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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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„Germanistan kenne ich nicht, also wird es e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Dörfchen se<strong>in</strong>. Wenn diese Leute<br />

wirklich so tapfer wären, wie du sagst, so würden sie zu uns kommen und nicht zu euch, die<br />

ihr euch fürchtet, mit gegen die Kurden zu ziehen.“ Und zu mir gewendet fuhr er fort: „Wir<br />

werden nachher zu Fat<strong>im</strong>a beten. Sie ist, wie du wissen wirst, die Liebl<strong>in</strong>gstochter des<br />

Propheten, die Frau unseres Kalifen Ali und die Mutter Hassans und Husse<strong>in</strong>s, welche die<br />

Sunniten ermordet haben, Allah verdamme sie! Wir beten zu ihr, wie die Christen zu ihrer<br />

Jungfrau beten, wenn e<strong>in</strong>e unserer Frauen oder Töchter sich <strong>in</strong> Gefahr bef<strong>in</strong>det. Sie wird Sakla,<br />

me<strong>in</strong>e gefangene Tochter, aus der Gefangenschaft befreien. Wenn du mit beten willst, so<br />

komm nachher herüber!“<br />

Der Mann gefiel mir nicht, doch antwortete ich <strong>in</strong> höflichem Tone:<br />

„Wenn du es erlaubst, werde ich kommen, obgleich ich überzeugt b<strong>in</strong>, daß ihr vergeblich<br />

betet. Fat<strong>im</strong>a ist nicht Gott; sie kann euch nicht helfen.“<br />

„Nicht?“ fuhr er auf, <strong>in</strong>dem se<strong>in</strong>e Augen mich anblitzten. „So bist du also auch so e<strong>in</strong><br />

verfluchter Sunnit, der Hassan und Husse<strong>in</strong> verwirft?“<br />

„Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Christ“, erklärte ich e<strong>in</strong>fach.<br />

„E<strong>in</strong> Christ? Was kannst du da von unserm Glauben und unserer Lehre wissen! Du mußt<br />

schweigen!“<br />

„Ich weiß wohl mehr davon als du, denn ich habe alle eure religiösen Bücher studiert,<br />

während du wohl [45] kaum den Koran ordentlich kennst. Vor allen D<strong>in</strong>gen weiß ich, daß<br />

Fat<strong>im</strong>a e<strong>in</strong> Weib war.“<br />

„Eure Jungfrau auch!“<br />

„Unsere heilige Marryam ist die Mutter Gottes; sie thront <strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel bei dem Allmächtigen<br />

und Allgütigen und fleht für uns, wenn wir sie darum bitten. Der Koran aber lehrt, daß das<br />

Weib ke<strong>in</strong>e Seele habe und nicht <strong>in</strong> den H<strong>im</strong>mel kommen könne. Also hat Fat<strong>im</strong>a nur aus dem<br />

Körper bestanden, welcher längst vermodert ist. Wie könnt ihr zu ihr beten?“<br />

Er sah mich starr an, daß ich es wagte, so mit ihm zu sprechen, und rief dann zornig aus:<br />

„Du wagst es, Fat<strong>im</strong>a zu lästern? Wie kommt es, daß ich dich nicht augenblicklich<br />

niederschieße! Ich nehme me<strong>in</strong> Wort zurück. Wage es nicht etwa, h<strong>in</strong>über zu kommen, wenn<br />

die Lichter <strong>in</strong> der Moschee flammen. Es wäre de<strong>in</strong> sich’rer Tod!“<br />

Er drehte sich um, sprang über den Graben zurück und verschwand. Hadschi Halef fragte<br />

mich zornig:<br />

„Sihdi, warum leidest du das? Dieser Schiit ist doch e<strong>in</strong> Wurm, e<strong>in</strong>e Fliege gegen uns, e<strong>in</strong>e<br />

Mücke, die man mit zwei F<strong>in</strong>gern zerdrücken kann! Soll ich nachspr<strong>in</strong>gen und ihm die Peitsche<br />

über das unhöfliche Maul geben?“<br />

„Bleib! Dieser Mann kann uns nicht beleidigen. Salib, willst du mir wohl sagen, wieviel<br />

Krieger hier vorhanden s<strong>in</strong>d?“<br />

„Die Schiiten haben fünfundzwanzig, wir aber nur achtzehn.“<br />

„Und wieviel waffenfähige Männer gibt es <strong>im</strong> Lager der Akrakurden?“<br />

„Es werden gewiß hundert se<strong>in</strong>.“<br />

„Und die will dieser Schir Saffi mit se<strong>in</strong>en fünfundzwanzig angreifen? Er wird unverrichteter<br />

Sache oder gar nicht wiederkommen und nur das erreichen, daß er das Los der Sklaven<br />

verschl<strong>im</strong>mert. Ihr habt das bessere Teil erwählt. Betet, betet, dann wird den Euren geholfen<br />

werden!“<br />

Der ehrwürdige Salib senkte zust<strong>im</strong>mend se<strong>in</strong> weißes Haupt; e<strong>in</strong>er der jungen Männer aber<br />

sagte:<br />

„Wie kann ihnen geholfen werden, wenn wir hier bleiben und nur beten, nicht aber<br />

ausziehen, sie zu befreien? Steigen etwa heute noch Engel hernieder, um den Menschen Hilfe<br />

zu br<strong>in</strong>gen, wie es zur Zeit Abrahams und Tobias’ geschah?“<br />

„Schweig!“ gebot ihm der Alte. „Gott sendet Engel <strong>in</strong> mancherlei Gestalt, und wenn die<br />

heilige Jungfrau ihn darum bittet, so kann der kle<strong>in</strong>ste Wassertropfen für uns zum Engel<br />

werden.“<br />

Er war e<strong>in</strong>e aufrichtig, gläubige Seele, obwohl er das Wort Gottes auch nicht re<strong>in</strong> und<br />

unverfälscht vernommen hatte. Die dortigen, auch katholischen Christen haben, ohne daß sie<br />

es ahnen, von den früheren Sektierern und dem Islam so viel <strong>in</strong> sich aufgenommen, daß es<br />

e<strong>in</strong>er langjährigen, treu ausharrenden Missionsthätigkeit bedarf, dieses verunstaltete und<br />

fressende Moos vom Baume des wahren, re<strong>in</strong>en Glaubens zu entfernen.<br />

Ich knüpfte an die letzten Worte Salibs an und ver- [46] suchte [versuchte] es, für diesen<br />

kurzen Abend der Lehrer dieser Leute zu se<strong>in</strong>. Sie hörten mit ungeheuchelter Aufmerksamkeit

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