01.02.2013 Aufrufe

im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

auen, zu welcher die Bewohner die Quadern des karthagischen Aquäduktes abbrechen und<br />

herbeischaffen, auch aus den Marmorsäulen Karthago’s Kalk brennen mußten. Diese Burg liegt<br />

heute auch <strong>in</strong> Trümmern. Das e<strong>in</strong>zige erwähnenswerte Haus ist der Palast des Beys am<br />

Kasbahplatze, welcher aber nur sehr selten benutzt wird.<br />

Früher waren die Bewohner äußerst streng nach der Rasse und dem Glauben von e<strong>in</strong>ander<br />

gesondert. Dies ist jetzt nicht mehr der Fall, dennoch nehmen den untern Stadtteil und die<br />

Vorstädte vorzugsweise die Christen und Juden e<strong>in</strong>; der obere Teil wird von den sogenannten<br />

Kulugli, den Nachkommen der Türken, bewohnt, und <strong>in</strong> dem Mittelteile hausen die Mauren,<br />

welche meist Nachkommen der aus Spanien vertriebenen Moriskos s<strong>in</strong>d. Zu erwähnen wäre<br />

noch, daß des Abends bei Dunkelheit jedermann verpflichtet ist, e<strong>in</strong>e Laterne zu tragen.<br />

Der Bey wohnt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Schlosse Bardo, welches <strong>in</strong> westlicher Richtung e<strong>in</strong>e Stunde von<br />

der Stadt entfernt liegt. Um dorth<strong>in</strong> zu gelangen, passiert man e<strong>in</strong>en Bogen des <strong>im</strong>posanten<br />

Aquäduktes, welcher e<strong>in</strong>st Karthago mit Wasser versorgte. Dieser Bardo ist e<strong>in</strong>e<br />

Zusammenstellung von verschiedenen Gebäuden, <strong>in</strong> denen nicht nur der Bey residirt, sondern<br />

auch viele hohe Würdenträger, Beamte und Bedienstete wohnen.<br />

Was die Ru<strong>in</strong>enfelder von Karthago betrifft, so führt der Weg dorth<strong>in</strong> über das Schlachtfeld<br />

von Gama, auf welchem Scipio Africanus Hannibal besiegte. Die meisten Ru<strong>in</strong>en stammen aus<br />

späterer Zeit; als die wirklichen Überreste des alten Karthago hat man wohl nur jenes<br />

Wasserwerk, welches aus achtzehn großartigen Zisternen besteht, zu betrachten.<br />

Mit diesen Sehenswürdigkeiten ist der Fremde sehr bald fertig. Ich hielt es mit der<br />

Gegenwart; das Leben und Treiben der jetzigen Bevölkerung <strong>in</strong>teressierte mich mehr als das<br />

hier übrigens verbotene Suchen und Graben nach Altertümern. Darum trennte ich mich von<br />

Turnerstick, welcher geschäftlich sehr <strong>in</strong> Anspruch genommen war, und mietete mir e<strong>in</strong>e<br />

Wohnung <strong>in</strong> der Mittelstadt. Das Haus gehörte e<strong>in</strong>em Barbier und bestand aus e<strong>in</strong>er<br />

großartigen Reihe von zwei fe<strong>in</strong>en Salons, welche durch e<strong>in</strong>en die ganze Breite und Höhe des<br />

Gebäudes e<strong>in</strong>nehmenden Vorhang von e<strong>in</strong>ander getrennt waren. Dieser ganze Palast war acht<br />

Schritte lang und sechs Schritte breit; das Dach bestand nur aus Stroh, die Mauer aber aus<br />

Lehm und Stroh. Um die Thüre zu ersparen, hatte man auf der e<strong>in</strong>en Seite die Mauer lieber<br />

gleich ganz weggelassen. Der Vorhang war sehr pfiffig aus Papierstücken aller Sorten, Größen<br />

und Farben zusammengeklebt. Den Boden bildete die freundliche Mutter Erde. Da saß ich dann<br />

auf me<strong>in</strong>em Divan, d. h. auf me<strong>in</strong>em [175] Reisesacke, welcher das ganze Meublement<br />

bildete, <strong>in</strong> der Ecke und blickte durch e<strong>in</strong>s der vielen Vorhanglöcher h<strong>in</strong>über <strong>in</strong> den andern<br />

Salon, <strong>in</strong> welchem der alte Barbier se<strong>in</strong> Wesen trieb, nicht alle<strong>in</strong> etwa, sondern mit se<strong>in</strong>em<br />

Harem, e<strong>in</strong>er vielleicht siebzigjährigen Medusa, deren e<strong>in</strong>zige Beschäftigung <strong>im</strong> Braten von<br />

Zwiebeln zu bestehen schien. Se<strong>in</strong> Salon wurde niemals leer. Er hatte e<strong>in</strong>e sehr bedeutende<br />

Kundschaft, doch habe ich ke<strong>in</strong>en von ihnen allen bezahlen sehen. Es war e<strong>in</strong> wahres<br />

Gaudium, ihn bei der Ausführung se<strong>in</strong>er Kunst zu beobachten. Besonders ergriff und rührte<br />

mich die Treue, mit welcher er den von den Gesichtern und Schädeln gekratzten Seifenschaum<br />

sammelte, um mit ihm liebevoll wieder andere Schädel und Gesichter zu labsalben.<br />

Dieses me<strong>in</strong> Logis kostete pro Monat vier Franken, pro Woche also achtzig Pfennige, die ich<br />

pränumerando zu bezahlen hatte. Als ich dem Alten zwei Franken gab und dabei erklärte, daß<br />

ich nur e<strong>in</strong>e Woche bleiben könne, hielt er mich für e<strong>in</strong>en Pr<strong>in</strong>zen aus tausend und e<strong>in</strong>e Nacht<br />

und erbot sich, mich umsonst zu rasieren, worauf ich aber weislich verzichtete.<br />

Natürlich hatte ich mich hier nur e<strong>in</strong>gemietet, um täglich für e<strong>in</strong>e oder zwei Stunden das<br />

Treiben e<strong>in</strong>er tunesischen Barbierstube beobachten zu können; die übrige Zeit verbrachte ich<br />

mit Spaziergängen <strong>in</strong> der Umgegend oder durch die Stadt, und das Nachts schlief ich draußen<br />

auf dem Schiffe.<br />

E<strong>in</strong>e Begegnung mit dem fe<strong>in</strong>dseligen Moslem fand während der ersten fünf Tage nicht<br />

statt. Wenn er ja nach mir fahndete, so suchte er mich jedenfalls <strong>im</strong> Frankenviertel und nicht<br />

da, wo ich mich befand und bewegte. Am sechsten Tage aber sollte ich mit ihm auf e<strong>in</strong>e höchst<br />

unerwartete Weise zusammentreffen. Nämlich als ich am vorherigen Abende an Bord kam,<br />

teilte Turnerstick mir voller Freude mit:<br />

„Charley, ich habe heute Glück gehabt, e<strong>in</strong> großes Glück. Ich werde e<strong>in</strong>en Harem zu sehen<br />

bekommen.“<br />

„Pah! Den sehe ich alle Tage.“<br />

„Wo denn?“<br />

„Bei me<strong>in</strong>em Barbier.“<br />

„Redet ke<strong>in</strong>e Uns<strong>in</strong>n! Um diese Urgroßtante e<strong>in</strong>es Seifenschlägers beneide ich Euch nicht.<br />

Übrigens, da wir von Seife sprechen, ich habe die me<strong>in</strong>ige verkauft; auch die andern Waaren

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!