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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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„Du wirst mich nicht verachten, wenn Du siehst, was ich Dir verkaufen kann. Warte nur<br />

e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Augenblick!“<br />

Er stand auf, g<strong>in</strong>g zum Packpferde und kam mit e<strong>in</strong>em Kistchen zurück, welches er öffnete,<br />

<strong>in</strong>dem er sich wieder niedersetzte. Es enthielt viele w<strong>in</strong>zig kle<strong>in</strong>e Fläschchen; er hielt mir e<strong>in</strong>es<br />

h<strong>in</strong> und forderte mich auf:<br />

„Betrachte dieses Fläschchen und errate, was es enthält! Du wirst bereit se<strong>in</strong>, mir Geld, sehr<br />

viel Geld dafür zu geben.“<br />

Ich hatte ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Wort mehr mit ihm wechseln wollen und war überzeugt, daß mit den<br />

Fläschchen irgend e<strong>in</strong> Schw<strong>in</strong>del verbunden sei; aber es war doch von Interesse, diesem<br />

Schw<strong>in</strong>del auf die Spur zu kommen. Darum nahm ich es. Es enthielt e<strong>in</strong>e ölige Flüssigkeit; auf<br />

der geschriebenen Etikette standen die Worte „Jagh kuds“ 9 ; der Stöpsel war zugesiegelt. Das<br />

Siegel zeigte <strong>in</strong> Neskhi-, also arabischer Schrift, doch so kle<strong>in</strong>, daß ich es kaum lesen konnte,<br />

den Namen Musa 10 Wardan. Sofort flog me<strong>in</strong> Blick zu se<strong>in</strong>en Händen. Er trug an der rechten<br />

e<strong>in</strong>en Siegelr<strong>in</strong>g, dessen Platte genau die Größe und Gestalt des Siegels auf dem Fläschchen<br />

hatte. Die Gravierung konnte ich natürlich nicht erkennen.<br />

„Nun, was ist’s?“ fragte er.<br />

„Oel.“<br />

„Aber was für welches?“<br />

„Ganz gewöhnliches.“<br />

„Du irrst. Es ist das heilige Salböl, vom heiligen Katholikos <strong>in</strong> Etschmiadz<strong>in</strong> am Berge Ararat<br />

eigenhändig bereitet und e<strong>in</strong>gepackt und versiegelt.“<br />

„Von ihm selbst?“<br />

„Ja, sogar mit se<strong>in</strong>em eigenen Petschaft und Namenszug.“<br />

„Das verkaufst Du?“<br />

„Ja. Ich b<strong>in</strong> se<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>g und Abgesandter und der allere<strong>in</strong>zige, dem er erlaubt hat, es zu<br />

verkaufen.“<br />

„Kann ich e<strong>in</strong> Fläschchen haben?“<br />

„Ja.“<br />

„Zu welchem Preise?“<br />

„Es führt jeden Toten, der damit gesalbt wird, sofort <strong>in</strong> den H<strong>im</strong>mel und ist darum sehr<br />

teuer. Das Fläschchen kostet eigentlich zweihundert Piaster; ich will es Dir aber für<br />

hundertfünfzig lassen.“<br />

Das waren ungefähr achtundzwanzig Mark für e<strong>in</strong> bißchen profanes Oel, welches kaum<br />

e<strong>in</strong>en Pfennig kostete. Ich gab es ihm mit den Worten zurück:<br />

„Da n<strong>im</strong>m es wieder! Ich mag es nicht.“<br />

„Warum? Ist es Dir zu teuer? Was bietest Du?“<br />

„Nichts, gar nichts.“<br />

„Nichts? Gott! Für e<strong>in</strong> Oel, welches den Gesalbten direkt <strong>in</strong> den H<strong>im</strong>mel führt!“<br />

„Doch nicht etwa dieses Oel?“<br />

„Natürlich dieses!“<br />

„Schw<strong>in</strong>del!“<br />

„Das wagst Du zu behaupten?“<br />

„Ja. Ich war viermal <strong>in</strong> Etschmiadz<strong>in</strong> und habe während me<strong>in</strong>es Aufenthaltes dort <strong>in</strong> dem<br />

Dorfe Wagharschabad gewohnt. Ich kenne den Namen des Katholikos; mich betrügst Du<br />

nicht.“<br />

[174a] „Das ist doch se<strong>in</strong> Name hier auf dem Siegel.“<br />

„Du sche<strong>in</strong>st anzunehmen, daß ich nicht lesen oder die Schrift nicht erkennen kann. Der<br />

Name auf dem Fläschchen heißt Musa Wardan und sche<strong>in</strong>t der De<strong>in</strong>ige zu se<strong>in</strong>.“<br />

„Bist Du toll? der me<strong>in</strong>ige?“<br />

„Ja, zeig her!“<br />

Ich faßte se<strong>in</strong>e Hand, zog sie nahe zu mir heran, warf e<strong>in</strong>en Blick auf den R<strong>in</strong>g und fügte<br />

dann h<strong>in</strong>zu:<br />

„Dieser R<strong>in</strong>g gehört Dir?“<br />

„Ja.“<br />

„Er trägt denselben Namen. Du bist e<strong>in</strong> Schw<strong>in</strong>dler und Betrüger, und ich habe nichts mit<br />

Dir zu schaffen.“<br />

9<br />

Heiliges Öl = Salböl.<br />

10<br />

Moses.

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