31.12.2012 Aufrufe

Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de

Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de

Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

manu-vorgeschichte.qxd 09.03.05 16:34 Seite 76<br />

76<br />

teilt war o<strong>de</strong>r dass Unschuldige tagelang umsonst e<strong>in</strong>gesperrt waren.<br />

Mitunter – beispielsweise <strong>in</strong> Altenburg <strong>und</strong> Rudolstadt – musste die<br />

<strong>Polizei</strong> auch die U-Häftl<strong>in</strong>ge <strong>de</strong>r Justiz bei sich unterbr<strong>in</strong>gen.<br />

Der eigentliche Straf- <strong>und</strong> Erziehungszweck von Gefängnishaft wur<strong>de</strong><br />

durch diese Alltagsrealitäten natürlich stark verwässert. Die Zustän<strong>de</strong>, <strong>de</strong>ren<br />

Grün<strong>de</strong> ausgerechnet im Justizwesen selbst lagen, wur<strong>de</strong>n ja zusätzlich<br />

noch verschlimmert durch die <strong>Polizei</strong>haft (s. S. 97 ff.), wo Gefangene (mit<br />

Wissen <strong>de</strong>r Justiz <strong>und</strong> oft auch für die Justiz) wochenlang we<strong>de</strong>r <strong>Haft</strong>richter<br />

noch Staatsanwalt o<strong>de</strong>r gar Rechtsanwalt zu Gesicht bekamen.<br />

H<strong>in</strong>zu kam, dass Anarchie <strong>und</strong> Willkür <strong>in</strong> Sachen <strong>Haft</strong> für e<strong>in</strong>e Bevölkerung,<br />

die <strong>in</strong> KZ-Vergangenheit <strong>und</strong> Speziallager-Gegenwart lebte, gera<strong>de</strong>zu<br />

fatale „Normalität“ <strong>und</strong> staatliche Unberechenbarkeit gewor<strong>de</strong>n war.<br />

S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Substanz von rechtsstaatlicher <strong>Haft</strong> hätten auch <strong>de</strong>shalb von<br />

e<strong>in</strong>er rechtsstaatlichen Justiz dr<strong>in</strong>gen<strong>de</strong>r als je wie<strong>de</strong>rhergestellt wer<strong>de</strong>n<br />

müssen.<br />

Spätestens En<strong>de</strong> 1947 mangelte es an justizeigener <strong>Haft</strong>kapazität. Dies<br />

machte sich im Gerichtsbezirk Erfurt beson<strong>de</strong>rs bemerkbar. Denn das<br />

<strong>Haft</strong>gebäu<strong>de</strong> Andreasstraße wur<strong>de</strong>, wie <strong>de</strong>r Thür<strong>in</strong>ger Generalstaatsanwalt<br />

ans Justizm<strong>in</strong>isterium schrieb, noch immer „von <strong>de</strong>r Besatzungsmacht<br />

<strong>in</strong> Anspruch genommen“. 141<br />

Nur zwei Monate später jedoch – im Februar 1948 – ist „die Anstalt<br />

wie<strong>de</strong>r eröffnet.“ 142 Im Justizgefängnis Andreasstraße, das nun wie<strong>de</strong>r für<br />

das <strong>de</strong>utsche Justizsystem zur Verfügung stand, wur<strong>de</strong>n schnellstens erste<br />

Wie<strong>de</strong>r<strong>in</strong>standsetzungen durchgeführt. Nach kurzer Zeit stan<strong>de</strong>n die 42<br />

E<strong>in</strong>zel- <strong>und</strong> 36 Geme<strong>in</strong>schaftszellen zur Verfügung, die für 212 mögliche<br />

Gefangene e<strong>in</strong>gerichtet waren. (s. S. 260 ff)<br />

Fast zur gleichen Zeit – im März 1948 – beschlossen die Chefs <strong>de</strong>r SMAD<br />

e<strong>in</strong>e umfassen<strong>de</strong> Amnestie für kle<strong>in</strong>ere Straftaten (außer „Wirtschaftsverbrechen“).<br />

143 Von <strong>de</strong>n 1.300 verurteilten Strafgefangenen amnestierten die<br />

Thür<strong>in</strong>ger Gerichte daraufh<strong>in</strong> etwa je<strong>de</strong>n zweiten. Schon im Juni 1948 –<br />

wenige Wochen nach Amnestie – lag die Anzahl <strong>de</strong>r Thür<strong>in</strong>ger Justizhäftl<strong>in</strong>ge<br />

wie<strong>de</strong>r über 2500. Im Jahr 1949 stieg sie dann auf über 3000. 144<br />

1948 aber stan<strong>de</strong>n die Richter <strong>und</strong> Staatsanwälte unter <strong>de</strong>m Druck, die<br />

Prozesse gegen die 201-U-Häftl<strong>in</strong>ge vorrangig abarbeiten zu müssen (s. S.<br />

134 ff.). Diese 201-U-Häftl<strong>in</strong>ge kamen auf die Anklagebank aber nicht<br />

aus <strong>de</strong>n U-<strong>Haft</strong>zellen, son<strong>de</strong>rn aus <strong>Polizei</strong>-<strong>Haft</strong>zellen. Folglich verblieben<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich viele Justiz-U-Häftl<strong>in</strong>ge noch länger <strong>in</strong> Untersuchungshaft,<br />

als es <strong>de</strong>r Gerichtskapazität entsprochen hätte.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!