Haft und Politische Polizei in Thüringen 1945–52 - Einschluss.de
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manu-vorgeschichte.qxd 09.03.05 16:34 Seite 218<br />
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gesetzlichen <strong>Haft</strong>fristen wur<strong>de</strong>n auch weiterh<strong>in</strong> häufig überschritten. Im<br />
September 1949 kritisierte beispielsweise Zahmel, <strong>de</strong>r stellvertreten<strong>de</strong><br />
Lan<strong>de</strong>skrim<strong>in</strong>aldirektor, vor versammelter Führungsriege, dass „<strong>Polizei</strong>häftl<strong>in</strong>ge<br />
... mitunter 5, 7 <strong>und</strong> noch mehr Tage im <strong>Polizei</strong>gewahrsam (sitzen),<br />
ohne dass <strong>de</strong>r <strong>Haft</strong>befehl beantragt wird.“ 473<br />
Im September 1949 – kurz vor Gründung <strong>de</strong>r DDR – befan<strong>de</strong>n sich über<br />
4.000 Thür<strong>in</strong>ger (2.693 Männer <strong>und</strong> 1.463 Frauen) <strong>in</strong> <strong>Polizei</strong>haft. Nur 94<br />
von ihnen waren Justizgefangene (die zeitweilig hier untergebracht waren)<br />
<strong>und</strong> weitere 164 waren 201-Gefangene, –also aufgr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er offiziellen<br />
Durchführungsordnung hier. Und obwohl es außer <strong>in</strong>ternen Verordnungen<br />
ke<strong>in</strong>e Rechtssätze gab, hatte die Thür<strong>in</strong>ger <strong>Polizei</strong> <strong>in</strong>zwischen 11 <strong>Polizei</strong>gefängnisse,<br />
116 <strong>Polizei</strong>gewahrsame sowie 3 <strong>Polizei</strong>lager. 474 Die Thür<strong>in</strong>ger<br />
Gesetzgebung hatte dafür we<strong>de</strong>r vor 1933 noch nach 1945 e<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>lage<br />
gegeben.<br />
In <strong>Polizei</strong>-<strong>Haft</strong> befan<strong>de</strong>n sich außer <strong>de</strong>n regulären vorläufig Festgenommenen<br />
mit 24-St<strong>und</strong>en-Frist <strong>und</strong> <strong>de</strong>n regulären Transport-Gefangenen<br />
auch mehrere, strafrechtlich irreguläre Häftl<strong>in</strong>gsgruppen, <strong>de</strong>ren Vorhan<strong>de</strong>nse<strong>in</strong><br />
heute gera<strong>de</strong>zu seltsam anmuten muss:<br />
- Vorbeugehäftl<strong>in</strong>ge (aufgr<strong>und</strong> eigner, polizeilicher Strafbefehle),<br />
- Krim<strong>in</strong>alhäftl<strong>in</strong>ge über 24 St<strong>und</strong>en (ohne Rechtsgr<strong>und</strong>lage),<br />
- polizeiliche 201-Häftl<strong>in</strong>ge (laut DVdI-Verordnung),<br />
- sicherheitsverwahrte Obdachlose (Rechtsgr<strong>und</strong>lage nur 24 St<strong>und</strong>en),<br />
- sowjetisch e<strong>in</strong>gewiesene Häftl<strong>in</strong>ge (aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s Besatzungsstatus),<br />
- Festgenommene (<strong>de</strong>r Schutzpolizei o<strong>de</strong>r polizeilicher E<strong>in</strong>satzgruppen)<br />
über 24 St<strong>und</strong>en (ohne Rechtsgr<strong>und</strong>lage),<br />
- Justiz-Untersuchungsgefangene <strong>und</strong> Justiz-Strafgefangene (aufgr<strong>und</strong><br />
örtlicher <strong>Haft</strong>raum-Probleme <strong>de</strong>r Justiz),<br />
- <strong>Polizei</strong>straf-Häftl<strong>in</strong>ge (per polizeilicher Strafverfügung, z. T. wegen<br />
Nichtzahlung von Bußgeld),<br />
- kurzfristig festgenommene Grenzübertreter, teilweise <strong>in</strong> geson<strong>de</strong>rten<br />
<strong>Polizei</strong>-Lagern <strong>in</strong> Grenznähe.<br />
Der größte Teil <strong>de</strong>r Inhaftierten war nicht gr<strong>und</strong>los verhaftet <strong>und</strong> sicher<br />
auch durch Polizisten, die guten Gewissens han<strong>de</strong>lten, e<strong>in</strong>geliefert wor<strong>de</strong>n.<br />
Aber die Thür<strong>in</strong>ger <strong>Haft</strong>praxis jener Zeit war <strong>de</strong>nnoch e<strong>in</strong>e, die<br />
generellen Missbrauch ermöglichte <strong>und</strong> geschehenen Missbrauch kaum<br />
ausgleichen konnte. Und sie war e<strong>in</strong>e <strong>Haft</strong>praxis, die die Beteiligten nicht<br />
lehrte, wie e<strong>in</strong> rechtsstaatliches Verständnis von <strong>Haft</strong> auszusehen hat.