Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de
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manu-vorgeschichte.qxd 09.03.05 16:34 Seite 235<br />
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Untersuchungsabteilung IX<br />
Die Leiter <strong>de</strong>r MfS-Kreisdienststellen sollten <strong>und</strong> durften zwar ermitteln,<br />
verhaften <strong>und</strong> zeitweise <strong>in</strong>haftieren, aber nunmehr gab es mit <strong>de</strong>r Abteilung<br />
IX e<strong>in</strong>e starke Lan<strong>de</strong>s<strong>in</strong>stanz. An<strong>de</strong>rs als bei <strong>de</strong>n 201-U-Organen<br />
1947/48 positionierte man diese Abteilung IX nun stärker als Vermittlungs<strong>in</strong>stanz<br />
zur Justiz <strong>und</strong> zur <strong>Polizei</strong> (sowie auch zum MGB) <strong>und</strong> als<br />
Entscheidungs<strong>in</strong>stanz <strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>s MfS.<br />
Dass die Abteilung IX 1952 e<strong>in</strong>e solche Mittlerposition auch ausfüllte,<br />
belegt beispielsweise <strong>de</strong>r berüchtigte Muras-Wilhelm-Prozess. Die bei<strong>de</strong>n<br />
CDU-Mitglie<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n zum To<strong>de</strong> verurteilt, weil e<strong>in</strong> SED-Gewerkschafter<br />
bei e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Schlägerei tödlich verletzt wor<strong>de</strong>n war. Das<br />
Geschehen hatte sich am 1. Mai im Kreis Nordhausen abgespielt <strong>und</strong> das<br />
Gerichtsverfahren sollte am 17. Mai <strong>in</strong> Mühlhausen folgen. Bereits am<br />
3./4. Mai 1952 befan<strong>de</strong>n sich bei<strong>de</strong> Männer nachweislich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Thür<strong>in</strong>ger<br />
MfS-<strong>Haft</strong>anstalt. 504 Kurt Koch, Chef <strong>de</strong>r Abteilung IX, beschimpfte <strong>in</strong><br />
jener Nacht <strong>de</strong>n <strong>in</strong>haftierten Wilhelm als „Arbeitermör<strong>de</strong>r“ <strong>und</strong> „Faschistenschwe<strong>in</strong>“<br />
<strong>und</strong> schlug ihm mit <strong>de</strong>r Faust <strong>in</strong>s Gesicht. Dem <strong>in</strong>haftierten<br />
Muras hatte er e<strong>in</strong>en Wassereimer auf <strong>de</strong>n Kopf geschüttet. Kochs Übergriffe<br />
trafen außer<strong>de</strong>m e<strong>in</strong>en misshan<strong>de</strong>lten Mann, <strong>de</strong>r nur e<strong>in</strong> Be<strong>in</strong> hatte,<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>en weiteren Mann, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>shalb <strong>in</strong>haftiert war, weil er auf e<strong>in</strong><br />
Len<strong>in</strong>-Bild geschossen hatte.<br />
Der genannte Kurt Koch, e<strong>in</strong> 30jähriger, war e<strong>in</strong>ige Tage nach MfS-Gründung<br />
von Rudolstadt nach Weimar versetzt wor<strong>de</strong>n <strong>und</strong> leitete die Abteilung<br />
IX. Zunächst hatte er <strong>de</strong>n Dienstgrad Oberrat, ab En<strong>de</strong> 1951 bekam<br />
er <strong>de</strong>n Dienstgrad Komman<strong>de</strong>ur, also <strong>de</strong>n zweihöchsten <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>rverwaltung.<br />
Mitte 1952 allerd<strong>in</strong>gs wur<strong>de</strong> er selbst zu sechs Jahren <strong>Haft</strong><br />
verurteilt, weil mittlerweile zahllose Fälle von Gefangenenmisshandlung<br />
bekannt gewor<strong>de</strong>n waren. Den Ausschlag für se<strong>in</strong>e Verurteilung mochten<br />
allerd<strong>in</strong>gs auch se<strong>in</strong>e Distanz zu <strong>de</strong>n Sowjets, fehlen<strong>de</strong> Kollegenakzeptanz,<br />
abenteuerliches Privatleben <strong>und</strong> Trunksucht gegeben haben.<br />
Koch äußerte e<strong>in</strong>ige Jahre später e<strong>in</strong>mal, wie Giesecke beschreibt 505, dass<br />
Aussageerpressung <strong>und</strong> Gewalt durch MfS-Personal auf <strong>de</strong>r Tagesordnung<br />
gestan<strong>de</strong>n hätten <strong>und</strong> Koch sich gegenüber Kollegen angeblich dagegen<br />
ausgesprochen hätte. Nicht nur Koch hatte an Schlägereien mitgewirkt,<br />
<strong>de</strong>nn e<strong>in</strong> Gefangener sagte – laut Giesecke – aus, Mitte 1951 von<br />
zwei Thür<strong>in</strong>ger MfS-Vernehmern mit e<strong>in</strong>em selbstgebauten Schlagstock<br />
geschlagen wor<strong>de</strong>n zu se<strong>in</strong>.<br />
Die Büros <strong>und</strong> Vernehmerzimmer <strong>de</strong>r Abteilung IX befan<strong>de</strong>n sich höchstwahrsche<strong>in</strong>lich<br />
anfangs im Hauptsitz <strong>de</strong>r MfS-Län<strong>de</strong>rverwaltung <strong>in</strong> <strong>de</strong>r