im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
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Ich stieg vom Pferde und wartete; es verg<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e halbe Stunde. Ich setzte mich <strong>in</strong> das<br />
wuchernde Gras und Unkraut neben dem Thor, und es verg<strong>in</strong>g noch e<strong>in</strong>e halbe Stunde. Ich<br />
schellte wieder. Dasselbe Hundegeheul und dann dieselbe St<strong>im</strong>me:<br />
„Wer ist draußen?“<br />
„Noch <strong>im</strong>mer der Bote des Wali.“<br />
„Warte!“<br />
[151] Ich setzte mich wieder nieder und wartete e<strong>in</strong>e Stunde, zwei, drei volle Stunden. Da<br />
kam e<strong>in</strong> uralter, gebeugter, schmutziger und nur <strong>in</strong> Lappen gekleideter Kerl durch die Felder<br />
nach dem Hause, blieb vor mir stehen, sah mich f<strong>in</strong>ster und stechend aus se<strong>in</strong>en triefenden<br />
Augen an und sagte dabei ke<strong>in</strong> Wort.<br />
„Gehörst Du <strong>in</strong> das Haus?“ fragte ich.<br />
Er nickte, was jedenfalls Ja bedeuten sollte.<br />
„Ist der Mir Alai dahe<strong>im</strong>?“<br />
Er schüttelte den Kopf, womit er sehr wahrsche<strong>in</strong>lich Ne<strong>in</strong> sagen wollte.<br />
„Ich habe mit ihm zu sprechen. Wo bef<strong>in</strong>det er sich?“<br />
Abermaliges Kopfschütteln. Da drückte ich me<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Kugel ab:<br />
„Ich br<strong>in</strong>ge ihm Geld, viel Geld!“<br />
Ich hatte e<strong>in</strong>en Kernschuß gethan, denn kaum war das Zauberwort Geld erklungen, so rief<br />
der Alte mit atemloser und überschnappender Fistelst<strong>im</strong>me:<br />
„Geld, viel Geld? Warte, me<strong>in</strong> Söhnchen, warte nur e<strong>in</strong> ganz kle<strong>in</strong> wenig, Du Liebl<strong>in</strong>g Allahs,<br />
Du Bote der Glückseligkeit! Ich werde den Abdal holen. Er bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der Stadt, um den<br />
Pilgern heilige Reden zu halten. Er ist der Oberste der Sekte der „Tschok Kesk<strong>in</strong>ler[“] (sehr<br />
Strengen, ganz Strengen) und hat mit se<strong>in</strong>en Ordensbrüdern die Pflicht, die Begeisterung der<br />
Gläubigen für die fromme Reise zu erhöhen.“<br />
Er g<strong>in</strong>g wieder fort, schnell, sehr schnell.<br />
„Wie lange habe ich noch zu warten?“ konnte ich ihm noch nachrufen.<br />
„Nur wenige, sehr wenige M<strong>in</strong>uten,“ antwortete er zurück und war dann auch schon<br />
verschwunden, so eilig hatte er es. Ja, das Geld „macht Be<strong>in</strong>e“.<br />
Also der E<strong>in</strong>siedler war der Oberste der ganz strengen Muhammedaner. Da hatte ich es mit<br />
e<strong>in</strong>em sehr fanatischen Menschen zu thun. Die Freude am Besitz war bei ihm auch nicht<br />
ger<strong>in</strong>ger als die Frömmigkeit, denn als ich annahm, daß der Bote ungefähr die Stadt erreicht<br />
haben werde, sah ich die beiden schon von dort herbeikommen.<br />
Der Mir Alai mochte fünfundsechzig Jahre zählen, war hoch und stark gebaut und hatte<br />
e<strong>in</strong>en strengen ascetischen und dabei kühnen Gesichtsausdruck. Er musterte mich e<strong>in</strong>ige<br />
Augenblicke und sagte dann:<br />
„Du br<strong>in</strong>gst Geld? Gib her! Von wem ist es?“<br />
„Von Said Kaled Pascha.“<br />
„Ah, e<strong>in</strong> Geschenk für me<strong>in</strong>e Ordensbrüder. Gib her!“<br />
Er hielt mir die Hand h<strong>in</strong>.<br />
„Es ist ke<strong>in</strong> Geschenk, sondern etwas Anderes.“<br />
„So sage es!“<br />
„Nicht hier. Ich möchte diese Angelegenheit nur <strong>in</strong> De<strong>in</strong>er Wohnung mit Dir besprechen.“<br />
„Das geht nicht, denn ich laß ke<strong>in</strong>en fremden Menschen e<strong>in</strong>.“<br />
„Das thut mir leid. E<strong>in</strong> Bote des Wali von Engyrijeh ist ke<strong>in</strong> Mann, den man wie e<strong>in</strong>en Bettler<br />
vor der Pforte abfertigt. Ich gehe also wieder.“<br />
Ich stieg auf me<strong>in</strong> Pferd, ohne daß er es h<strong>in</strong>derte, und fügte noch h<strong>in</strong>zu:<br />
„Es betrifft De<strong>in</strong>e Pension, die Du nun endlich erhalten sollst. Lebe wohl!“<br />
„Halt!“ rief er da, <strong>in</strong>dem er mir <strong>in</strong> die Zügel griff. „Me<strong>in</strong>e Pension? Steig’ ab, und komm’<br />
here<strong>in</strong>; ich kann Dich nicht fortlassen.“<br />
Ich stieg sche<strong>in</strong>bar zögernd wieder ab. Er hatte das Thor mit e<strong>in</strong>igen Griffen, ich weiß nicht<br />
wie, geöffnet, trat <strong>in</strong> den Hof und rief den drei riesigen Hunden, welche da auf der Lauer<br />
standen, e<strong>in</strong>ige Worte zu, worauf sie sich zurückzogen. Der alte Triefäugige nahm me<strong>in</strong> Pferd,<br />
und ich g<strong>in</strong>g mit se<strong>in</strong>em Herrn <strong>in</strong> das Innere des Hauses, welches so ärmlich e<strong>in</strong>gerichtet war,<br />
daß es die Bezeichnung Haus eigentlich gar nicht verdiente. Die Stube, <strong>in</strong> welche wir traten,<br />
hatte als e<strong>in</strong>ziges Ameublement e<strong>in</strong>en alten Teppich, auf den wir uns niederließen.<br />
Diese Armut kann als Maßstab bei der Berechnung des Entzückens dienen, welches der<br />
E<strong>in</strong>siedler empfand, als ich ihm e<strong>in</strong>en fünfzehnjährigen Pensionsbetrag nebst Z<strong>in</strong>sesz<strong>in</strong>sen<br />
h<strong>in</strong>zählte. Er schwamm <strong>in</strong> Wonne, eilte fort, um se<strong>in</strong>e Frau davon zu benachrichtigen, und<br />
kehrte dann zurück, mir zu [152] sagen, daß ich se<strong>in</strong> Gast se<strong>in</strong> und mit ihm nach der Stadt