im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ich legte den Stutzen auf die Reiter an und rief ihnen zu:<br />
„Wer nur e<strong>in</strong>en Schritt weiter reitet, der wird erschossen. Aber me<strong>in</strong>e Seele wünscht den<br />
Frieden; es mögen zwei von Euch unbewaffnet herbeikommen, mit denen ich sprechen werde;<br />
es soll ihnen nichts geschehen, und sie können frei und unbeschädigt zurückkehren.“<br />
Die Kerls verhandelten e<strong>in</strong>e kurze Zeit mit e<strong>in</strong>ander, dann stiegen der Kurdenscheik und der<br />
Armeni von ihren Pferden, legten die Waffen ab, und zwar so, daß wir dies sahen, und kamen<br />
dann langsam herbeigeschritten. Als sie uns fast erreicht hatten, blieben sie stehen, doch ohne<br />
e<strong>in</strong>en Gruß auszusprechen.<br />
„Warum hältst Du uns mitten auf unserm Wege an?“ fragte der Scheik, <strong>in</strong>dem er mich mit<br />
f<strong>in</strong>sterem Blicke musterte.<br />
„Es steht Euch frei, augenblicklich weiter zu reiten,“ antwortete ich.<br />
[178c] „Du hast uns aber doch gedroht, zu schießen, sobald wir nur e<strong>in</strong>en Schritt noch<br />
machen!“<br />
„Nur unserer Sicherheit wegen. Reitet Ihr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em so weiten Bogen um uns herum, daß<br />
Eure Gestalten für unsere Augen halb so groß s<strong>in</strong>d wie jetzt, so werden wir unsern Weg ruhig<br />
fortsetzen und unsere Kugeln <strong>in</strong> den Läufen behalten.“<br />
„Wo kommt Ihr her?“<br />
„Aus Persien.“<br />
„Wo wollt Ihr h<strong>in</strong>?“<br />
„H<strong>in</strong>unter an den Tigris.“<br />
„Habt Ihr noch Freunde und Begleiter h<strong>in</strong>ter Euch?“<br />
„Ne<strong>in</strong>.“<br />
„Ihr seid ganz alle<strong>in</strong>?“<br />
„Ja.“<br />
„Chodieh 22 , ich weiß, daß nie e<strong>in</strong>e Lüge über De<strong>in</strong>e Lippen kommt; ich kenne Dich. Sagst Du<br />
auch jetzt, was wahr ist?“<br />
„Ja.“<br />
Er drehte sich um und sprach lange und leise auf se<strong>in</strong>en Begleiter e<strong>in</strong>. Wir konnten nichts<br />
verstehen; darum beobachtete ich das Mienenspiel der beiden scharf, um daraus auf den<br />
Inhalt des Gespräches zu schließen. Der Armeni hätte sich gar zu gerne an uns gerächt; er<br />
warf die fe<strong>in</strong>dseligsten Blicke auf uns und schied den Vorstellungen des Alten ke<strong>in</strong>en Glauben<br />
zu schenken. Ihre Augen fielen sehr oft auf me<strong>in</strong>e beiden Gewehre; diese waren es, vor denen<br />
sich der Scheik so fürchtete. Er schien endlich mit se<strong>in</strong>er Ansicht durchgedrungen zu se<strong>in</strong>,<br />
denn er wendete sich mit den Worten zu mir:<br />
„Chodieh, Du bist auf De<strong>in</strong>e Sicherheit bedacht; aber gerade diese verbietet Dir,<br />
weiterzureiten.“<br />
„Warum?“<br />
„Da h<strong>in</strong>ter uns lagert me<strong>in</strong> ganzer Stamm der Schirwankurden, und Du weißt, daß me<strong>in</strong>e<br />
Krieger De<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>de s<strong>in</strong>d.“<br />
„Ich fürchte mich nicht vor ihnen; das habe ich Dir ja bewiesen.“<br />
„Ich weiß es; aber wenn Du weiterreitest, wird unbed<strong>in</strong>gt Blut fließen. Kannst Du De<strong>in</strong>en<br />
Weg nicht auf der andern Seite des Flusses fortsetzen?“<br />
„Ne<strong>in</strong>.“<br />
„Warum nicht?“<br />
„Weil wir nach Arbil wollen.“<br />
„Müßt Ihr denn unbed<strong>in</strong>gt dorth<strong>in</strong>?“<br />
„Ja, unbed<strong>in</strong>gt.“<br />
Er dachte e<strong>in</strong>ige Augenblicke nach und fuhr dann fort: „So will ich Dir, um Unfrieden zu<br />
vermeiden, e<strong>in</strong>en Vorschlag machen. Wenn Du auf denselben e<strong>in</strong>gehst, ist alles gut.“<br />
„So sprich; ich höre.“<br />
„Geht hier über den Fluß und reitet e<strong>in</strong>en und e<strong>in</strong>en halben Kuladsch 23 auf der andern Seite<br />
desselben; dann könnt Ihr wieder herüber und den Weg nach Arbil fortsetzen. Aber Ihr dürft ja<br />
nicht zurückkehren, sondern müßt von da aus, wo Ihr wieder an dieses Ufer herüberkommt,<br />
westlich oder nördlich, aber ja nicht östlich reiten.“<br />
„Hm! Wir fürchten uns nicht vor Euch und haben gar nicht nötig, unsere Füße naß zu<br />
machen; aber damit Du siehst, daß wir gern Frieden halten, s<strong>in</strong>d wir bereit, auf De<strong>in</strong>en<br />
Vorschlag e<strong>in</strong>zugehen.“<br />
22 Kurdisch: Herr.<br />
23 Meile.