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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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„Du darfst es glauben. Dieser berühmte Hadschi Kara Ben Nemsi Emir ist e<strong>in</strong> großer Krieger<br />

und Gelehrter aus Germanistan. Er kennt die Namen, Sprachen und Gebete aller Länder und<br />

Völker, ist Meister <strong>in</strong> allen Wissenschaften und Künsten und hat bisher alle se<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>de<br />

besiegt. Wir haben den Panther und den Löwen getötet und ganze Stämme der Kurden und<br />

Bedu<strong>in</strong>en überwunden. Ke<strong>in</strong> Fe<strong>in</strong>d kann uns beiden widerstehen. Wir bekämpfen jeden bösen<br />

und beschützen jeden guten Menschen. Wir haben gesehen und gehört, wie fromm und brav<br />

du bist. Sage uns, ob du e<strong>in</strong>en Fe<strong>in</strong>d besitzest! Wir werden sofort zu ihm reiten und ihn<br />

niederschlagen!“<br />

Das klang sehr großsprecherisch; aber der Morgenländer liebt es nun e<strong>in</strong>mal, sich <strong>in</strong> dieser<br />

Weise auszudrücken, und me<strong>in</strong> guter Halef war wirklich e<strong>in</strong> verwegenes, tapferes Kerlchen,<br />

hatte noch nie e<strong>in</strong>em Fe<strong>in</strong>de den Rücken gezeigt und durfte sich schon so e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />

Überschwenglichkeit erlauben. Der Greis blickte von mir zu ihm und dann wieder von ihm zu<br />

mir herüber und sagte <strong>in</strong> freudigem Tone:<br />

„O, solche Helfer brauchten wir grad’ jetzt gar wohl. Am meisten aber freut es mich, daß du,<br />

o Emir, e<strong>in</strong> Christ aus dem Abendlande bist. Ich habe gehört, daß dort die Christen viel, viel<br />

mächtiger s<strong>in</strong>d als hier, wo wir uns verbergen müssen. Sei so gnädig, mir zu sagen, woh<strong>in</strong> du<br />

heute noch reiten wolltest!“<br />

„Wir wollten bis morgen früh <strong>im</strong> Walde lagern, doch sche<strong>in</strong>en Leute hier zu wohnen?“<br />

„Ja. Wir s<strong>in</strong>d Verfolgte, Christen und Schiiten, und haben hier <strong>im</strong> Verborgenen e<strong>in</strong> Dorf<br />

errichtet, um unangefochten leben zu können. Wenn ihr bei uns bleiben wolltet, so würden wir<br />

euern E<strong>in</strong>gang segnen.“<br />

„Wir bleiben bei euch; führe uns!“<br />

Da ergriff er me<strong>in</strong>e Hand wieder und rief entzückt aus:<br />

„Herr, ich danke dir! Du br<strong>in</strong>gst große Freude <strong>in</strong> unsere Hütten. Aber, sage mir, willst du bei<br />

uns Christen oder bei den Schiiten wohnen?“<br />

„Ist das nicht gleich? Kann ich nicht Gast des ganzen Dorfes se<strong>in</strong>?“<br />

„Ne<strong>in</strong>. Wir lebten <strong>in</strong> E<strong>in</strong>igkeit mit den Schiiten, haben uns aber jetzt mit ihnen fast entzweit.<br />

Sie wollen töten, wir aber beabsichtigen, List anzuwenden, weil wir als Christen uns scheuen,<br />

Blut zu vergießen.“<br />

„Wessen Blut?“<br />

[„] Dasjenige der Akrakurden. Doch, davon weißt du ja nichts; ich muß es dir erzählen.<br />

E<strong>in</strong>er der Schiiten traf vor zwei Jahren mit e<strong>in</strong>igen Akrakurden zusammen. Sie fielen ihn an,<br />

um ihn zu berauben; er wehrte sich tapfer und entkam, nachdem er mehrere verwundet hatte.<br />

Aus Rache darüber griffen sie uns <strong>in</strong> unserm frühern Wohnsitze an, töteten e<strong>in</strong>e Anzahl<br />

unserer Leute und schleppten acht Personen von uns fort, vier Männer, drei Frauen und e<strong>in</strong><br />

Mädchen, teils Christen, teils Schiiten. [41] Wir folgten, obgleich wir schwach waren, ihnen<br />

he<strong>im</strong>lich nach, um die Gefangenen, denen als Sklaven e<strong>in</strong> trauriges Schicksal bevorstand, zu<br />

befreien; aber die Akra s<strong>in</strong>d nicht seßhaft; als wir ihre Hütten erreichten, fanden wir dieselben<br />

leer. Seit jener Zeit s<strong>in</strong>d sie am Ghazirflusse gewesen, also so fern von uns, daß wir nicht zu<br />

ihnen konnten. Nun aber s<strong>in</strong>d sie zurückgekehrt und wohnen nur zwei Tagereisen von unserm<br />

jetzigen Dorfe, woh<strong>in</strong> wir uns zurückgezogen haben. E<strong>in</strong>ige Männer von uns s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegangen,<br />

um zu kundschaften; sie haben die Gefangenen bei schwerer Arbeit und <strong>in</strong> Ketten gesehen.<br />

Nun wollen wir diese befreien, wir Christen durch List, die Schiiten aber durch offenen Überfall;<br />

deshalb haben wir uns entzweit. Schir Saffi, der Anführer der Schiiten, zürnt uns sehr, daß wir<br />

nicht mit ihm ziehen wollen. Morgen will er mit se<strong>in</strong>en Leuten aufbrechen; wir aber müßten<br />

auch schon deshalb zurückbleiben, weil morgen das Id el Masbaha, das Fest des hl.<br />

Rosenkranzes ist. Herr, wenn du dieses mit uns feiern wolltest! Es ist ja seit langer Zeit ke<strong>in</strong><br />

Priester zu uns gekommen. Wir haben uns e<strong>in</strong>e Kirche gebaut, mit e<strong>in</strong>em Glöckle<strong>in</strong> an der<br />

Spitze, dessen St<strong>im</strong>me du vorh<strong>in</strong> vielleicht vernommen hast. Da beten wir; aber e<strong>in</strong>e Predigt<br />

haben wir seit Jahren nicht gehört, und el Korban el mukaddas, das heilige Abendmahl, noch<br />

viel, viel länger nicht empfangen.“<br />

Diese Worte des ehrwürdigen Mannes rührten mich tief. Hier, <strong>in</strong> dieser Abgeschiedenheit,<br />

gab es e<strong>in</strong>en Hunger nach geistlicher Speise, welcher nicht gestillt werden konnte. Also das<br />

Fest des Rosenkranzes war morgen? Ja, heute war ja der erste Oktober Sonnabend, also<br />

morgen der Tag, an welchem die ganze katholische Christenheit dies Fest begeht. E<strong>in</strong><br />

Rosenkranzfest <strong>im</strong> wilden Kurdistan! Welcher Europäer hatte so etwas miterlebt? Ke<strong>in</strong>er!<br />

Darum schüttelte ich dem Alten die Hand, mit welcher er die me<strong>in</strong>ige noch hielt, und sagte:<br />

„Ich werde nicht bei den Schiiten, sondern bei euch bleiben und das Fest mit euch begehen.<br />

Ihr sollte dabei e<strong>in</strong>e Predigt hören.“

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