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Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de

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manu-vorgeschichte.qxd 09.03.05 16:35 Seite 254<br />

254<br />

Unter welchem Druck sich Richter Thienel stehen sah, belegt se<strong>in</strong>e äußerst<br />

bizarre Begründung dafür, dass das Strafurteil unter <strong>de</strong>n Strafanträgen<br />

verbleibe: Statt mil<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong> habe man lieber berücksichtigt,<br />

dass erstens „zum Glück größere Nachteile noch nicht entstan<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d“<br />

<strong>und</strong> zweitens „weil es das erste Mal ist, dass Art. 6 ... unmittelbar als<br />

Strafgesetz angewandt wor<strong>de</strong>n ist.“<br />

Kurz vor <strong>de</strong>m Erfurter Gerichtsverfahren hatten auch die obersten DDR-<br />

Richter ihre ersten <strong>Haft</strong>strafen mittels <strong>de</strong>s Artikels 6 ausgesprochen.<br />

Etwa zur gleichen Zeit als die Erfurter RIAS-Fre<strong>und</strong>e vor Gericht stan<strong>de</strong>n,<br />

bearbeiteten die Weimarer MfS-Leute e<strong>in</strong> Ermittlungsverfahren ähnlichen<br />

Couleurs, das aber mit <strong>de</strong>m Spionage-Vorwurf bedacht <strong>und</strong> daher an die<br />

Sowjets weitergereicht wur<strong>de</strong>. 542 Die Gerichts-Offiziere sprachen dort<br />

1951 allerd<strong>in</strong>gs To<strong>de</strong>surteile gegen vier Menschen <strong>und</strong> verpassten außer<strong>de</strong>m<br />

e<strong>in</strong>em jungen Mann, <strong>de</strong>r e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Flugblatt aufgehängt hatte, 25<br />

Jahre Straflager <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en lebensgefährlichen GULag-Aufenthalt. Das<br />

MfS hatte <strong>de</strong>n Fall zuvor aufgerollt <strong>und</strong> mehrere Monate lang Vernehmungen<br />

durchgeführt, ehe sich die Sowjets e<strong>in</strong>geschaltet hatten.<br />

Der Prozess gegen die Erfurter Jugendlichen stellte 1950 noch eher die<br />

Ausnahme unter <strong>de</strong>n ersten <strong>de</strong>utschen Politurteilen dar. Weit häufiger<br />

waren es Zeugen Jehovas, die <strong>in</strong> jenen Monaten <strong>in</strong> die Mühlste<strong>in</strong>e <strong>de</strong>r<br />

neuen Polit-Straf-Instrumentarien gerieten.<br />

2. Urteil <strong>de</strong>r Großen Strafkammer 201 <strong>de</strong>s Landgerichts Erfurt vom 3. November<br />

1950 nach Artikel 6 543<br />

Vor Gericht stan<strong>de</strong>n e<strong>in</strong> Erfurter, elf Weimarer <strong>und</strong> vier weitere Thür<strong>in</strong>ger<br />

Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Zeugen Jehovas (auch Bibelforscher, Wachtturmgesellschaft).<br />

Der Strafspruch war außeror<strong>de</strong>ntlich hoch. Richter Thienel verhängte<br />

fünfzehn <strong>Haft</strong>strafen mit <strong>in</strong>sgesamt 111 Jahren <strong>Haft</strong> sowie e<strong>in</strong>e<br />

Bewährungsstrafe von zwei Jahren, – die höchsten E<strong>in</strong>zelstrafen betrugen<br />

e<strong>in</strong>mal 15 Jahre, zweimal 12, e<strong>in</strong>mal 10, viermal 8 Jahre.<br />

Die gesamte Argumentation <strong>de</strong>s Gerichts war hanebüchen.<br />

E<strong>in</strong> Großteil <strong>de</strong>r Vorwürfe war überhaupt nicht <strong>in</strong>dividuell, an<strong>de</strong>re waren<br />

nicht <strong>in</strong>dividuell bewiesen, während bestimmte E<strong>in</strong>zelhandlungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

Urteilsargumentation überbewertet waren. Und letztlich waren auch die<br />

Generalvorwürfe gegen die Geme<strong>in</strong>schaft <strong>de</strong>r Bibelforscher/Zeugen Jehovas<br />

zweischneidig, da betont wur<strong>de</strong>, dass die Geme<strong>in</strong><strong>de</strong>mitglie<strong>de</strong>r bereits<br />

<strong>in</strong> vielerlei Staaten <strong>und</strong> auch im NS-Staat strafrechtlich verfolgt wor<strong>de</strong>n<br />

s<strong>in</strong>d. Die Grün<strong>de</strong>:

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