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für sie behördliche Überwachung und schließlich polizeiliche Briefsperre und Reiseverbot<br />

zur Folge. 281 Von ihrem Freund, dem Diplomaten Richard von Kühlmann vermittelt, erhielt<br />

Annette Kolb vom späteren Reichsaußenminister Walter Rathenau einen neuen Pass,<br />

der ihr die Ausreise ermöglichte. Über ihre Ankunft in der Schweiz schrieb sie in<br />

Zarastro: „Am 1. Februar 1917 kam ich gegen Abend definitiv nach Bern. Trotz dieser so<br />

unvermittelt aufblitzenden Vision wurde die Mutlosigkeit, gegen die ich anzukämpfen hatte,<br />

immer drückender, und geradezu trostlos gestaltete sich meine Einfahrt in die Bahnhofshalle.“<br />

282 In Bern verbrachte sie die folgenden drei Jahre. Hier traf sie René Schickle,<br />

den Schriftsteller, Journalisten und Herausgeber der „Weißen Blätter“. Ihm gefiel Kolbs<br />

Einsatz für die Völkerverständigung, außerdem fühlte er sich persönlich mit ihr verbunden,<br />

da er ebenfalls eine französische Mutter und einen deutschen Vater hatte. Während<br />

des in Bern stattfindenden „Internationalen Arbeiter- und Sozialistenkongresses“ im Februar<br />

1919 lernte sie den Politiker Kurt Eisner (siehe Band 1: Eisner) kennen, der sie sehr<br />

beeindruckte. Nach seinem gewaltsamen Tod durch den Mörder Graf von Arco kam sie in<br />

Zarastro darauf zurück: „Wir aber, die in Bern Zeugen der ungeheuren Wirkung seines<br />

Auftretens waren, welche Werbekraft für Deutschland er dort entfaltete, welch stürmische<br />

Sympathien für Deutschland er dort erweckte, oh welch bitterlichen Eindruck machte es<br />

auf uns, in München nicht etwa die Züge dieses heldenhaften Vorläufers, nein, das unbesonnene<br />

Leutnantsgesicht seines Mörders in den Auslagen vorzufinden, dessen hirnloses<br />

und unheilvolles Verbrechen die Schrecken der Räteregierung und alle Gräuel, die von<br />

links und dann von rechts daraus erfolgten, verursachte. Mag ein Herr Studiosus die<br />

Frei(spruch)kugel gegen mich drehen, dafür, daß in diesem wahrscheinlich viel gelesenen<br />

Buch die Wahrheit steht.“ 283<br />

Nach Kriegsende erkundete Annette Kolb auf Reisen in Europa die kulturellen Veränderungen,<br />

die inzwischen stattgefunden hatten. Besonders verfolgte sie die Entwicklung in<br />

Frankreich hinsichtlich Politik und Literatur. Ebenso galt ihr Interesse dem literarischen<br />

Schaffen der Weimarer Republik in Deutschland. In Berlin bemühten sie die Verleger der<br />

„Neuen Weltbühne“ und des „Berliner Tagblattes“ um ihre Beiträge. Hier traf sie den<br />

Kunstmäzen und Sammler Harry Graf Kessler (1867–1937) und den belgischen Architekten<br />

Henry van den Velde (1863–1957).<br />

Ihr Wunsch nach einem eigenen Heim entstand, als sich ihre guten Bekannten René und<br />

Anna Schickle in Badenweiler in ihrem neu erbauten Haus niederließen. So konnte sie<br />

1923 dort in der Nachbarschaft dieses Ehepaares in ihr eigenes Haus einziehen.<br />

281 Dokumente 69, 70 und 71 in: Bauschinger, Sigrid (Hrsg.) (1993): Ich habe etwas zu sagen: 94–95<br />

282 Kolb, Annette (1921): Zarastro: 11. Auch in: Werner, Charlotte (2000): Annette Kolb: 103<br />

283 Kolb, Annette (1921): Zarastro. Auch in: Werner, Charlotte (2000): Annette Kolb: 106–107<br />

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