Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de
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manu-vorgeschichte.qxd 09.03.05 16:35 Seite 245<br />
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Die KD-Leiter blieben für Verhaftungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Kreisen weiterh<strong>in</strong> zuständig,<br />
ansonsten die Abteilung IX. Fristverlängerungen sollten bei<br />
übergeordneten Dienste<strong>in</strong>heiten <strong>de</strong>r L<strong>in</strong>ie IX beantragt wer<strong>de</strong>n.<br />
E<strong>in</strong>e Verhaftung war b<strong>in</strong>nen 24 St<strong>und</strong>en <strong>de</strong>m Staatsanwalt zu mel<strong>de</strong>n,<br />
bei vorläufiger Festnahme war nachträglich b<strong>in</strong>nen 24 St<strong>und</strong>en <strong>de</strong>r<br />
<strong>Haft</strong>befehl beim <strong>Haft</strong>richter e<strong>in</strong>holen. Weil letzteres aber e<strong>in</strong>e Vorführung<br />
beim <strong>Haft</strong>richter erfor<strong>de</strong>rte, wollte Zaisser, dass se<strong>in</strong>e Leute sich<br />
<strong>de</strong>n <strong>Haft</strong>befehl lieber vor Festnahme besorgten. Nur so ließ sich jegliche<br />
offizielle Handlung gegenüber <strong>de</strong>m Verhafteten umgehen.<br />
Die Namen „bestätigter“ Staatsanwälte wür<strong>de</strong>n bekannt gegeben, so<br />
dass alle an<strong>de</strong>ren Staatsanwälte pr<strong>in</strong>zipiell abgelehnt wer<strong>de</strong>n konnten.<br />
„Das Aufsichtsrecht <strong>de</strong>s Staatsanwalts beg<strong>in</strong>nt mit <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />
Festnahme. Es erstreckt sich nicht auf Ermittlungshandlungen, die von<br />
<strong>de</strong>n operativen Abteilungen vor <strong>de</strong>r Festnahme durchgeführt wur<strong>de</strong>n.”<br />
Ke<strong>in</strong>erlei Information über MfS-Mitarbeiter <strong>und</strong> Bewaffnung <strong>de</strong>s<br />
Wachpersonals, über Signalanlagen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n „<strong>in</strong>ternen Dienstbetrieb<br />
<strong>de</strong>r Verwaltungen <strong>de</strong>r <strong>Haft</strong>anstalten” durfte nach außen gegeben wer<strong>de</strong>n.<br />
Alle Kontrollberichte von Staatsanwälten sollten als Kopie an die<br />
Hauptabteilung IX weitergereicht wer<strong>de</strong>n.<br />
In Zaissers Befehl waren auch Teile <strong>de</strong>r Ermittlungsakten aufgelistet,<br />
die nicht (!) an Gerichte weitergegeben wer<strong>de</strong>n durften: IM-Berichte,<br />
IM-Aufträge, Material/Pläne über operative Maßnahmen, Zellen<strong>in</strong>formatoren-Berichte.<br />
All das sollte abgeheftet wer<strong>de</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er geson<strong>de</strong>rten<br />
„Handakte <strong>de</strong>s Mitarbeiters, <strong>de</strong>r die Untersuchungen führt”.<br />
Zaisser g<strong>in</strong>g es hier zugleich um <strong>in</strong>nerbetriebliche Kontrolle <strong>und</strong> Verh<strong>in</strong><strong>de</strong>rung<br />
etwaiger Justiz-E<strong>in</strong>griffe.<br />
Verhaftungszahlen für die ersten Jahre s<strong>in</strong>d für Thür<strong>in</strong>gen nicht bekannt.<br />
1954 müssen vom MfS (bzw. SfS) <strong>in</strong>sgesamt etwa 2700–3500 Leute verhaftet<br />
wor<strong>de</strong>n se<strong>in</strong>, von <strong>de</strong>nen zwischen Januar <strong>und</strong> September 1954 482<br />
Menschen wie<strong>de</strong>r freigelassen wur<strong>de</strong>n. Die Freilassungsquote umfasste <strong>in</strong><br />
Erfurt fast je<strong>de</strong>n fünften Inhaftierten <strong>und</strong> <strong>in</strong> Suhl etwa je<strong>de</strong>n dritten. 532<br />
Zu <strong>de</strong>n ersten Leidtragen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r MfS-Untersuchungs-<strong>Haft</strong>befugnisse<br />
zählten nicht nur Leute, wie Muras <strong>und</strong> Wilhelm, <strong>de</strong>r Len<strong>in</strong>bild–Schän<strong>de</strong>r,<br />
<strong>de</strong>r Flugblattverteiler Bockel <strong>und</strong> die mit ihm verhafteten angeblichen<br />
CIC-Agenten, die CDU-Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Erfurter Schauprozesse <strong>und</strong> unbefugte<br />
Waffenbesitzer, son<strong>de</strong>rn auch e<strong>in</strong>e beachtliche Zahl von unpolitischen<br />
Zeugen Jehovas, Erfurter Jugendlichen, die vom RIAS begeistert<br />
waren <strong>und</strong> viele an<strong>de</strong>re.