf Dich geschossen und werde es wieder thun, sobald<br />
Du es wagest, mir zu begegnen. Nun behalte mich zurück! Ich sage Dir, ich brauche nur me<strong>in</strong>e<br />
St<strong>im</strong>me zu erheben, so s<strong>in</strong>d hundert Män- [173] ner [Männer] da, um mich mit Ehren von hier<br />
abzuholen. Noch weißt Du nicht, wer ich b<strong>in</strong>, und wehe Dir, wenn Du mich kennen lernst!“<br />
„Pah! Ich kenne Dich. Daß Du mir nicht De<strong>in</strong>en wahren Namen und Stand genannt hast, das<br />
habe ich sofort gewußt. Sei, wer Du willst, wir fürchten Dich nicht. Wenn wir Dich festhalten<br />
wollten, so würden De<strong>in</strong>e Hundert uns nicht h<strong>in</strong>dern können. Wir haben noch ganz andere<br />
Männer, als Du bist, vor uns gehabt und ihnen Achtung e<strong>in</strong>geflößt. Aber wir s<strong>in</strong>d Christen, und<br />
unser Glaube gebietet uns, selbst unsern Fe<strong>in</strong>den wohlzuthun. Darum wollen wir Dir den<br />
Mordanschlag verzeihen und Dich <strong>in</strong> Frieden ziehen lassen. Du kannst gehen!“<br />
„Ja, Ihr seid Christen,“ lachte er höhnisch, „Christen, welche erst dann für e<strong>in</strong>en Menschen<br />
beten, wenn er von dem Panther zerrissen worden ist. Eure Lehre ist lächerlich und Euer<br />
Glaube eitel. Eure Priester verkünden die Unwahrheit, und Ihr glaubt, was sie Euch sagen. Ich<br />
verachte Euch und werde Euch zertreten, wenn Ihr es wagt, mir wieder vor die Augen zu<br />
treten!“<br />
Den rechten Arm wie zum Schwure erhebend, g<strong>in</strong>g er mit dieser Drohung von Bord. – –<br />
Drittes Kapitel.<br />
Die Zeiten verändern sich und die Menschen und Völker mit ihnen. Die Wahrheit dieses<br />
Wortes erkennt man sofort, wenn man den Fuß auf die Erde Nordafrikas setzt. Noch ists nicht<br />
lange her, so zitterten die schifffahrenden Völker Europa’s vor den Raubfeluken der<br />
Barbareskenstaaten. Die Angehörigen civilisirter Nationen wurden ohne Erbarmen ausgeraubt<br />
und getötet oder <strong>in</strong> lebenslängliche Sklaverei geschleppt. Da gab es ke<strong>in</strong>e Hilfe, als nur<br />
diejenige des Loskaufes um sehr hohe Summen, um teures Geld. Da trotzte der Halbmond<br />
dem Kreuze, und der Bey oder Dey e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en Räuberländchens spottete der mächtigen<br />
Fürsten und Könige, welche Armeen aus der Erde stampften, um – – sich unter e<strong>in</strong>ander zu<br />
bekämpfen.<br />
Wie ganz anders heute, nach verhältnismäßig so kurzer Zeit! Marokko krankt an <strong>in</strong>nerer<br />
Verzehrung. Von Tripolis wird nicht e<strong>in</strong>mal gesprochen. Algerien wurde „ausgeräuchert“ und<br />
nun hat Frankreich se<strong>in</strong>e Hand auch auf Tunesien gelegt. Dort schreitet die französische<br />
Civilisation mit Riesenschritten vorwärts. Hat man doch sogar Eisenschienen gelegt, so daß der<br />
schrille Pfiff der Lokomotive den Muedd<strong>in</strong> unterbricht, wenn er vom hohen M<strong>in</strong>areh herab die<br />
Gläubigen zum Gebete ruft.<br />
Und doch ist Tunis <strong>im</strong>mer noch orientalischer als Algier und selbst Kairo. Das bemerkt man<br />
erst, wenn man <strong>in</strong> das Innere der Stadt gelangt. Vor der Stadt, am Hafen, wird [174] der<br />
Reisende zunächst von den Zollbeamten empfangen, welche nicht allzu strenge s<strong>in</strong>d, sondern<br />
be<strong>im</strong> Anblicke e<strong>in</strong>es oder e<strong>in</strong>iger Frankenstücke sich e<strong>in</strong>es menschlichen Rührens nicht zu<br />
erwehren vermögen. Der Europäer mag sich dann vor den Lastträgern, welche gern mit samt<br />
dem Gepäck echappieren, <strong>in</strong> acht nehmen und sich so schnell wie möglich nach dem Hôtel<br />
d’Orient oder Hôtel de France br<strong>in</strong>gen lassen, wo er zwar selten gutes Essen und re<strong>in</strong>e Wäsche,<br />
aber zu jeder Zeit gutwillige Aufklärung f<strong>in</strong>det, wenn er weiß, was – das Wort Bakschisch,<br />
Tr<strong>in</strong>kgeld, <strong>im</strong> Oriente zu bedeuten hat.<br />
Von der Stadt selbst läßt sich wenig sagen. Sie gleicht den anderen orientalischen Städten,<br />
ohne irgend welchen Vorzug vor ihnen zu haben. Der Moslem freilich hat e<strong>in</strong>e so gute Me<strong>in</strong>ung<br />
von ihr, daß er sie die Stadt der Glückseligkeit nennt. Dem pflichtet der Europäer bei, wenn er<br />
von dem Ölbaumhügel, Belvedère genannt, <strong>im</strong> Licht der s<strong>in</strong>kenden Sonne die schlanken<br />
M<strong>in</strong>arehs und platten Dächer, auf deren Weiße goldene T<strong>in</strong>ten fl<strong>im</strong>mern, liegen sieht. Doch<br />
wird er, wenn er das Innere der Stadt betritt, diese Me<strong>in</strong>ung sicher ändern. Die Gassen s<strong>in</strong>d<br />
krumm und eng; überall liegt Schutt, Geröll und übelriechender Schmutz. Oft treten die<br />
Häuserreihen so nahe an e<strong>in</strong>ander, daß man mit e<strong>in</strong>em kurzen Schritte von e<strong>in</strong>em Dache der<br />
diesseitigen Straßenseite auf e<strong>in</strong> Dach der jenseitigen gelangen kann. Baufällige Gebäude<br />
werden nicht repariert; man läßt sie zerfallen und baut, da es nicht an Platz gebricht, e<strong>in</strong><br />
neues Haus nebenan. So stehen Ru<strong>in</strong>en, wohlgepflegte Gebäude, <strong>im</strong>provisierte Zelte, ja<br />
Grabkapellen neben e<strong>in</strong>ander, die Geschichte und Entwicklung der Stadt von der ältesten bis<br />
auf die neueste Zeit vertretend. Kaiser <strong>Karl</strong> V. ließ nach dem Siege von Keleah e<strong>in</strong>e Zw<strong>in</strong>gburg