Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de

manu-vorgeschichte.qxd 09.03.05 16:34 Seite 147
147
waren sie andererseits selbst ein Strafrecht mit langjährigen Strafen und
staatlichen Vermögensgewinnen gewohnt. Deutsche Kritiken wurden besonders
durch die DVdI und Teile der SED vorgenommen oder aber
forciert. Auch aus der Thüringer Justiz selbst kamen 1948 Urteilskritiken,
Kassationen und Urteilsverschärfungen, dennoch erkennt man – zumindest
als juristischer Laie – weder Missbrauch dieser Rechtssprechung
durch Pauschalverurteilungen, zu politischen Auseinandersetzung oder
mit wirtschaftspolitischen Motiven. 1950 sollte dies in Erfurts „Großer
Strafkammer 201“ allerdings nicht mehr der Fall sein. (s. S. 250 ff.)
Die Zahl der Prozesse gegen NS-Straftäter in der großen 201-Kammer
ging noch im Jahresverlauf 1948 stark zurück.
Herrschte in den Gerichtssälen gegenüber den 201-Angeklagten eine im
wesentlichen angemessene Rechtssituation, so war die Lage der beteiligten
Staatsanwälte komplizierter.
Aufgrund ihrer Zwischenposition konnten ihnen der Schwarze Peter von
mehreren Seiten zugeschoben werden, – sei es durch die Polizei wegen
der juristischen Langsamkeit, durch das Gericht wegen problematischer
Schuldbeweise, durch die Sowjets und die Politik wegen der Freisprüche
und Strafmaße. Der kritische Druck wurde noch verstärkt durch andere
Faktoren des Geschehens wie z.B.: das erwähnte Eindringen der Polizei in
staatsanwaltliche Kompetenzen, der für die Richter ungewohnte justizpolitische
Druck oder der Verdruss zentraler SED-Funktionäre darüber, dass
sie noch keinen Fuß in der Justiz und keine kommunistischen Staatsanwälte
hatten.
Ein Rundschreiben des Generalstaatsanwalts vom Februar 1948 veranschaulicht
diese Situation. Kuschnitzky teilte seine Beobachtungen nebst
Verhaltensempfehlungen für seine Kollegen auch dem Landtag und der
Thüringer SMA mit:
„Beobachtungen und Erfahrungen der letzten Zeit geben mir Anlass zu
folgenden Bemerkungen:
I. Der Staatsanwalt ist der Herr des Verfahrens. ... Von diesen Befugnissen
ist künftig mehr noch als bisher Gebrauch zu machen.
Nach meinen Beobachtungen kommen die Polizeilichen U-Organe ihrer
Berichtspflicht ... bei Einleitung der Untersuchung nur unzureichend oder
überhaupt nicht nach. Sie sind in geeigneter Weise hierzu anzuhalten. Nur
wenn durch Erfüllung dieser Berichtspflicht die Möglichkeit der Einwirkung
des aufsichtsführenden Staatsanwalts auf die Führung der Untersuchung
bereits bei ihrer Einleitung sichergestellt ist und während der ganzen
Dauer der Untersuchung gewährleistet bleibt, und nur wenn von die-