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im Reprint enthaltenen Geschichten in einer PDF - Karl-May ...

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Regensburger Marienkalender / 1893<br />

Der Verfluchte.<br />

Reiseerlebnis von Dr. <strong>Karl</strong> <strong>May</strong>.<br />

1. Kapitel.<br />

[137+138] Drei volle Wochen hatte ich mich <strong>in</strong> Engyrijeh, der Hauptstadt des<br />

gleichnamigen kle<strong>in</strong>asiatischen Vilajets, aufgehalten und stand <strong>im</strong> Begriff, mich von me<strong>in</strong>em<br />

Gastfreunde zu verabschieden. Dieser war der höchststehende Mann dieser Prov<strong>in</strong>z, nämlich<br />

der durch se<strong>in</strong>e eiserne Strenge bekannte und gefürchtete Wali Said Kaled Pascha, welcher<br />

von se<strong>in</strong>en Unterthanen den Be<strong>in</strong>amen Sert Jumruk, die „harte Faust“, erhalten hatte. Ich war<br />

während me<strong>in</strong>es Aufenthaltes Zeuge mehrerer Gerichtssitzungen gewesen und hatte da<br />

allerd<strong>in</strong>gs den Beweis erhalten, daß er diesen Namen nicht mit Unrecht führte; aber mochte<br />

se<strong>in</strong>e strenge Gerechtigkeit auch zuweilen nahe an Härte streifen, so war er eben gerade<br />

darum der richtige Mann für se<strong>in</strong>en schwierigen Posten.<br />

Die Bevölkerung des Vilajet Engyrijeh (Angora) ist e<strong>in</strong>e sehr gemischte. Sunniten und<br />

Schiiten, armenische und griechische Christen leben da <strong>in</strong> beständiger Fe<strong>in</strong>dschaft unter und<br />

gegen e<strong>in</strong>ander, und es kommt gar nicht selten vor, daß bei der Frage, welcher Glaube der<br />

richtige ist, zum Messer gegriffen wird. Wo so scharfe Gegensätze vorhanden s<strong>in</strong>d, jeder Mann<br />

und jeder halbwüchsige Knabe e<strong>in</strong>e Waffe trägt und selbst von den Anfängen e<strong>in</strong>er<br />

Volksbildung ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong> kann, da bedarf es freilich e<strong>in</strong>er festen und oft harten Hand, die<br />

rücksichtslosen, gewaltthätigen Geister <strong>im</strong> Zaume zu halten. Die Vorgänger Said Kaled Paschas<br />

waren Schwächl<strong>in</strong>ge gewesen, welche mit Zagen gekommen und mit Freuden wieder gegangen<br />

waren. Da hatte sich der Sultan Said Kaled Paschas, se<strong>in</strong>es alten Liebl<strong>in</strong>gs, er<strong>in</strong>nert und ihn<br />

nach Kle<strong>in</strong>asien geschickt, um da Wandel zu schaffen. Der Alte war Ferik gewesen, also<br />

Divisionsgeneral, und <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>er Verwundung <strong>in</strong> der Ruhestand versetzt worden, doch folgte<br />

er dem Rufe des Padischah mit Freuden, und noch war er nicht lange <strong>im</strong> neuen Amte, so sah<br />

man bereits die Früchte se<strong>in</strong>er Thätigkeit. Der Stock begann zu regieren; Hunderte und aber<br />

Hunderte erhielten die Bastonnade; wer Blut vergoß, wurde ohne großes Federlesen gehenkt,<br />

und unter dem Stabe Wali kehrten die zügellosen Geister zur Botmäßigkeit zurück, wenn auch<br />

nur äußerlich zunächst; der Religionshaß blieb ja derselbe, der er gewesen war. Der Pascha<br />

war gefürchtet, ja gehaßt, und ich habe während me<strong>in</strong>es Aufenthaltes bei ihm nicht e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>zige Person gesehen, von welcher ich behaupten möchte, daß sie ihm aufrichtig zugethan<br />

gewesen sei.<br />

Gegen mich war er von geradezu ungewöhnlicher Freundlichkeit. Er bekümmerte sich<br />

täglich wiederholt und persönlich um me<strong>in</strong> Wohlbef<strong>in</strong>den, und se<strong>in</strong>e Diener hatten die<br />

Anweisung, jeden me<strong>in</strong>er Wünsche sofort zu erfüllen. Ich durfte ihn nach Belieben <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Bureau aufsuchen und alles sehen und hören, was dort geschah. Des Abends saßen wir<br />

rauchend beisammen und unterhielten uns über alles, was ihn <strong>in</strong>teressierte. Er war da gar<br />

nicht zurückhaltend, wie strenggläubige Muselmänner sonst gegen Christen zu se<strong>in</strong> pflegen,<br />

und zeigte mir e<strong>in</strong> Vertrauen, auf welches ich mir wohl hätte etwas e<strong>in</strong>bilden können. Wie ich<br />

dazu kam, der Gast dieses Mannes zu se<strong>in</strong> und von ihm e<strong>in</strong>e so freundliche Behandlung zu<br />

erfahren, das zu erzählen, mangelt mir der Raum; ich mußte es aber erwähnen, weil das<br />

Vertrauen, welches er mir noch be<strong>im</strong> Abschiede schenkte, sonst wohl befremdlich ersche<strong>in</strong>en<br />

würde.<br />

Ich hatte me<strong>in</strong>e wenigen Habseligkeiten dem Diener übergeben und ihm den Auftrag erteilt,<br />

me<strong>in</strong> Pferd zu satteln und sie dann h<strong>in</strong>ten aufzuschnallen. Dann g<strong>in</strong>g ich zum Pascha, um Dank<br />

zu sagen und Abschied zu nehmen. Er wußte, daß dies geschehen werde, und hatte sich darauf<br />

vorbereitet. Im Vorz<strong>im</strong>mer standen zwei baumlange und bis an die Zähne bewaffnete<br />

Arnauten, welche mich militärisch grüßten und <strong>in</strong> das Bureau wiesen. Die beiden Räume waren<br />

nicht durch e<strong>in</strong>e Thüre, sondern nur durch e<strong>in</strong>en dünnen Moussel<strong>in</strong>vorhang von e<strong>in</strong>ander<br />

getrennt, so daß man <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>en hören konnte, was <strong>in</strong> dem andern gesprochen wurde, e<strong>in</strong><br />

Umstand, welcher mir jetzt nicht mehr so gleichgültig wie seither erschien.<br />

Der Wali stand am glaslosen Fenster und schaute durch das Holzgitter <strong>in</strong> den Hof, wo eben<br />

die Huftritte me<strong>in</strong>es Pferdes zu hören waren. Er ließ mich ke<strong>in</strong>en Augenblick warten, schnitt<br />

me<strong>in</strong>e Dankesworte mit e<strong>in</strong>er energischen Handbewegung ab und versicherte, daß es ihm sehr

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