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Später erklärte sie, warum sie künstlerische Darstellungen aus diesem Themenbereichen<br />
vorzog: „... weil die aus dieser Sphäre gewählten Motive mir einfach bedingungslos gaben,<br />
was ich als schön empfand. Schön war für mich der Königsberger Lastträger, schön waren<br />
die polnischen Jimkies auf ihren Witinnen, schön war die Großzügigkeit der Bewegung im<br />
Volke. Ohne jeden Reiz waren mir Menschen aus dem bürgerlichen Leben ... Dagegen einen<br />
großen Wurf hatte das Proletariat. Erst viel später ... erfaßte mich mit ganzer Stärke des<br />
Schicksal des Proletariats und aller seiner Nebenerscheinungen.“ 303<br />
Am 13. Juni 1891 heiratete sie nach siebenjähriger Verlobungszeit Karl Kollwitz und siedelte<br />
ganz nach Berlin über, wo ihr Mann im Stadtteil Prenzlauer Berg eine Arztpraxis eröffnete.<br />
In ihrer künstlerischen Arbeit wurde Käthe Kollwitz von ihrem Mann unterstützt. Oft begleitete<br />
sie ihren Mann, der als Armenarzt arbeitete. Das Elend, das sie sah, kam in ihren Kunstwerken<br />
zum Ausdruck. Ihr erster Sohn Hans wurde 1892 geboren, Sohn Peter kam 1896 zur<br />
Welt. Von 1900 bis 1903 wirkte sie als Lehrerin an der Berliner Künstlerinnenschule.<br />
In ihrem Werk widmete sich Käthe Kollwitz nun ganz der Graphik. Dabei entdeckte sie<br />
die kraftvolle Präsenz dieser bildnerischen Technik, die sie zu leidenschaftlicher Expressivität<br />
steigert. Nach dem Besuch der Uraufführung von Gerhard Hauptmanns Die Weber<br />
– das Stück handelt vom Aufstand der schlesischen Weber im Jahre 1844 – begann sie den<br />
Zyklus Ein Weberaufstand. Dieser Zyklus setzt Gefühl und Moral, Empörung und Appell<br />
in eine körperliche Sprache um. In der Aktfolge Not, Tod, Beratung, Weberzug und Sturm<br />
kamen die durch das soziale Elend mobilisierten letzten Kräfte der Arbeiterklasse zum<br />
Ausdruck. Ein geschichtliches Ereignis erhielt damit einen symbolhaften Bezug zur Gegenwart,<br />
da es nun auf die Klassenkampfsituation im kaiserlichen Deutschland anspielte.<br />
Mit diesem Werk, das erstmals auf der Großen Berliner Kunstausstellung gezeigt wurde,<br />
gelang ihr der künstlerische Durchbruch. Der Lohn, die Verleihung einer Medaille von der<br />
Berliner Akademie der Künste, wurde ihr vom Kaiser Wilhelm II. mit der Begründung<br />
verweigert: „Das käme ja einer Herabwürdigung jeder hohen Auszeichnung gleich. Orden<br />
und Auszeichnungen gehören auf die Brust verdienter Männer.“ 304<br />
In einem zweiten grafischen Werk Der Bauernkrieg-Zyklus beschäftigte sich Kollwitz mit<br />
dem Bauernkrieg. Diese in den Jahren 1902–1908 entstandenen großformatigen Radierungen<br />
zählen zweifellos zu ihren besten Werken.<br />
Als Mitglied der „Berliner Secession“ (deren Vorsitzender Max Liebermann war), einer<br />
Gegenströmung zum traditionellen Kunstbetrieb der Jahrhundertwende, traf Käthe Kollwitz<br />
mit jungen Künstlern zusammen. Ihre erste Studienreise (1904) führte sie nach Paris,<br />
um sich in der Bildhauerklasse der Akadémie Julian Grundkenntnisse im plastischen Ar-<br />
303 Kollwitz, Tagebücher: 741. In: Fischer, Hannelore (Hrsg.) (1995): Käthe Kollwitz: 35–36<br />
304 Kollwitz, Tagebücher: 738. Auch in: Fischer, Hannelore (Hrsg.) (1995): Käthe Kollwitz: 37<br />
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