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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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Es war e<strong>in</strong> eigentümliches Gefühl, welches mich dabei beschlich. So wie mir, mußte es e<strong>in</strong>er<br />

Maus <strong>in</strong> der Falle zu Mute se<strong>in</strong>. Am liebsten wäre ich gleich wieder ungekehrt. Wie ich später<br />

hörte, war das Dorf von ungefähr dreihundert Seelen bewohnt, und alle, Männer, Frauen und<br />

K<strong>in</strong>der, kamen jetzt herbeigeeilt, um den seltenen Fang, den die Ihrigen gemacht hatten, <strong>in</strong><br />

Augensche<strong>in</strong> zu nehmen.<br />

„Das ist me<strong>in</strong> Hani 31 , [“] me<strong>in</strong>te der Nezanum, <strong>in</strong>dem er vom Pferde stieg. „Tretet mit mir<br />

e<strong>in</strong>!“<br />

„Sage mir zuvor, daß ich de<strong>in</strong> Mivan 32 b<strong>in</strong>!“<br />

„Habe ich dich nicht bereits me<strong>in</strong>en Freund genannt?“<br />

„Ist bei den Kurden von Zibar Gast und Freund dasselbe?“<br />

Er runzelte die Brauen.<br />

„Ich b<strong>in</strong> de<strong>in</strong> Freund, das ist genug. Trete e<strong>in</strong>!“<br />

Ich erkannte, daß ich mich allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Falle befand; aber was thun? Wir waren von<br />

zahlreichen Menschen umgeben, und selbst wenn wir uns mit unseren Waffen Raum verschafft<br />

hätten, so war das Verhau so hoch, daß es höchstens me<strong>in</strong>em Hengst gelungen wäre, darüber<br />

h<strong>in</strong>wegzusetzen; Halef und der Dscheside hätten zurückbleiben müssen. Und wenn wir e<strong>in</strong>en<br />

Kurden töteten, so hätten wir selbst <strong>im</strong> Falle e<strong>in</strong>es glücklichen Entkommens die ganze Meute<br />

h<strong>in</strong>ter uns behalten. Mit der Blutrache ist zwischen diesen wilden Bergen nicht zu scherzen.<br />

Gewalt war also nicht am Platze, aber Furcht zu zeigen, wäre e<strong>in</strong> ebenso großer Fehler<br />

gewesen.<br />

„Wohl dir, wenn sich de<strong>in</strong> Wort bewährt,“ antwortete ich. „Schreite voran!“<br />

Ich stieg ab und nahm me<strong>in</strong> Pferd be<strong>im</strong> Zügel. Me<strong>in</strong>e beiden Begleiter thaten dasselbe.<br />

„Die Pferde bleiben <strong>im</strong> Freien,“ me<strong>in</strong>te Scheri Schir. „Es ist <strong>im</strong> Hause ke<strong>in</strong> Platz für sie.“<br />

Ohne die Pferde wären wir hilflos gewesen. Ehe ich me<strong>in</strong>en Rappen verließ, hätte ich e<strong>in</strong><br />

Dutzend Kurden niedergeschossen.<br />

[350b] „Die Pferde bleiben bei uns,“ antwortete ich. „Vorwärts!“<br />

Ich schob ihn zur Seite und trat <strong>in</strong> das Haus, me<strong>in</strong> Tier h<strong>in</strong>ter mir herziehend. Halef und der<br />

Dscheside folgten mir. Das Erdgeschoß des Gebäudes glich so ziemlich e<strong>in</strong>er deutschen<br />

Scheune mit Tenne und Pansen. Es war <strong>in</strong> zwei gleich große Abteilungen geschieden, von<br />

denen die zur rechten Hand als Versammlungs- und Beratungsort, die zur L<strong>in</strong>ken aber als<br />

Wohnraum zu dienen schien. Kle<strong>in</strong>e, rechteckige Löcher vertraten die Fenster. E<strong>in</strong>e Art von Hof<br />

konnte es nicht geben, da ich weiter ke<strong>in</strong>e Thüre bemerkte. Die beiden Abteilungen waren<br />

durch e<strong>in</strong> dünnes Flechtwerk vone<strong>in</strong>ander getrennt. Im H<strong>in</strong>tergrunde führte e<strong>in</strong>e Art von Leiter<br />

nach dem niedrigen Dachraume. Ke<strong>in</strong> Zweifel, dieser Jilack war e<strong>in</strong>e echte, rechte Mausefalle.<br />

Here<strong>in</strong> waren wir; das übrige mußte abgewartet werden.<br />

Die erste Person, welche ich <strong>im</strong> Innern des Gebäudes erblickte, war e<strong>in</strong> junges Kurdenweib.<br />

Sie trug e<strong>in</strong>e türkische Hose, welche über den fe<strong>in</strong>en Knöcheln zugefältelt war und e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es,<br />

<strong>in</strong> Pantoffeln steckendes Füßchen sehen ließ. E<strong>in</strong>e blaue, gestickte Miederweste umschloß die<br />

Taille, und darüber fiel e<strong>in</strong> vorn offener Kaftan bis über das Knie herab. Das rabenschwarze<br />

Haar war <strong>in</strong> schwere Flechten geordnet, <strong>in</strong> denen Gold- und Silbermünzen glänzten. Die Frau<br />

war schön, sehr schön, am allerschönsten aber war das große, h<strong>im</strong>melblaue Auge, welches sie<br />

halb neugierig und halb besorgt auf mich richtete. Auf dem Arme trug sie e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es,<br />

allerliebstes Mädchen, welches dieselben blauen Augen wie die Mutter hatte. H<strong>in</strong>ter ihr erhob<br />

sich e<strong>in</strong> junger Kurde vom Boden. Die Aehnlichkeit sagte mir, daß er e<strong>in</strong> Sohn von Scheri Schir<br />

se<strong>in</strong> müsse. Er war der Mann des jungen, schönen Weibes.<br />

„Ni, vor’l ker – guten Tag!“ grüßte ich.<br />

Beide nickten schweigend als Antwort.<br />

„Sallam aaleikum!“ grüßte Halef arabisch. Das Kurdische war ihm nicht geläufig.<br />

„Aaleikum sallam!“ antwortete schnell die Frau.<br />

Halef machte e<strong>in</strong> freudig überraschtes Gesicht.<br />

„Wie? Du sprichst die Sprache des Kuran und der wahren Gläubigen?“ fragte er.<br />

„Ja,“ antwortete sie.<br />

„Hamdulillah, Preis sei Gott, denn nun [352a] brauche ich nicht stumm zu se<strong>in</strong>, wie die<br />

Pforte el Dschehennem!“<br />

„Wer bist du?“ erkundigte sie sich.<br />

„Wisse, du Rose dieses Thales, du Stern dieses Jilack, daß ich Hadschi Halef Omar Ben<br />

Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah, der Begleiter und Beschützer dieses<br />

31 Haus.<br />

32 Gast.

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