Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de
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manu-vorgeschichte.qxd 09.03.05 16:34 Seite 130<br />
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Die SMAD übertrug – sehen<strong>de</strong>n Auges – zentralen SBZ-Behör<strong>de</strong>n,<br />
wie <strong>de</strong>r DVdI <strong>und</strong> <strong>de</strong>r DJV, stärkere Kompetenzen für Organisation,<br />
Kontrolle <strong>und</strong> E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong> die Län<strong>de</strong>r. Da das Entnazifizierungsvorhaben<br />
bereits länger im Gespräch gewesen war, hatten führen<strong>de</strong> SED-<br />
Politiker diese Kompetenzen auch als Wunsch gegenüber <strong>de</strong>r SMA<br />
zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen können.<br />
Die Rechts- <strong>und</strong> Funktionsbeziehung Staatsanwalt–Polizist war –<br />
zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st <strong>de</strong> jure – noch von rechtsstaatlicher Gewaltenteilung geprägt.<br />
Das wur<strong>de</strong> nun verzerrt <strong>und</strong> aufgeweicht. In 201-Sachen galt<br />
nunmehr e<strong>in</strong>e Verfahrensweise, <strong>de</strong>r zufolge<br />
„die untersuchungsführen<strong>de</strong> Behör<strong>de</strong> auf Gr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Unterlagen über die<br />
Person <strong>de</strong>s Angeklagten ... die Anklageschrift zu fertigen“ hat, „die vom<br />
Staatsanwalt zu bestätigen ist“.<br />
Das <strong>de</strong>gradierte <strong>de</strong>n Staatsanwalt quasi zum Justizsekretär e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
Gerichtssaal e<strong>in</strong>treten<strong>de</strong>n <strong>Polizei</strong>. Der Staatsanwalt erfuhr nur die Ermittlungsergebnisse,<br />
die die <strong>Polizei</strong> für anklage- <strong>und</strong> prozessrelevant hielt,<br />
während die <strong>Polizei</strong> <strong>de</strong>ssen Durchsetzung <strong>de</strong>r Anklage vor Gericht je<strong>de</strong>rzeit<br />
überprüft <strong>und</strong> bewerten konnte.<br />
Die Staatsanwälte sahen diese Degradierung se<strong>in</strong>erzeit jedoch mit wenig<br />
Klarheit <strong>und</strong> erblickten eher e<strong>in</strong>e (verme<strong>in</strong>tliche) Chance, fortan besser<br />
mit <strong>de</strong>r <strong>Polizei</strong> zusammenarbeiten zu können. Der Thür<strong>in</strong>ger Generalstaatsanwalt<br />
sah <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Bestimmungen sogar – zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st anfangs – „verstärkte<br />
Machtbefugnisse“ gegenüber <strong>de</strong>r <strong>Polizei</strong>. 269 Die Anklagebefugnis<br />
<strong>de</strong>r <strong>Polizei</strong> war zwar auf 201-Prozesse beschränkt <strong>und</strong> die Staatsanwälte<br />
wussten um die dilettantischen Schreibbefähigung damaliger Polizisten<br />
<strong>und</strong> mochten von <strong>de</strong>r Zeitweiligkeit <strong>de</strong>s Verfahrens überzeugt gewesen<br />
se<strong>in</strong>. An<strong>de</strong>rerseits aber lag es durchaus <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utscher (kommunistischer)<br />
<strong>Polizei</strong>führer <strong>und</strong> Innenpolitiker, sich zuerst an diesen Son<strong>de</strong>rrechten<br />
zu stärken <strong>und</strong> anschließend daraus komplexere Befugnisse<br />
wer<strong>de</strong>n zu lassen.<br />
Mit <strong>de</strong>n SMA-201-Ausführungsbestimmungen erfolgte nun auch e<strong>in</strong><br />
erster –zurückhalten<strong>de</strong>r – E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> <strong>de</strong>utsche <strong>Haft</strong>-Praxis. Die Sowjets<br />
legten nur fest, dass für alle 201-Hauptverbrecher Untersuchungshaft zu<br />
verhängen war, die vom Staatsanwalt bestätigt <strong>und</strong> als E<strong>in</strong>zelhaft<br />
durchgeführt wer<strong>de</strong>n sollte. 270 Kurz darauf erließ die DVdI Regeln im<br />
Zusammenhang mit dieser 201-<strong>Haft</strong>, die – im eigenen Interesse <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />
Justiz zuwi<strong>de</strong>r – darüber h<strong>in</strong>ausg<strong>in</strong>gen.