Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de

manu-vorgeschichte.qxd 09.03.05 16:34 Seite 137
137
als ein, zwei Dienstjahre hatte, war das kaum verwunderlich. Und so kam
es auch dazu, dass einerseits die Polizeiführung lauthals die Staatsanwälte
wegen der sich bei ihnen stapelnden Anklageschriften kritisierten und
andererseits die Staatsanwälte immer wieder auf die Unbrauchbarkeit
polizeilicher Anklageschriften verwies. Selbst Mielke äußerte im Dezember
1947 in Berlin:
„Wir müssen leider feststellen, dass wir noch schwach sind in der Frage
der Untersuchungen und Ermittlungen. ...“ 293
Von Seiten der DVdI erfolgte sowohl Kontrolle als auch Schulung und
Anleitung für die Leiter der U-Organe. Auf einer Konferenz im Oktober
1947 war Mielke daher soweit über Thüringen informiert, dass er öffentlich
kritisieren konnte, dass die Thüringer Polizei die 201-Untersuchungen „als
Geheimsache“ betrachte. 294 „Geheimsachen“-Kritik zur K5-Tätigkeit findet
sich 1947/48 auch in den Tätigkeitsberichten der Thüringer Landespolizei.
Dass Mielkes Kritik berechtigt war, erkennt man mit dem ersten
Blick auf die Thüringer 201-Briefbögen, die als „geheim“ ausgewiesen
waren. Auf einer Thüringer Polizeileiter-Tagung hatte man dafür auch eine
offizielle Anweisung erteilt: „Rechts oben kommt auf jedes Schreiben rot
umrändert die Zahl 201 und der gesamte Schriftsatz läuft unter
‚Geheim‘.“ 295
Mielke kannte sicher auch den Bericht seines DVdI-Präsidenten-Kollegen
Reschke, der gerade eine Thüringen-Reise hinter sich hatte. Seine Kritik
lief letztlich darauf hinaus, dass die Polizei auf solche Weise nicht die
gewünschte Mitarbeit– also die Denunziation – aus der Bevölkerung
initiieren könne.
Für die Arbeit der 201-U-Organe spielte immer wieder die Eigentumsfrage
eine Rolle. Nach kommunistischer Definition waren Faschismus und Kapitalismus
untrennbar miteinander verzahnt und die Menge der Straf-Enteignungen
folglich das wahre Maß für NS-Ausmerzung. Nicht zuletzt übte die
SMA in jenen Tagen gleichzeitig massiven Druck auf deutsche Stellen in
Sachen Wirtschaftsaufschwung und Staatsplanung aus und erließ den „Aufbaubefehl
234“. Bei einer Polizeileitertagung im Hause des Polizeipräsidenten
Ende September 1947 war es nicht nur um die Installierung der U-
Organe gegangen, sondern gleichzeitig auch um Beschlagnahmungen.
„Lebhafte Diskussion entstand darüber, ob man auch landwirtschaftliche
Betriebe unter den Befehl 201 nehmen könne.“ 296
Das wurde bejaht im Laufe jener Debatte, die auch erkennen ließ, dass
mancher örtliche Polizeioffizier bereits stärker auf Verfolgung bürger-