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mitgeteilt werden. Darauf folgte die Überführung in die so genannte „Todeszelle“, wo ihn<br />
ein Anstaltsgeistlicher besuchen durfte. In München-Stadelheim übernahmen die Geistlichen<br />
Karl Alt und Ferdinand Brinkmann diese Aufgabe. Die Vollstreckungen fanden<br />
meistens am frühen Morgen statt. Der Gefangene wurde zur Hinrichtungsstätte geführt,<br />
wo man ihm das Urteil verlas; der Henker vollzog dann die Tötung. Die Hinrichtung wurde<br />
genau protokolliert und dauerte nur wenige Sekunden. Die Kosten für Haftaufenthalt,<br />
Hinrichtung und Vergütung des Scharfrichters hatten die Angehörigen des Opfers zu begleichen.<br />
Die Bestattung fand auf dem nahe gelegenen Friedhof Perlacher Forst statt. Es<br />
gab aber auch Überführungen der Leichname zu den medizinischen Instituten der Universitäten<br />
München und Würzburg.<br />
SCHLUSSBETRACHTUNG<br />
In einem Essay Betrachtungen zur Todesstrafe schrieb der französische Philosoph,<br />
Schriftsteller und Journalist Albert Camus (1913–1960) über die Todesstrafe: „Gewiß sie<br />
ist eine Strafe, eine entsetzliche physische und moralische Qual. Exemplarisch ist sie jedoch<br />
nur in einer Hinsicht: der Sittenverderbnis. Sie bestraft, aber sie verhütet nichts, ja,<br />
sie ist viel eher dazu angetan, Mordgelüste wachzurufen. Es ist als gäbe es sie nicht, außer<br />
für den, der sie erleidet, zunächst seelisch während Monaten und Jahren, und dann körperlich<br />
in jener verzweifelten und gewalttätigen Stunde, da er in zwei Stücke gehauen<br />
wird, ohne gleich das Leben zu verlieren. Wir wollen sie bei ihrem Namen nennen, einen<br />
Namen der ihr an Ermangelung eines anderen Adels wenigstens den der Wahrheit verleihen<br />
wird, wir wollen sie als das erkennen, was sie ihrem Wesen nach ist: Rache. – “ 183<br />
Für Camus bedeutete die Todesstrafe Mord. Ihm zufolge verwandelt der Staat damit einen<br />
Menschen in eine Sache – angeblich höheren Zwecken zuliebe.<br />
Der in Cambridge lehrende Historiker Richard J. Evans kam in seinem neuesten Werk<br />
über die deutsche Geschichte der Todesstrafe von 1532 bis 1987 zu dem Schluss, dass die<br />
Todesstrafe weltweit geächtet werden sollte, „da sie die menschliche Würde nicht fördert,<br />
sondern herabsetze und mit ihr den Staat, in dem sich die menschliche Gesellschaft organisiert<br />
hat." 184<br />
182 Über den Scharfrichter in München-Stadelheim J. Reichhart erschien am 18. Dezember 1948 im Berliner<br />
„Nachtexpreß“ folgende Nachricht: „Der sechsundfünfzigjährige Scharfrichter Johann Reichart, der bis<br />
1945 insgesamt rund 2500 Hinrichtungen durchgeführt hat, wurde gestern im Wiederaufnahmeverfahren<br />
von einer Münchner Spruchkammer in die Gruppe der Belasteten eingereiht. Reichhart wird auf zwei<br />
Jahre in ein Arbeitslager eingewiesen, wobei ihm die bisherige Haft von 18 Monaten abgerechnet wird.“<br />
Zitiert in: Poelchau, Harald (1987): Die letzten Stunden: 30. In der Zeit vom 1.2.–29.2.1944 bekamen er<br />
und seine Gehilfen für 25 Hinrichtungen insgesamt 3836,– RM ausgezahlt. In: Weisenborn, G. (1974):<br />
Der lautlose Aufstand: 253<br />
183 Camus Albert (1960): Fragen der Zeit. Auszug aus dem Essay „Betrachtungen zur Todesstrafe. In: Die<br />
Zeit Nr. 22 v. 23.5.2001: 13<br />
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