im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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Eichsfelder Marienkalender / 1893<br />
Abu djom.<br />
E<strong>in</strong>e Ghasuah.<br />
Reiseerlebnis von D r . K a r l M a y .<br />
[59] Wir hatten e<strong>in</strong>en sehr anstrengenden Ritt h<strong>in</strong>ter uns, denn wir kamen vom Dar Abu<br />
Uma herüber, welches über hundert geographische Meilen vom Nile entfernt ist, und hatten<br />
höchstens noch e<strong>in</strong>e halbe Tagesreise bis zum westlichen Arme desselben, dem Bahr el Abiad,<br />
zu machen. Wenn ich sage „wir“, so me<strong>in</strong>e ich außer mir, me<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en, braven, tapfern und<br />
langjährigen Diener und Begleiter Hadschi Halef Omar und e<strong>in</strong>en ächten Fori-Neger namens<br />
Marrabah. Dieser hatte das Gelübde gethan, ganz alle<strong>in</strong> nach Mekka zu pilgern, und uns<br />
gebeten, ihn mitzunehmen, weil er bei uns Sicherheit vor den Sklavenjägern erwartete. Ich<br />
hatte ihm diese Bitte aus Gründen der Menschlichkeit erfüllt und weil er, da er die Gegend bis<br />
zum Nile genau kannte, uns als Führer von Nutzen se<strong>in</strong> konnte. Marrabah war als armer Teufel<br />
nur mit e<strong>in</strong>em baumwollenen Hemde bekleidet und saß auf unserm Packpferde, welches<br />
während dieses Rittes ke<strong>in</strong> Gepäck zu tragen hatte. Se<strong>in</strong>e Waffen bestanden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em alten<br />
Messer und e<strong>in</strong>em noch älteren Spieße, von denen ich überzeugt war, daß sie ke<strong>in</strong>em<br />
Menschen schaden würden, da ihr Träger und Besitzer sich schon am ersten Tage als e<strong>in</strong> zwar<br />
guter Kerl aber außerordentlicher Hasenfuß entpuppt hatte. Halef und ich ritten junge, aber<br />
sehr kräftige und ausdauernde Fadasihengste, Pferde, welche <strong>im</strong> tiefen Wüstensande große<br />
Schnelligkeit entwickeln und <strong>im</strong> Wasser wie die Fische schw<strong>im</strong>men.<br />
Wir hatten seit heut früh den jetzt wasserlosen Nid e’ Nil weit von uns zur rechten Hand,<br />
und so nahm ich an, daß wir den Bahr el Abiad ungefähr <strong>in</strong> der Gegend der Insel Abu N<strong>im</strong>ul<br />
oder der Mischrah Om Oschria erreichen würden. Die Gegend war vollständig eben; zur<br />
Regenzeit grünende Steppe, bot sie uns als jetzt kahle, ausgetrocknete Fläche nicht e<strong>in</strong>en<br />
e<strong>in</strong>zigen Grashalm, über den sich unsere Augen hätten freuen können. Dazu brannte die Sonne<br />
mit e<strong>in</strong>er so verzehrenden Glut auf uns hernieder, daß wir um die Mittagszeit Halt machten,<br />
um den Pferden Erholung zu gönnen und die größte Tageshitze vorüber zu lassen.<br />
Wir saßen still beisammen und aßen e<strong>in</strong>ige Datteln, das e<strong>in</strong>zige, was wir hatten. Da deutete<br />
Halef gegen Osten und sagte:<br />
„Sihdi, (Herr), da draußen am Horizonte sehe ich e<strong>in</strong>en weißen Punkt. Ob das wohl e<strong>in</strong><br />
Reiter ist?“<br />
Da ich der angegebenen Richtung den Rücken zukehrte, stand ich auf und drehte mich um.<br />
„Siehst du ihn?“ frug der kle<strong>in</strong>e Hadschi weiter.<br />
„Ja“, antwortete ich; „der Punkt, den du me<strong>in</strong>st, bewegt sich auf uns zu. Was so hell<br />
sch<strong>im</strong>mert, ist e<strong>in</strong> weißer Burnus. Die Bewegung ist so rasch, daß wir es nicht mit e<strong>in</strong>em<br />
Fußgänger, sondern mit e<strong>in</strong>em Reiter zu thun haben.“<br />
„Ist er etwa bewaffnet?“ fragte da der Fori-Neger ängstlich.<br />
„Natürlich! Jedermann geht hier mit Waffen, wie du weißt.“<br />
„O Allah, Allah, bewahre mich vor dem neunmal geschwänzten Teufel! Me<strong>in</strong>st du, Herr, daß<br />
dieser Reiter uns fe<strong>in</strong>dselig angreifen wird, uns vielleicht ersticht oder gar erschießt?“<br />
Die Furcht vergrößerte se<strong>in</strong>e Augen, und er spreizte alle zehn F<strong>in</strong>ger aus, als ob er die<br />
Gefahr damit abwenden wolle. Da fuhr ihn der wackere Halef zornig an:<br />
„Uskut, gerbu – schweig, Hasenfuß! Wie kann e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelner es wagen, uns, die wir zu dreien<br />
s<strong>in</strong>d, zu überfallen! Und wenn es zwanzig oder fünfzig wären, wir würden uns nicht fürchten.<br />
Wir haben den Löwen und [60] sogar den schwarzen Panther erlegt; wir haben den Elefanten<br />
und das Nilpferd gejagt; me<strong>in</strong> Sihdi und ich, wir ganz alle<strong>in</strong> haben gegen hundert Fe<strong>in</strong>den<br />
gestanden, ohne daß es unsern Herzen e<strong>in</strong>gefallen ist, schneller zu schlagen. Ich sage dir, so<br />
lange du bei uns bist, wird es ke<strong>in</strong>em Fe<strong>in</strong>de gel<strong>in</strong>gen, dir nur e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Haar zu krümmen.<br />
Aber leider wächst auf de<strong>in</strong>em Kopfe nur die Wolle des Schafes anstatt des schönen<br />
Schmuckes der tapfern Männlichkeit. Darum bist du e<strong>in</strong> Schaf und wirst e<strong>in</strong>es bleiben, bis dich<br />
Allah zu de<strong>in</strong>en Vätern versammelt, wenn du überhaupt e<strong>in</strong>en Vater gehabt hast; denn nur<br />
tapfere Männer dürfen von ihren Vätern sprechen!“<br />
Das war von me<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Hadschi nicht höflich gesprochen. Er haßte nichts so sehr als<br />
Furchtsamkeit. E<strong>in</strong> mutloses Wort oder gar e<strong>in</strong>e feige That konnte ihn <strong>in</strong> Wut versetzen.<br />
Während dieser Zurechtweisung war der fremde Reiter näher gekommen. Er sah uns und hielt