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ich seit dem 30. Dezember 1916 auszustehen hatte, nicht wenig geschwächt bin, so ist für<br />
mich das Gehenlernen eine überaus schwierige und mühsame Sache.“ 431 Im selben Jahr<br />
nahm er wieder das Amt als Seelsorger für die Zuwanderer in der ständig wachsenden<br />
Großstadt München auf. In einem Kreis von kirchlichen Mitarbeitern gelang es ihm, durch<br />
praktische Hilfe wie Stellenvermittlung und Unterstützung den „Zugereisten“ in Notlagen<br />
zu helfen und so ihr Vertrauen zu gewinnen. Über seine Kontakte berichtete er später:<br />
„Bei den Hausbesuchen ging es sehr lebhaft zu. So wurde ich bekannt mit dem Sozialismus<br />
und dem Kommunismus. Ich war gezwungen die soziale und die kommunistische Presse<br />
zu verfolgen und die diesbezüglichen Schriften zu lesen ... So konnte ich in den Vorträgen<br />
aus dem vollen Leben schöpfen. Diese Tätigkeit brachte es mit sich, daß ich immer mehr<br />
in die katholische Arbeiterbewegung hineingezogen wurde und auch die christliche Gewerkschaftsbewegung<br />
kennenlernte.“ 432 In den Nachkriegsjahren setzte er sich für Frieden<br />
und Versöhnung ein, übernahm die Leitung der „Marianischen Bürger-Kongregation“<br />
und das Amt des Spirituals der „Schwestern von der Heiligen Familie“. Als Seelsorger,<br />
Beichtvater, Prediger und Caritas-Apostel betreute er die Jesuitenkirche St. Michael und<br />
den Bürgersaal. Die Tätigkeit als Mitarbeiter des Diözesan-Caritasverbandes bot Möglichkeiten,<br />
Notleidenden neben seelischem Beistand auch praktische Hilfe zu geben. Um<br />
den sonntäglichen Ausflüglern den Gottesdienst zu ermöglichen, hielt er seit 1925 Gottesdienste<br />
im Münchner Hauptbahnhof.<br />
Nach der Machtergreifung<br />
Als Prediger in der St. Michaelskirche setzte er sich gegen die Angriffe der neuen Regierung<br />
auf die Kirche zur Wehr. „Wenn eine kirchenfeindliche Zeitung Falschmeldungen<br />
über religiöse Ereignisse abdruckte, nahm er das Blatt auf die Kanzel mit und forderte<br />
überzeugend zum kritischen Lesen auf“, 433 obwohl er wusste, dass die Gestapo seine Predigten<br />
mitschrieb. Am 7. April 1937 verhängte die Gestapo-Zentrale Berlin gegen Pater<br />
Rupert Mayer ein „Redeverbot für das gesamte Reichsgebiet“. Pater Rupert Mayer nahm<br />
dies nicht zur Kenntnis, weil er es für einen unrechtmäßigen Eingriff in die Verkündungsfreiheit<br />
der Kirche hielt. Deshalb erfolgte zwei Monate später seine Inhaftierung; er wurde<br />
in das Münchner Corneliusgefängnis gebracht und später nach München-Stadelheim verlegt.<br />
Den Prozessverlauf vor dem Sondergericht gegen Pater Rupert Mayer am 22. und 23.<br />
Juli 1937 hatte der damalige Rechtsreferendar Otto Gritschneder schriftlich festgehalten<br />
und das Verhandlungsprotokoll im Jahre 1965 veröffentlicht. „Bei der staatsanwaltlichen<br />
Vernehmung, mehr noch im Prozeß selbst, wurde offenbar, daß Pater Mayer sich ganz<br />
und gar nicht einschüchtern oder auch nur zu einer Verharmlosung oder Zurücknahme<br />
431 Mayer, Rupert: Briefe 1: 67. In: Loerzer, Sven (1984): Pater Rupert Mayer: 36<br />
432 Mayer, Rupert: Briefe 1: 41. In: Loerzer, Sven (1984): Pater Rupert Mayer: 22<br />
433 Sandfuchs, Wilhelm (1987): Pater Rupert Mayer: 48<br />
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