im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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„Ne<strong>in</strong>,“ entgegnete ich, da ich dem Kle<strong>in</strong>en nicht recht traute. Bei se<strong>in</strong>er Gutherzigkeit und<br />
Verwegenheit konnte er sich leicht verleiten lassen, selbst ohne mich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zu spr<strong>in</strong>gen. „Du<br />
kletterst auf den Ahorn, auf welchem wir vorh<strong>in</strong> gesessen haben, und bleibst auf demselben<br />
unbed<strong>in</strong>gt sitzen, bis ich wiederkommen.“<br />
Wir eilten zurück bis zu dem erwähnten Baume, auf den er stieg. Ich gab ihm me<strong>in</strong>en<br />
Stutzen h<strong>in</strong>auf, da ich ohne denselben leichter und schneller vorwärts kommen konnte, und lief<br />
dann weiter.<br />
[173] Wie ich <strong>in</strong> fünf M<strong>in</strong>uten den Fluß erreichen konnte, ist mir noch heute e<strong>in</strong> Rätsel.<br />
Zunächst den Kopf <strong>in</strong> das Wasser, um die Augen zu kühlen, dann h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, h<strong>in</strong>über und drüben<br />
<strong>im</strong> Walde h<strong>in</strong>auf. Nach abermals fünf M<strong>in</strong>uten war ich oben am E<strong>in</strong>gange. Er war zu, und ich<br />
rief; man öffnete schnell. Da stand Yussuf Ali mit se<strong>in</strong>em Weibe.<br />
„Wo ist me<strong>in</strong> Sohn?“ fragte sie. „Kommt er nicht auch?“<br />
„Noch nicht. Ich brauche Eure Krieger zur Hilfe.“<br />
„O Gott, o Gott! So steht es schl<strong>im</strong>m um ihn. Ich habe ohne Unterlaß gebetet, mich mit dem<br />
Kreuze bezeichnet und die schmerzhafte Mutter angerufen, so wie er es mich gelehrt hat. Es<br />
hat nichts, gar nichts geholfen!“<br />
„Bete nur weiter, unausgesetzt weiter, so wird es helfen!“<br />
Ich rannte weiter; sie folgten mir. Im Laufen stöhnte Yussuf Ali:<br />
„Ich bete auch zu Gott und will Kreuzzeichen machen, wie me<strong>in</strong> Weib es mir vorh<strong>in</strong>, als Du<br />
fort warst, gezeigt hat. Ich b<strong>in</strong> an allem schuld. O Gott, welche Angst stehe ich dafür aus!“<br />
Die Mir Yussufi saßen noch bei ihren Feuern. Ich rief sie zusammen und sagte <strong>im</strong><br />
dr<strong>in</strong>gendsten Tone:<br />
„Hört, Ihr Krieger! Wenn Ihr tapfere Männer seid und ich Euch nicht verachten soll, so müßt<br />
Ihr mir jetzt folgen, sonst kommt der qualvolle Tod Eures Bruders über Eure Seelen. Sie wollen<br />
ihn kreuzigen. Hört Ihr es? Am Kreuze soll er sterben! Das ist die schrecklichste aller<br />
Todesarten, uns – – –“<br />
Ich wurde dadurch unterbrochen, daß Yussuf Ali e<strong>in</strong>en Schrei ausstieß und davon rannte.<br />
Se<strong>in</strong>e Frau schrie ebenso und eilte ihm nach. Ich konnte es nicht h<strong>in</strong>dern, denn hätte ich ihnen<br />
nachrennen wollen, um sie zurückzuholen, so wäre e<strong>in</strong>e kostbare Zeit verloren gegangen, die<br />
ich nachher allerd<strong>in</strong>gs doch noch verlor. Ich sprach weiter, alles was mir die Angst um Husse<strong>in</strong><br />
Isa e<strong>in</strong>gab, fand aber kalte Hörer. Endlich brachte ich es mit der größten Anstrengung so weit,<br />
daß es zu e<strong>in</strong>er Beratung kam, zu e<strong>in</strong>er ewig langen Besprechung, deren Resultat der Scheik<br />
mit mir den Worten verkündete:<br />
„Herr, Du bist unser Gast, und wir werden Dir alle Freundschaft und Liebe erweisen; aber<br />
dieser Husse<strong>in</strong> Isa ist zum Salib Isa übergegangen, und wenn er jetzt gekreuzigt werden soll,<br />
so sehen wir dar<strong>in</strong> nur die gerechte Strafe Muhammeds, der an Allahs Throne steht. Wir<br />
würden die größte Sünde begehen, wenn wir dem Abtrünnigen helfen wollten. Du bist nicht<br />
unsers Glaubens; wenn Du ihn retten willst, so thue es, uns aber verschone mit De<strong>in</strong>en Bitten,<br />
welche be<strong>in</strong>ahe sogar wie Drohungen klangen, was wir Dir jedoch verzeihen wollen.“<br />
Da war nichts, gar nichts mehr zu hoffen und zu machen. Ich blieb auf mich selbst und<br />
Halef angewiesen und rannte wieder fort. Me<strong>in</strong> Kommen hatte nicht nur nichts gefruchtet,<br />
sondern die Lage nur verschl<strong>im</strong>mert, da anzunehmen war, daß Yussuf Ali und se<strong>in</strong> Weib nur<br />
Dummheiten machen würden. Es kümmerte mich nicht, daß der E<strong>in</strong>gang offen stand und auch<br />
h<strong>in</strong>ter mir offen blieb; ich eilte fort, den steilen Hang h<strong>in</strong>unter, so schnell ich nur vermochte<br />
und dabei fast fieberhaft erwägend, auf welche Weise Rettung möglich sei. Dabei achtete ich<br />
nicht darauf, daß ich mehreremal stürzte und mir dabei die Kleidung und die Haut aufriß. Am<br />
Flusse angekommen, tauchte ich wieder zunächst den Kopf h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, denn me<strong>in</strong>e Augen<br />
brannten wie Feuer – – – Feuer, ah, das war das rettende Wort! Ja, nur durch Feuer war<br />
Husse<strong>in</strong> Isa zu befreien, und ich hatte ja Schahheita aus Rewandis (Zündhölzer) mitgenommen<br />
und e<strong>in</strong> Schächtelchen davon <strong>in</strong> der Tasche stecken.<br />
Indem ich durch das Wasser watete, erscholl oben bei den Mir Mahmalli e<strong>in</strong> Jubelgeschrei.<br />
Hatte man die Eltern Husse<strong>in</strong> Isas erwischt? Ich rannte weiter und hörte bald darauf heftiges<br />
Hundegebell. Nun war vielleicht alles verloren! Da die Fe<strong>in</strong>de die Beiden entdeckt hatten,<br />
glaubten sie, es se<strong>in</strong>en noch andere Mir Yussufi <strong>in</strong> der Nähe und waren <strong>in</strong>folge dessen beeilt<br />
gewesen, ihre W<strong>in</strong>dhunde loszulassen. Wenn diese Halef entdeckten! Und ich mußte h<strong>in</strong>auf<br />
und hatte nur me<strong>in</strong> Messer bei mir! Es kam darauf an, wie viele Hunde es waren; mit e<strong>in</strong>em<br />
oder zweien hoffte ich, auch ohne Blei und Pulver fertig zu werden. Freilich mußten [174]<br />
Schüsse zunächst vermieden werden, da dieselben unsere Anwesenheit vor der Zeit verraten<br />
hätten.